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Die Bildungssituation in Deutschland hat sich laut Bildungsbericht verbessert. © picture alliance/chromorange
Die Bildungssituation in Deutschland verbessert sich. Das bestätigt der fünfte nationale Bildungsbericht. Der Bericht weist auf die Erfolge in der frühkindlichen Ausbildung hin und lobt die Steigerung der Bildungsbeteiligung und des Bildungsstands der Bevölkerung. Diese Steigerung zeige, „dass sich Investitionen in Bildung für die Einzelnen und die Gesellschaft lohnen“, hatte Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) bei der Vorstellung des Berichts im Juni gesagt. Allerdings, und das wird ebenfalls deutlich, sind in der Bildungspolitik noch etliche Herausforderungen zu meistern. Zum Bildungsbericht, der auch eine Stellungnahme der Bundesregierung enthält, ist am Freitag, 16. Januar 2015, um 9 Uhr eine Debatte von 105 Minuten angesetzt.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Der Debatte liegen der nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2014“ (18/2990), ein Antrag von CDU/CSU und SPD „Bildung in Deutschland gemeinsam voranbringen, Lehren aus dem Nationalen Bildungsbericht 2014 ziehen, Chancen der Inklusion nutzen“ (18/3546), ein Antrag der Grünen „Bildung schafft Teilhabe und Chancengleichheit – Empfehlungen des Nationalen Bildungsberichts 2014 zügig umsetzen“ (18/3412) und ein Antrag der Linken „Bildungsverantwortung gemeinsam wahrnehmen – Konsequenzen aus dem Bildungsbericht ziehen“ (18/3728) zugrunde.
Erstmals enthält die Bestandsaufnahme der Bildungssituation in Deutschland, die alle zwei Jahre von unabhängigen wissenschaftlichen Autoren erhoben wird, einen Schwerpunkt zum Thema „Menschen mit Behinderungen im Bildungssystem“. Darin wird der Frage nachgegangen, wie weit inklusive Bildung für Menschen mit Behinderungen in Deutschland in den einzelnen Bildungsbereichen bereits umgesetzt wird und wo noch Versäumnisse bestehen.
Die Bundesregierung schreibt in ihrer Unterrichtung, „die insgesamt positive Entwicklung ist Folge einer Vielzahl von Entwicklungen über alle Bildungsbereiche hinweg, die sich in den letzten Jahren verstetigt haben“. Die Beteiligung der unter Dreijährigen an frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung habe sich in Westdeutschland seit 2006 verdreifacht und im März 2013 deutschlandweit bei 29 Prozent gelegen. Doch nach wie vor gebe es große Unterschiede zwischen dem Westen und Osten Deutschlands: Im Westen hat sie 2013 bei 24 Prozent gelegen, im Osten bei 50 Prozent.
Die Bundesregierung setzt sich zum Ziel, die frühkindliche Betreuung und Bildung weiter auszubauen. Bei den Drei- bis unter Sechsjährigen betrage die Bildungsbeteiligung insgesamt 94,1 Prozent. Das Angebot schulischer Ganztagsbetreuung nehme ebenfalls weiter zu. 2012 hätten 56 Prozent aller Schulen Ganztagsangebote unterbreitet. Auch diese sollen ausgebaut werden, wobei der qualitativen Gestaltung des Ganztagsbetriebs und der Verlässlichkeit von Ganztagsangeboten mehr Aufmerksamkeit zukommen soll.
Auch wenn in der Bildung viel erreicht sei, überschreiben die unabhängigen, wissenschaftlichen Autoren des Bildungsberichts die Gesamtlage mit der verhaltenen Zwischenüberschrift „Das deutsche Bildungswesen zwischen Bewegung und Stillstand“ und beschreiben neben vielen positiven Veränderungen auch Versäumnisse. Positiv sei die institutionelle Differenzierung in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung und im allgemeinbildenden und beruflichen Schulwesen sowie die Ausweitung von Ganztagsschulangeboten.
Erfreulich sei auch die starke Zunahme der Quote von jungen Menschen, die zum Studium berechtigt sind, wie auch die Zunahme der Zahl der Hochschulabsolventen. Weitgehend ausgespart von dieser günstigen Entwicklung seien die Bereiche der Berufsausbildung und der Weiterbildung.
