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Die Oppositionsfraktionen haben die Bundesregierung mit Nachdruck aufgerufen, auf Investor-Staat-Schiedsverfahren in den geplanten europäischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA mit den USA beziehungsweise Kanada zu verzichten. Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) sagte in einer Debatte des Bundestages am Freitag, 16. Januar, das Ergebnis der EU-weiten Bürgerbefragung spreche eine eindeutige Sprache: „Über 97 Prozent der Befragten sagen Nein zu den Schiedsgerichten in TTIP.“ Es habe 150.000 Stellungnahmen gegeben, eine „enorme Zahl“ im Verglich zu anderen Konsultationsverfahren. Es sei Aufgabe der Politik, jetzt eine „ebenso eindeutige Antwort“ zu geben.
Massiv verteidigt wurden die Freihandelsabkommen und Schiedsgerichte dagegen von Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU). Das Ergebnis des Konsultationsverfahrens beurteilte er anders. Von 500 Millionen EU-Bürgern hätten 150.000 teilgenommen. Davon seien 145.000 vorgedruckte Postkarten oder Standard-Mails „von den einschlägigen Institutionen der Empörungsindustrie an die EU geschickt worden“. Die fachlichen Eingaben würden natürlich geprüft, die Aktionen der „Empörungsindustrie“ seien aber keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema.
Es gehe darum, wer im 21. Jahrhundert die Standards im internationalen Handel setzen werde, sagte Pfeiffer zu den Handelsabkommen. Es sei möglicherweise die letzte Chance, technische und Verbraucherschutzstandards zusammen mit den USA festzulegen. Wenn es gar keine Regelungen gebe, „werden dieses Vakuum auf der Welt andere entsprechend ausfüllen“. Pfeiffer erinnerte daran, dass die USA parallel bereits mit 13 asiatischen Ländern über Freihandel verhandelten.
Er verteidigte auch die Investor-Staat-Schiedsverfahren, von denen Deutschland 130 mit den verschiedensten Ländern abgeschlossen habe. Mehr als die Hälfte aller Schiedsverfahren komme aus der Europäischen Union gegen andere Staaten, nur 22 Prozent aus den USA. Selbst innerhalb der EU sei es zu Schiedsverfahren gekommen, „die es ja nach Ihrer Einschätzung gar nicht geben dürfte“, sagte Pfeiffer an die Adresse der Opposition.
Als Beispiel nannte er die Klage gegen Spanien vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington unter anderem durch deutsche Öko-Energie-Unternehmen, nachdem Spanien die Förderung der erneuerbaren Energien rückwirkend verändert habe. „Insofern kann ich nur davor warnen, Schiedsgerichtsverfahren von vornherein zu verdammen.“
Das ließ Klaus Ernst (Die Linke) nicht gelten. Er erinnerte an die Schiedsgerichtsklage des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall wegen des deutschen Atomausstiegs. „Können Sie mir sagen, welches Interesse der deutsche Bürger an so einem Verfahren haben soll?“, fragte Ernst. Bürger und Verbände hätten kein Klagerecht, selbst die Bundesrepublik nicht. Warum ein Staat dann ein Interesse an diesen Schiedsgerichten haben sollte, „das entzieht sich wirklich meiner Logik.“
Pfeiffer betreibe eine unerträgliche Angstmacherei. Die Frage deutscher Exporte hänge sicher nicht an Regelungen zwischen China und Amerika. Innovation, gut ausgebildete Arbeitnehmer und neue Technologie sicherten Exporterfolge, „aber nicht das Aufgeben des Rechtsstaats mit solchen Handelsabkommen“.
Klaus Barthel (SPD) erinnerte daran, dass die SPD keine Schiedsgerichte wolle. Man wolle noch Bewegung in die Verhandlungen über beide Abkommen hineinbringen. Es nütze niemandem, die Leute mit unwahren Behauptungen „auf die Palme zu treiben“, sagte Barthel mit Blick auf die Opposition.
Damit werde Misstrauen gesät und die Politikferne unterstützt. „Es ist klar, dass das Bundeswirtschaftsministerium, die SPD und im Übrigen schon die alte Bundesregierung der Auffassung waren, dass wir keine Schiedsgerichtsverfahren und keinen Investorenschutz brauchen.“
In einem an die zuständigen Ausschüsse überwiesenen Antrag (18/3747) fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf, sich unverzüglich dafür einsetzen, dass die Ergebnisse des europäischen Konsultationsverfahrens zum Investor-Staat-Schiedsverfahren berücksichtigt werden. Die große Bandbreite unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, die an der Konsultation teilgenommen hätten, sowie die hohe Zahl von Einzelteilnehmern unterstreiche die Bedeutung dieses „sehr eindeutigen Ergebnisses des Konsultationsverfahrens“.
Die Fraktion fordert: „Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die Bewertung des Investitionsschutzkapitels in TTIP durch die politischen Institutionen nicht bis zum Ende der TTIP-Verhandlungen vertagt wird, sondern zeitnah und klar politische Schlussfolgerungen aus dem Ergebnis gezogen werden.“
Die Fraktion die Linke wendet sich in ihrem ebenfalls an die zuständigen Ausschüsse überwiesenen Antrag (18/3729) einem besonderen Aspekt zu: So soll ein für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erstelltes Gutachten zu den Auswirkungen der Investitionsschutzbestimmungen im Freihandelsabkommen mit Kanada auf keinen Fall Entscheidungsgrundlage der Bundesregierung sein. Die Fraktion begründet diese Forderung in ihrem Antrag mit Interessenkonflikten des Gutachters.
Dieser sei seit Dezember 2013 Mitglied der Schlichterliste des „International Centre für Settlement of Inbvestment Disputes (ICSID – List of Conciliators)“. Der Gutachter komme zu dem nach Ansicht der Fraktion wenig überraschenden Ergebnis, dass „CETA Investoren aus Kanada im Vergleich zu deutschen Investoren materiell-rechtlich nicht besser stellt. Im Gegenteil: Der durch CETA gewährte völkerrechtliche Schutz kanadischer Investoren bleibt in einigen Punkten sogar signifikant hinter dem deutschen Verfassungs- und dem Unionsrecht zurück.“ Die Bundesregierung wird aufgefordert, „die Ausgewogenheit und Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Beratung sicherzustellen und keine öffentlichen Mittel für tendenziöse Gutachten zu verschwenden“. (hle/16.01.2015)