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Die Aufstellung einer schnellen „Nato-Eingreiftruppe“ zur Erhöhung der Sicherheit der östlichen Bündnispartner ist zwischen den Fraktionen im Bundestag hoch umstritten: Während die Fraktion der Grünen eine stärkere Einbeziehung des Parlaments in dieser Frage fordert, lehnt die Linksfraktion die Eingreiftruppe ab und verweist dabei auf die aus ihrer Sicht drohende weitere Eskalation im Verhältnis zur Russland.
Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD betonen hingegen, dass sich östliche Nato-Partner durch das russische Vorgehen in der Ukraine bedroht sähen und der Zusammenhalt innerhalb des Militärbündnisses nicht gefährdet werden dürfe. Der Antrag der Linksfraktion (18/3913) wurde am Donnerstag, 5. Februar 2015, mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen abgelehnt, der Antrag der Grünen (18/3922) scheiterte am Votum der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke.
Dr. Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) nannte es nachvollziehbar, dass die Nato auf die Sicherheitsbedenken der östlichen Partner reagiere. Nicht nachvollziehbar sei allerdings, dass die Bundesregierung in der Nato am Bundestag mit „Leisetreterei“ und „Geheimniskrämerei“ vorbei entscheide. „Dieser Umgang mit dem Parlament ist ein politisch schlechter Stil“, sagte Schmidt.
Truppenverlegungen und Manöver könnten schnell zu einer „hochpolitischen Angelegenheit“ werden. „So etwas gehört in den Bundestag, bevor es in Brüssel beschlossen wird.“ Die Nato habe bei ihrem Gipfel in Wales im September 2014 „verantwortlich und klug“ gehandelt, indem sie der Nato-Russland-Akte nicht durch den Beschluss zu einer dauerhaften Truppenstationierung in Osteuropa die Grundlage entzogen habe. Die Frage sei aber nun unter anderem, ob genau dies mit der neuen Eingreiftruppe „durch die Hintertür“ geschehen könnte.
Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) erinnerte daran, dass eine solche schnelle Eingreiftruppe bereits 2002 innerhalb der Nato beschlossen worden sei, damals mit einem Umfang von 25.000 Soldaten – gegenüber 5.000 für die nun auf den Weg gebrachte Einheit. Es sei zudem im deutschen Interesse, die Bedrohungswahrnehmungen östlicher Partner ernstzunehmen und nicht zuzulassen, dass sich das Militärbündnis spalte in eine „Nato in Sorge“ auf der einen und eine „Nato, die sich zurücklehnt“ auf der anderen Seite.
Die Eingreiftruppe sei für die Länder des Baltikums, für Polen, aber auch für Bulgarien und Rumänien eine „Zeichen der Rückversicherung“. Im Übrigen reagierten Europa und die USA eben nicht mit militärischer Aggression, sondern „asymmetrisch“ auf das russische Vorgehen – etwa durch die Sanktionen gegen Russland bei gleichzeitig weiterer Gesprächsbereitschaft mit Moskau.
Dr. Alexander S. Neu (Die Linke) verglich Russland und den Westen mit dem Bild zweier Züge, die auf einem Gleis aufeinander zurasen: „So entstehen Kriege.“ Die Nato-Eingreiftruppe mag für Länder wie Polen und das Baltikum beruhigend sein, aber eine Nato-Präsenz dort sei kein „realer Sicherheitszugewinn“, weil Russland genau dies als Provokation wahrnehme.
Neu wies Russlands „Aggressionskurs“ für seine Fraktion „klar zurück“, betonte aber auch, dass der Ukraine-Konflikt Ergebnis einer „Expansionspolitik von Nato und EU“ bis in den postsowjetischen Raum sei. Russlands Vorschläge zu einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur habe man in Europas Hauptstädten immer wieder ignoriert und stattdessen eine „Politik der Einflusszonen“ wie im 19. Und 20. Jahrhundert betrieben. Scharf wandte sich Neu gegen Forderungen aus den USA nach Waffenlieferungen an die Ukraine: Damit würde eine „neue Eskalationsstufe“ beschritten.
In diesem Punkt stimmte Niels Annen (SPD) seinem Vorredner zwar zu, warf ihm aber ansonsten vor, Ursache und Wirkung zu verwechseln. Es sei schließlich nicht die Nato gewesen, die die neue Situation herbeigeführt habe, sondern Russland mit der „völkerrechtswidrigen Annexion der Krim“ und der Unterstützung für die Separatisten in der Ukraine.
Die neue Eingreiftruppe nannte Annen eine „ausgewogen balancierte Antwort“ – ein Signal der Verteidigungsbereitschaft zum einen, zum anderen aber das Festhalten an der Nato-Russland-Akte und die weitere Gesprächsbereitschaft– wofür zum Beispiel auch die Reise der Bundeskanzlerin und des französischen Präsidenten zunächst nach Kiew und dann am morgigen Freitag nach Moskau stehe. „Es wird für diesen Konflikt keine militärische Lösung geben“, sagte Annen. (ahe/05.02.2015)