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Als Konsequenz aus dem NSA-Spähskandal hat der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar eine effektivere Aufsicht über die Sicherheitsinstanzen gefordert. Vor dem Untersuchungsausschuss, der die Affäre um die massenhafte Ausforschung der Telekommunikation von Bundesbürgern durch den US-Geheimdienst NSA und andere ausländische Nachrichtendienste aufklären soll, sagte der 60-Jährige am Freitag, 16.Januar 2015, im Geflecht unklarer Zuständigkeiten zwischen Bundestagsgremien wie etwa der G-10-Kommission und der Datenschutzbehörde könne es zu „Kontrolllücken“ kommen.
Vor allem im Blick auf die Auswertung von ausländischem Transit-Internetverkehrs in Deutschland durch den Bundesnachrichtendienst (BND) in Kooperation mit der NSA kritisierte der Zeuge, dass die verschiedenen Bereiche der internationalen Telekommunikation wie auch die Kompetenzen der Aufsichtsinstanzen „nicht differenziert definiert sind“.
Defizite bei der Kontrolle könnten entstehen, wenn bei einer geheimdienstlichen Überwachungsmaßnahme einerseits keine G-10-Anordnung vorliege, die Regierung dem Datenschutzbeauftragten aber trotz der ihm in einem solchen Fall obliegenden Zuständigkeit keine Auskünfte erteile. So beklagte Schaar vor den Abgeordneten, dass das Innenministerium seine Fragen zu einer eventuellen Beteiligung deutscher Stellen an den Spähaktionen der NSA nicht beantwortet habe.
Bei der Untersuchung der Ausforschung der hiesigen Telekommunikation durch ausländische Nachrichtendienste prüft der Ausschuss auch, ob deutsche Geheimdienste in diesen Skandal verwickelt sind. Dem BND ist es untersagt, Informationen über Deutsche, an die er im Rahmen seiner auf das Ausland gerichteten Spionage als „Beifang“ gelangt, Partnerdiensten zu überlassen.
Ob sich der BND an diese Auflage hält, recherchieren die Parlamentarier anhand des Projekts „Eikonal“, bei dem der BND in Kooperation mit der NSA zwischen 2004 und 2008 in Frankfurt einen Internetknoten anzapfte, und der im bayerischen Bad Aibling vom BND betriebenen Satellitenaufklärung ausländischer Datenströme aus Krisengebieten wie Afghanistan, was ebenfalls lange Zeit zusammen mit der NSA erfolgte.
Schaar berichtete, dass er nach der Aufdeckung des NSA-Spähskandals durch den Whistleblower Edward Snowden eine Vielzahl von Kontrollmaßnahmen bei Sicherheitsbehörden und bei Telekommunikationsfirmen eingeleitet habe, um einer möglichen Mitwirkung deutscher Stellen an der NSA-Affäre auf die Spur zu kommen. Neben ausführlichen Fragekatalogen hätten dazu auch Vor-Ort-Kontrollen gehört, beispielsweise in Bad Aibling oder beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Datenschutzbehörde könne freilich nicht technisch prüfen, was sich konkret an einem Internetknoten abspiele.
Laut Schaar lag zum Ende seiner Amtszeit im Dezember 2013 erst ein vorläufiger Prüfbericht vor. Alle Behörden und Unternehmen hätten erklärt, sie hielten sich an deutsches Recht und übermittelten keine Telekommunikationsdaten über Deutsche an ausländische Geheimdienste. Auch wüssten sie nichts von einer unbemerkten Ableitung erfasster Daten durch technische „Seitenkanäle“ – was aber auch nicht definitiv auszuschließen sei.
Schaar plädierte dafür, auch die BND-Aufklärung im Ausland wie etwa in Bad Aibling im Falle einer Datenauswertung auf deutschem Boden der Kontrolle durch den Bundesdatenschutzbeauftragten zu unterstellen. Dieses Problem sei „dringend klärungsbedürftig“. Der Zeuge sagte, vor dem Auffliegen des NSA-Skandals sei ihm nicht bekannt gewesen, dass der BND auch Erkenntnisse an die NSA übermittele, die er bei der Auswertung von internationalem Transit-Datenverkehr durch die Bundesrepublik gewinne.
