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In der neunten Sitzung der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlager-Kommission) unter Vorsitz von Ursula Heinen-Esser hat sich anlässlich einer Debatte um die Situation der Atommüll-Zwischenlager am Montag, 2. Februar 2015, eine grundsätzliche Diskussion über Auftrag und Arbeitsklima des 33-köpfigen Gremiums entfacht. Hintergrund war die bereits in der vergangenen Sitzung diskutierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zum Zwischenlager in Brunsbüttel.
Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), stellte – wie auch Wolfram König, Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) –, klar, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keine Aussage über die Sicherheit am Standort in Brunsbüttel darstelle, sondern sich auf die Nichtzulassung der Revision gegen eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig beziehe.
Auch das Oberverwaltungsgericht habe nicht über die Sicherheit am Standort geurteilt, sondern die Genehmigung wegen angenommener Ermittlungs- und Bewertungsdefizite aufgehoben. Dies sei keine „sophistische Kleinigkeit“, sagte Flasbarth.
Bund und Ländern seien sich nach Gesprächen weiterhin einig, dass die zentralen und dezentralen Zwischenlager „sicher sind und sicher betrieben werden können“. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei daher nicht auf die Genehmigungen für die übrigen Lager zu beziehen. Ein Problem sei, dass in dem Verfahren aus Gründen des Geheimschutzes nicht alle Unterlagen hätten vorlegt werden können. Flasbarth deutete an, dass in Gesprächen mit Innen- und Justizministerium geklärt werden müsse, wie diese Situation in Zukunft gelöst werden könne.
Die Kommissionsmitglieder Klaus Brunsmeier vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Hubertus Zdebel (Die Linke) interpretierten das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts deutlich anders. Es stelle eine „Zäsur“ dar, sagte Brunsmeier. Es habe auch inhaltliche und nicht nur verfahrenstechnische Gründe gegeben, so zu entscheiden, und daher müssten alle Zwischenlager „auf den Prüfstand“ und die Einlagerung in Castoren gestoppt werden. Das gelte darüber hinaus auch für die verbleibenden Atomkraftwerke. Sollte hier der Sicherheitsnachweis nicht öffentlich gelingen, müssten diese abgeschaltet werden, forderte Brunsmeier. Ähnlich argumentierte auch Zdebel, der einen „schonungslosen Neuanfang der Atommüllpolitik“ anmahnte.
Die Diskussion über die Brunsbüttel-Entscheidung berührte zudem die Frage, wo die noch im Ausland lagernden Castor-Behälter gelagert werden soll. Dabei handelt es sich um 26 Castoren aus Wiederaufbereitungsanlagen in Großbritannien und Frankreich. Im Zuge des Atomkompromisses hatten sich Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein bereit erklärt, Teile davon in ihren Zwischenlagern unterzubringen.
Im nördlichen Bundesland könnte dies allerdings nun aufgrund der Gerichtsentscheidung mangels Platz schwierig werden, hatte Kommissionsmitglied Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Umweltminister in Kiel, bereits im Vorfeld der Sitzung verkündet. Brunsbüttel sei aber noch nicht gänzlich ausgeschlossen, sagte der Minister während der Sitzung. Schleswig-Holstein wolle helfen. Allerdings, das stellten sowohl Habeck als auch sein Amtskollege aus Baden-Württemberg, Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen), fest, habe sich noch kein drittes Bundesland gefunden, obwohl dies Teil der Verabredung gewesen sei.
Dies bestätigte auch Staatssekretär Flasbarth. Er verwies darauf, dass zwischen Bund und Ländern in Fragen der Castor-Lagerung Freiwilligkeit vereinbart worden sei, was man nicht „ohne Not“ aufkündige, auch wenn es rechtlich nicht nötig wäre. Es seien zahlreiche Gespräche geführt worden, aber es habe sich kein weiteres Bundesland bisher gefunden. In der Kommission war zudem umstritten, ob die Beschäftigung mit der Zwischenlager-Problematik zum Auftrag der Kommission gehört oder nicht.
Für Diskussionen sorgte zudem die von Eon eingereichte Verfassungsklage gegen das Standortauswahlgesetz. Laut Medienberichten richtet sich das Unternehmen gegen einen Passus im Standortauswahlgesetz, nach dem das Unternehmen die Kosten für Zwischenlagerung der noch im Ausland weilenden Castor-Behälter tragen müsse. Das Unternehmen argumentiere, dass es mit Gorleben einen genehmigten Zwischenlager-Standort gebe, der aber aus politischen Gründen als Standort ausgeschlossen worden sei.
Staatssekretär Flasbarth nannte die Klage „politisch verheerend“, mahnte aber einen professionellen Umgang an: „Bockigkeit hilft uns dabei nicht.“ Dr. Matthias Miersch (SPD) warf dem Unternehmen vor, durch die neuerliche Klage den grundlegenden Konsens – dazu gehöre auch der Zwischenlagerstopp in Gorleben – infrage zu stellen. Das behindere die Arbeit des Gremiums „massiv“. Klaus Brunsmeier griff Eon ebenfalls scharf an. Die Klagen seien „absolut nicht in Ordnung“. Zdebel warf in Anbetracht der Klage die Frage nach der Zusammensetzung der Kommission und des Stimmrechts der Vertreter der Energieunternehmen auf.
Eon-Aufsichtsrats- und Kommissionsmitglied Bernhard Fischer verteidigte das Vorgehen des Unternehmens. Es müssten Rechtspositionen gewahrt werden. Er verwies darauf, dass sich das Unternehmen in Gesprächen mit der Bundesregierung befinde. Sollte dabei ein Konsens gefunden werden, könnte auch von den Klagen – das Unternehmen und andere Atomkraftwerksbetreiber haben noch weitere Verfahren angestrengt – Abstand genommen werden. „Da sind wir aber noch nicht“, sagte Fischer.
In Anbetracht der Klage, der Brunsbüttel-Entscheidung und des ungeklärten Verbleibs der im Ausland weilenden Castor-Behälter zog Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) ein ernüchterndes Fazit. Die kleinen Fortschritte in Sachen Vertrauensaufbau, die die Kommission mache, würden durch solche Sachen zunichte gemacht. „Wir können uns hier die Arbeit eigentlich sparen. Das macht wirklich so keinen Sinn“, sagte Kotting-Uhl.
Steffen Kanitz (CDU/CSU) verwies darauf, dass es nicht nur an den Klagen, sondern auch an den Kommissionsmitgliedern selbst liege, ob die Arbeit erfolgreich verlaufe. So sei es nicht hilfreich, „wenn wir uns gegenseitig in Blogs diskreditieren“, sagte Kanitz. Es sei fraglich, ob eigentlich alle Mitglieder des Gremiums ein Interesse an einem Konsens hätten. (scr/02.02.2015)