Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Die Fraktion der Grünen ist mit ihrer Forderung auf Übermittlung des „vollständigen und ungeschwärzten“ US-Senats-Berichts über das Inhaftierungs- und Verhörprogramm der CIA an den Bundestag gescheitert. Einen entsprechenden Antrag (18/3558) lehnten CDU/CSU und SPD am Freitag, 30. Januar 2015, gegen das Votum der Oppositionsfraktionen ab. Vertreter von Union und SPD verurteilten zwar ebenso wie die Redner von Grünen und Linker die im Senatsbericht beschriebenen „erweiterten Verhörmethoden“ durch US-Sicherheitsbehörden – sie betonten aber, dass die Aufarbeitung und Ahndung dieser Foltervorwürfe vorrangig Sache der Justiz sei.
Der im Dezember 2014 nur in Auszügen veröffentlichte Bericht des Geheimdienstausschuss des US-Senats unter Vorsitz der Demokratin Dianne Feinstein dokumentiert den Umgang des Auslandsnachrichtendienstes CIA mit Terrorverdächtigen nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Das US-Justizministerium gab demnach im Jahre 2002 der CIA grünes Licht für sogenannte „verschärfte Verhörmethoden“ – und machte damit den Weg frei für „Techniken“, die nach der von 156 Staaten und auch von der USA selbst ratifizierten „United Nations Convention against Torture“ als Folter gelten
Die US-Senatoren schreiben in ihrem Bericht über „Schläge und Griffe ins Gesicht, Stresspositionen, Einsperren in enge Kisten, Lärmbeschallung und Schlafentzug“ – bis hin zur Folter durch das sogenannte „Waterboarding“, dem simulierten Ertrinken des Gefangenen.
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) warnte in der Debatte eindringlich davor, die Vorwürfe auf sich beruhen zu lassen. Es stehe nicht weniger auf dem Spiel als die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates. Künast erinnerte an das „Weltrechtsprinzip“: Jedes Land könne Folter – wo auch immer sie passiert – einem Strafverfahren unterziehen. Nur weil die US-Justiz untätig bleibe, „kann das für uns nicht heißen, das gilt für uns auch“.
Aufzuklären seien etwa Taten mit Bezug zu Deutschland – womöglich bei der Überführung von Gefangenen durch die USA über deutsches Territorium, bei der Informationsweitergabe durch deutsche Behörden und auch dann, wenn – wie im Falle Khaled al-Masri – deutsche Staatsbürger Opfer geworden sind.
Frank Heinrich (CDU/CSU) nannte die im Senatsbericht genannten „erweiterten Verhörmethoden“ eine „grobe Verharmlosung von Folter“. Wenn die westliche Welt auch in Zukunft ihre Stimme bei Menschenrechtsverletzungen erheben wolle, dann müsse man zwingend „vor der eigenen Haustüre kehren“.
Die Freundschaft mit der USA dürfe nicht dazu führen, dass die eigene Glaubwürdigkeit Schaden nimmt. „Wir brauchen einen vollständigen Zugang zu diesem Bericht“, sagte Heinrich. Er verwies allerdings darauf, dass die Generalbundesanwaltschaft bei den US-Behörden auf eine Übermittlung des vollständigen Berichts dringe und bereits die veröffentlichte Kurzfassung daraufhin überprüfe, ob Ermittlungen aufzunehmen sind.
André Hahn (Die Linke) erinnerte die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD daran, dass die Kontrolle der Exekutive nicht nur Aufgabe der Opposition, sondern des ganzen Parlaments sei. Mit geschwärzten Regierungsdokumenten, die womöglich Rechtsverletzungen oder gar Straftaten verdunkeln sollen, könne sich ein Parlament nicht abspeisen lassen.
„Man muss kein Prophet sein, davon auszugehen, dass die schlimmsten Verbrechen noch nicht einmal bekannt geworden sind“, sagte Hahn. Die Einsicht in den vollständigen US-Senatsbericht sei nötig, um Foltervorwürfe „umfassend aufklären und strafrechtlich verfolgen zu können“.
Angelika Glöckner (SPD) nannte die bekannt gewordenen Folterpraktiken „grauenhaft und vollkommen inakzeptabel“. Der Senatsbericht zeige, in welchem Ausmaße sich der Sicherheitsapparat der USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 offenbar verselbständigt habe. Glöckner warnte jedoch vor einer „Politisierung und Instrumentalisierung von Menschenrechtsverletzungen“. Nur eine juristische Aufarbeitung führe zum Ziel. „Sie muss im Vordergrund stehen und nicht die politische Debatte.“
Auch wenn die Grünen in ihrem Antrag zusichern würden, „etwaige Maßgaben der USA zur Geheimhaltung beachten“, sei zu bezweifeln, ob eine Übermittlung des vollständigen Berichts an den Bundestag – statt an die Generalbundesanwaltschaft – zur juristischen Aufarbeitung wirklich beitragen könnte. (ahe/30.01.2015)