Grundsätzlich ergeben sich für die Autoren fünf Handlungsfelder: Das erste sei die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung. Im Zuge des quantitativen Ausbaus seien Fragen zur Qualität weitgehend offen geblieben, wie etwa die nach einem kind- und altersgerechten Personalschlüssel oder die nach für die Kinder am besten geeigneten Altersstruktur in den Gruppen.
Auch bemängeln die Autoren die auffälligen regionalen und kommunalen Unterschiede in der Bereitstellung und der Ausgestaltung der Angebote. Zudem stellen die Wissenschaftler fest, dass der Wunsch nach Ganztagsschulen in der Bevölkerung in den letzten Jahren deutlich gestiegen sei. Es sei ein Gebot der Stunde, ein klares pädagogisches Konzept für die Gestaltung von Schulen im Ganztagsbetrieb zu entwickeln, bei dem schultypische und die Regionen übergreifende Standards verbindlich sind, aber zugleich auch Spezifika einzelner Schulen ermöglicht werden.
Ferner müsse die Organisation des Übergangs von den allgemeinbildenden Schulen in die Berufsausbildung besser organisiert werden. Kritisch bewerten die Autoren, dass trotz der demografisch bedingten Rückläufigkeit der Ausbildungsnachfrage und der großen Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt immer noch über eine Viertelmillion Jugendliche nach dem Schulabschluss in einer der vielen Maßnahmen des Übergangssystems landen. Daher stellt sich für die Autoren die Frage nach einer inhaltlichen Systematisierung und zugleich der politischen Koordinierung des Übergangssystems.
Dadurch, dass immer mehr Schulabsolventen an die Hochschulen drängten, sei in den letzten Jahren eine neue Konstellation im Verhältnis der beiden großen Ausbildungsbereiche, der dualen Berufsausbildung und dem Hochschulstudium, eingetreten. Sie führe gegenwärtig ansatzweise auch zu neuen Zwischenformen (Hybridisierung) zwischen Berufsausbildung und Studium, deren Entwicklung aber kaum abzusehen und wenig transparent sei.
Die Autoren warnen, es dürfe nicht zu einer demografisch bedingten dysfunktionalen Konkurrenz dieser beiden Systeme kommen. Sie werben für ein neues, ausbildungspolitisches Konzept. Gleichwohl räumen sie ein, dass dies wegen der grundlegenden institutionellen Differenz der dualen Ausbildung und des Hochschulwesens extrem schwierig sei, halten es aber trotzdem für erforderlich. Ferner betonen die Autoren ausdrücklich, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderungen auf allen Stufen und in allen Bereichen des Bildungssystems wichtig sei.
Der Antrag der CDU/CSU und SPD, der vor allem Maßnahmen für die inklusive Bildung fordert, kritisiert am jetzigen deutschen Bildungssystem aber auch sehr deutlich die soziale Ungerechtigkeit und bezeichnet die „noch bestehenden Unterschiede ein ernst zu nehmendes Problem und eine zentrale Herausforderung für die weitere Bildungspolitik“.
Die Grünen konstatieren in ihrem Antrag, dass sich in einzelnen Bereichen Verbesserungen im Bildungssystem erkennen ließen, diese „allerdings zu gering“ ausfielen und die Reformen zu langsam voranschritten. In ihrem Antrag fordern die Grünen die Bundesregierung auf, die Umsetzung der Empfehlungen der Autoren des Bildungsberichts in Kooperation mit den Ländern unverzüglich anzugehen und gleichzeitig den Entwurf für einen neuen Artikel 91b Absatz 2 Grundgesetz vorzulegen, der es Bund und Ländern ermöglicht, auf der Basis von Vereinbarungen zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit und der Weiterentwicklung des Bildungssystems zusammenzuarbeiten.
Die Linke verlangt unter anderem, den Ganztagsanspruch auf frühkindliche Bildung in einem Kitaqualitätsgesetz festzuschreiben und das Betreuungsgeld abzuschaffen. Außerdem sollte Schulsozialarbeit als eigenständige Aufgabe im Achten Buch Sozialgesetzbuch verankert werden. Die Bundesregierung solle ferner mit den Ländern Kriterien für inklusive Bildung mit Blick auf die räumlichen, sächlichen und personellen Voraussetzungen entwickeln. (rol/08.01.2014)