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Die Bundesregierung will das Menschenhandelsstrafrecht ausweiten. So soll der Katalog der Tätermotive ausgeweitet werden. Während bisher schon die Zwangsprostitution erfasst ist und die Ausnutzung von Opfern als billige Arbeitskräfte, so wird es künftig auch um Betteltätigkeit gehen, bei der insbesondere Kinder betroffen sind, dazu um die Entnahme von Organen. Bei der Förderung des Menschenhandels soll künftig die erhöhte Mindeststrafe nicht nur zur Anwendung kommen, wenn es um Opfer unterhalb des 13. Lebensjahrs geht, sondern generell bei unter 18-Jährigen.
Dies erklärte der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas (SPD), am Mittwoch, 29. Januar 2015, bei der Regierungsbefragung im Parlament. Es ging um den zuvor vom Kabinett auf den Weg gebrachten „Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer“.
Der Minister hob hervor, dass damit zunächst nur Punkte umgesetzt würden, die zumindest aus strafrechtlicher Sicht „zwingend“ notwendig seien. Die Bundesregierung habe rasch handeln wollen, weil die Frist zur Umsetzung der Richtlinie bereits im April 2013 abgelaufen sei und schon ein Vorverfahren gegen Deutschland laufe.
Die Regierung gehe davon aus, dass der weitere Gang zum Europäischen Gerichtshof nun abgewendet sei, weil die EU unverzüglich über den Kabinettsbeschluss unterrichtet worden sei. Maas versicherte, über die Umsetzung der Richtlinie hinaus plane die Regierung rund um den Komplex Menschenhandel eine Reihe von gesetzgeberischen Verfahren.
Die waren denn auch Gegenstand der meisten Abgeordneten-Nachfragen. So bemängelte Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen), dass es noch nicht um das Prostitutionsgesetz gehe. Mehrere Parlamentarier wie Dr. Johannes Fechner (SPD) wollten wissen, wie denn die Regierung dem entgegenwirken wollen, dass Zwangsprostituierte oft aus Angst vor Gewalt keine Aussage machten.
Tatsächlich sei die unzureichende „Verurteilungsquote“ ein Problem, meinte Maas. Deshalb schwebe ihm eine gesetzliche Regelung vor, der zufolge nur noch die tatsächliche Ausbeutung einer Zwangsprostituierten nachgewiesen müsse. Bislang sei der Nachweis erforderlich, dass das Opfer dazu gebracht worden sei, die Prostitution zu erdulden. Das sei ohne Angaben der Betroffenen sehr schwierig. Allerdings behalte die Aussage der Opfer „auch künftig eine zentrale Bedeutung“.
Alexander Hoffmann (CDU/CSU) erkundigte sich nach der Freier-Strafbarkeit. Dies im Komplex Menschenhandel zu regeln, sei kompliziert, machte Maas klar. Deshalb plane er, die Freier-Strafbarkeit „explizit im Strafrecht“ zu berücksichtigen.
Auf Nachfrage von Dirk Wiese (SPD) nannte Maas die beabsichtigten Änderungen beim Organhandel „absolut notwendig“. Nach gültiger Gesetzeslage müsse mindestens die versuchte Tatbeteiligung nachgewiesen werden. Künftig soll schon das Strafrecht greifen, wenn jemand ein Opfer allein bereits „im Wissen um die Pläne“ aussuche.
Weitergehende Regelungen: Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, dass die Stellung der Opfer auch im Aufenthaltsrecht gestärkt werden müsse. Kathrin Vogler (Die Linke) machte sich für verbesserte Opferentschädigung und Petra Pau (Die Linke) machte sich für eine Verlagerung der Zuständigkeit für die Altersfeststellung auf Jugendgerichte stark.
Immer wieder betonte Maas, dass es jetzt zunächst um die Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinie gehe, was Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) allerdings anders sah. Der Minister regte Ergänzungen im Gesetzgebungsverfahren an – und verwies ein ums andere Mal auf weitergehende Aktivitäten der Regierung angesichts der verbleibenden „Problemstellungen“ – in seinem Haus, aber nicht zuletzt auch im Familienministerium. (fla/28.01.2015)