Vom Projekt habe er ebenfalls erst aus den Medien erfahren, so der Zeuge. Es habe ihn „sehr gewundert“, dass die technische Hilfe der Telekom für den BND beim Anzapfen des Frankfurter Internetknotens auf der Basis eines privatrechtlichen Vertrags zwischen dem Unternehmen und dem Nachrichtendienst erfolgt sein soll. Schaar: „Für einen solchen Eingriff in Grundrechte braucht man eine gesetzliche Ermächtigung.“
Harte Kritik an der Auskunftsblockade der Telekom hatten am Donnerstag, 15. Januar 2015, Abgeordnete des Untersuchungsausschusses geübt. Bei der Befragung zu Details des zwischen 2004 und 2008 vom Bundesnachrichtendienst (BND) und von der NSA unter dem Codewort „Eikonal“ betriebenen Anzapfens eines Internetknotens in Frankfurt und der Rolle der Telekom bei diesem Projekt verweigerte der Zeuge H., ein Sicherheitstechniker des Unternehmens, in einem Umfang Auskünfte, wie es das Bundestagsgremium bislang noch nicht erlebt hat.
Entweder erklärte der Zeuge, zu diesen oder jenen Fragen der Parlamentarier mangels Wissens nichts sagen zu können, oder er wollte Angaben nur hinter verschlossenen Türen machen. Die als H.s Rechtsbeistand fungierende Anwältin intervenierte in die Befragung in einem Maße, wie dies die Rechtsbeistände anderer Zeugen noch nie getan haben.
Die Telekom müsse sich überlegen, so SPD-Obmann Christian Flisek, „welchen Eindruck sie mit einem solchen Eindruck hinterlässt“. Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) fühlte sich „in hohem Maße irritiert“ durch die ständigen Blickkontakte zwischen der Anwältin und den Vertretern der Regierung und des BND im Ausschuss.
Die Parlamentarier sollen die massenhafte Ausspähung der Telekommunikationsdaten von Millionen Deutschen durch die NSA und andere ausländische Geheimdienste aufklären. Dabei prüft der Ausschuss auch, ob hiesige Nachrichtendienste in diesen Skandal verwickelt sind. Dem BND ist es untersagt, Erkenntnisse über Bundesbürger, an die er im Rahmen seiner auf das Ausland gerichteten Spionage als „Beifang“ gelangt, Partnerdiensten zu überlassen.
Ob sich der BND an diese Auflage hält, prüft das Gremium derzeit anhand des Projekts „Eikonal“, bei dem die Telekom dem BND technische Hilfestellung leistet. Mehrere BND-Mitarbeiter haben vor dem Ausschuss betont, man habe die in Frankfurt zur Auswertung vorgesehenen Datenströme gründlich gefiltert, so dass keine Informationen über Deutsche an die NSA übermittelt worden seien.
Mit seiner Bemerkung, er kenne den Begriff „Eikonal“ nicht, erweckte der für die Beziehungen der Telekom mit den Sicherheitsbehörden auf technischer Ebene zuständige Zeuge H. am Donnerstag zunächst den Eindruck, über dieses Projekt nicht unterrichtet zu sein. Später räumte er ein, das Ausforschen des Frankfurter Internetknotens werde bei der Telekom intern unter dem Begriff „Transit“ geführt, Näheres wolle er aber nur geheim mitteilen.
Ansprechpartner für das Unternehmen sei bei diesem Projekt nur der BND und kein ausländischer Geheimdienst wie etwa die NSA gewesen, so H. auf eine Frage des Vorsitzenden Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU). Gegenüber der CDU-Abgeordneten Nina Warken sagte der Zeuge, ihm sei nicht bekannt, dass die Telekom ausländischen Nachrichtendiensten einen Zugriff auf die Datenkommunikation in Deutschland gewähre.
Ob sich außer dem BND andere Geheimdienste ohne Wissen der Telekom einen Zugang zu Internetkabeln verschaffen könnten, wollte Warken wissen. Davon habe er nichts gehört, so H. Auf eine Frage von Linke-Obfrau Martina Renner erklärte der Zeuge, prinzipiell könne in Leitungen der Telekom auch Datenverkehr von ausländischen Anbietern transportiert werden. Die Linke hegt den Verdacht, dass die NSA möglicherweise mit Hilfe des BND in der Bundesrepublik an Daten von US-Bürgern gelangen könnte, was der NSA in den USA untersagt sei.
Zu allen Auskunftsbegehren der Parlamentarier über Details von „Eikonal“ beziehungsweise „Transit“, selbst zu eher belanglosen Aspekten wie der Zahl der bei der Telekom vom BND in Frankfurt angemieteten Räume, verweigerte H. in öffentlicher Sitzung eine Antwort. (kos/16.01.2015)