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Eine Mehrheit von Sachverständigen steht der Einführung von Online-Wahlen bei der nächsten Sozialwahl 2017 skeptisch gegenüber. Das wurde während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Prof. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) am Montag, 2. Februar 2015, deutlich. Gegenstand der Anhörung war ein Gesetzentwurf zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (18/3699). Hauptsächlich geht es darin um die Etablierung vereinfachter Meldeverfahren in der Sozialversicherung. Daneben werden in diesem „Omnibusgesetz“ aber noch zahlreiche andere sozialpolitische Projekte geregelt, wie die „assistierte Ausbildung“ für lernschwache Jugendliche oder die Finanzierung der „Pille danach“. In den Ausführungen der geladenen Sachverständigen wurden die Online-Wahlen und die „assistierte Ausbildung“ schwerpunktmäßig behandelt.
Heinz Fritsche, Gewerkschaftssekretär der IG Metall, bezeichnete es als „schwerwiegendes Problem“, die Online-Wahlen gegen „Angriffe von außen“ zu schützen. Hier Datensicherheit zu erhalten, werde sehr schwierig sein, vermutete er. Ausgerechnet die Sozialwahl, also die Wahl der Selbstverwaltungsorgane der gesetzlichen Sozialversicherungsträger, zum Vorreiter von Online-Wahlen zu machen, nannte er „sehr fehleranfällig“.
Knut Lambertin vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) betonte, er sei generell dafür. Jedoch sah auch er noch zu viele offene Fragen beim Datenschutz. „Wir haben aber auch keine Lösung dafür“, sagte er. Außerdem äußerte er Zweifel am Zeitplan. Man benötige für ein solches Projekt einen längeren Vorlauf, sagte Lambertin.
Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sollte die Stimmabgabe bei der Sozialwahl zwar online möglich sein. Dies funktioniere jedoch nur, wenn die Wahl den Anforderungen des Datenschutzes genüge. Ein solches Verfahren gebe es jedoch bisher nicht, sagte BDA-Vertreter Gerald Friedrich.
Für die baldige Einführung der Online-Wahl sprach sich dagegen Dr. Bernard Braun vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen aus. Ob dies schon 2017 realistisch sei, könne er zwar nicht vorhersagen. Man sollte für dieses Projekt aber endlich eine Tür öffnen anstatt die Idee wieder und wieder zu verschieben. Er gehe davon aus, dass die Wahlbeteiligung durch Online-Wahlen steigen werde, sagte er weiter.
Bei der Diskussion zur assistierten Ausbildung zeigte sich, dass die Mehrheit der Sachverständigen für eine Öffnung der Zielgruppe plädierte. Elise Bohlen, Referentin für Jugendsozialarbeit des katholischen Frauenverbandes IN VIA, bezeichnete die Beschränkung auf lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte junge Menschen als nicht sinnvoll. Denn dadurch könnten unter Umständen junge Mütter oder auch „Jugendliche in temporären Krisen“ von den Hilfen ausgeschlossen werden. Die assistierte Ausbildung solle sich stattdessen an alle Jugendlichen richten, die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben, schlug Bohlen vor.
Birgit Beierling, Referentin für Jugendsozialarbeit beim Paritätischen Gesamtverband, plädierte ebenfalls dafür, Menschen in besonderen Lebenslagen mitzuberücksichtigen. Auch für Jugendliche, die durch einen Schicksalsschlag, wie den Verlust eines nahen Angehörigen, aus der Bahn geworfen werden, könne die assistierte Ausbildung eine wichtige Stütze sein. Der DGB nannte die assistierte Ausbildung ein zentrales Element der, die Bund, Länder, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände Ende 2014 geschlossen haben.
DGB-Vertreter Lambertin appellierte an die Abgeordneten, die Definition der Zielgruppe noch einmal zu überarbeiten. Diese konzentriere sich bisher auf Jugendliche ohne Hauptschulabschluss, was aber „zu eng gefasst“ sei. Es gebe genügend Jugendliche, die trotz Hauptschulabschluss benachteiligt seien und für die eine Begleitung während der Ausbildung wichtig sei, betonte Lambertin.
Für die BDA bezeichnete es Christina Ramb dagegen als richtig, ausschließlich lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Jugendliche zu fördern, „da die intensive Unterstützung auch der Betriebe aus Beitragsmitteln nur bei diesem eng gefassten Personenkreis zu rechtfertigen“ sei. (che/02.02.2015)