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Im Gefolge des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP ist auch das fertig ausgehandelte kanadisch-europäische Handelsabkommen Ceta heftig in die Diskussion geraten. Eine Bundestagsdebatte am Freitag, 27. Februar 2015, spiegelte das wider. Anlass war ein Antrag der Fraktion Die Linke (18/4090), in dem sie fordert, das Ceta-Verhandlungsergebnis abzulehnen.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Klaus Ernst (Die Linke) sagte, seine Fraktion wünsche „endlich Klarheit, welche Position die SPD einnimmt“. Aus verschiedenen Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) las er eine widersprüchliche Haltung zu den bei Ceta vorgesehenen privaten Schiedsgerichten für Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten heraus. Zu Gabriels Vorschlag, einen internationalen Handelsgerichtshof zu schaffen, sagte Ernst, bevor es einen solchen gebe, „wird sogar der Flughafen in Berlin fertig sein“.
Er lese aus dem Entwurf heraus, dass kein Gesetz, keine Verbraucherschutzregelung mehr erlassen werden könne, ohne dass der kanadische Handelspartner damit einverstanden ist, sagte Ernst. „Eine größere Entmachtung deutscher und europäischer Parlamente kann ich mir nicht vorstellen.“
Sein Fraktionskollege Alexander Ulrich ergänzte, im Kern gehe es bei TTIP und Ceta darum, „ob wir auch in Zukunft noch den Primat der Politik haben, oder ob Wirtschaftsinteressen, Großkonzerne und Banken darüber bestimmen, was die Politik noch zu entscheiden hat.
Andreas Lämmel (CDU/CSU) hielt der Linken vor, einen „Privatkrieg“ mit dem Wirtschaftsminister zu führen. Gabriel habe „von diesem Pult aus mehrfach Ihre Fragen beantwortet“. Das von der EU-Kommission auch im deutschen Auftrag ausgehandelte Abkommen befinde sich jetzt in der Rechtsförmlichkeitsprüfung, werde dann in alle Sprachen übersetzt, und wenn die Übersetzung vermutlich Ende des Jahres vorliege, dann „findet die politische Diskussion in diesem hohen Hause statt“.
Zu den Sorgen vor den Investorenschutzregelungen in Ceta sagte Mark Hauptmann (CDU/CSU), Deutschland habe bereits 86 ähnliche Abkommen abgeschlossen. Diese hätten sich bewährt und keineswegs als Nachteil für Deutschland erwiesen. Als Vorteile des Ceta-Akommens führte er aus: Die Intensivierung des Warenaustausches, die Beseitigung von rund 98 Prozent der Importzölle sowie die Vereinfachung von Direktinvestitionen und dem Marktzugang.
Im Gegensatz zur größeren Oppositionsfraktion wollte Katharina Dröge für Bündnis 90/Die Grünen bei den Sozialdemokraten durchaus Bewegung in die richtige Richtung erkennen. In einem am Montag auf einer SPD-Konferenz vorgelegten Papier hätten sie sich „zum ersten Mal für eine multilaterale Lösung“ beim Investorenschutz ausgesprochen.
In mehreren Details greife die SPD zum ersten Mal Punkte auf, welche ihre Fraktion schon oft im Bundestag genannt habe. Sie wünsche sich nun aber, dass genau diese Vorschläge jetzt verhandelt würden, erklärte Dröge. Doch EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström habe auf dieser SPD-Konferenz klargestellt, dass sie nicht zu Nachverhandlungen bereit sei. Gabriel müsse deshalb erklären, wie er seine Vorstellungen umzusetzen gedenke.
Für die SPD-Fraktion hielt Dirk Becker ein Exemplar des englischsprachigen Ergebnistextes der Ceta-Verhandlungsrunden in die Höhe und wies die Kritiker aus der Opposition darauf hin, dass sie alles dieses so wie er am 13. Januar 2010 erhalten hätten. Damals habe keine Fraktion dazu irgendeinen Antrag gestellt. Denn es habe keinen interessiert. „Das Interesse an Ceta ist hochgekommen, als TTIP den Leuten ins Bewusstsein kam.“ Becker verwies darauf, dass man jetzt auf nationaler Seite nur abwarten könne, was die Prüfung auf EU-Ebene ergebe und ob noch Änderungen möglich sind. Erst dann könne der Bundestag debattieren, wie er mit dem Ergebnis umgeht.
Andrea Wicklein (SPD) setzte darauf, dass die Sozialdemokraten im EU-Parlament „alles dafür tun, dass es bei der derzeitigen Rechtsförmlichkeitsprüfung noch Veränderungen geben wird.“
Bereits einige Minuten nach Beginn der Debatte hatte Britta Haßelmann (Bündnis 90/Grüne) es, in eine Zwischenfrage gekleidet, als „Unverschämtheit“ bezeichnet, dass Bundeswirtschaftsminister Gabriel bei dieser Debatte nicht anwesend war.
Nach einer halben Stunde stellte sie den Antrag zur Geschäftsordnung, ihn in den Plenarsaal zu zitieren. Da zu diesem Zeitpunkt relativ wenige Abgeordnete der Regierungsfraktionen anwesend waren, fand dieser Antrag eine Mehrheit. Die Sitzung wurde bis zum Erscheinen Gabriels unterbrochen. Wenige Minuten nach der Wiederaufnahme nahm auch noch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) auf der Regierungsbank Platz.
Ungeplant sprach Gabriel dann auch noch selbst zum Thema. Vorab stellte er klar, dass er bei der antragstellenden Fraktion gefragt habe, ob seine Anwesenheit in der Debatte erforderlich sei. Die Antwort sei gewesen, dass dies nicht unbedingt nötig sei und er stattdessen ein Bier ausgeben könne. Dieses gebe es nun nicht, stellte Gabriel klar. Im Übrigen habe er im Bundestag schon mehrfach zu dem Thema gesprochen.
Zum umstrittenen Investorenschutz erklärte Gabriel, aus seiner Sicht müsse dieser nicht privatwirtschaftlich, sondern öffentlich-rechtlich organisiert sein. Man brauche Berufsrichter, die öffentlich berufen sind, und das Gericht habe transparent zu tagen. Eigentlich müsse die Debatte in Richtung eines richtigen Handelsgerichtshofes gehen. Das werde aber bei dem fertig ausgehandelten Ceta-Abkommen nicht vollständig zu erreichen sein.
Zum noch im Verhandlungsprozess befindlichen TTIP-Abkommen zwischen der EU und den USA stellte Gabriel aber klar: „Es wird kein Aushebeln der Gesundheits-, Verbraucher- und Sozialstandards geben. Es wird keine Privatgerichtsbarkeit geben, die Parlamente einschränkt.“
In ihrem Antrag, der nach der Debatte mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die der Opposition nicht abgestimmt, sondern an die Ausschüsse überwiesen wurde, verlangt die Fraktion Die Linke von der Bundesregierung die unverzügliche Vorlage einer deutschen Übersetzung des Ceta-Textes.
Die Bundesregierung solle der EU-Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten mitteilen, dass Deutschland weder bei Ceta noch beim Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) Investor-Staat-Schiedsverfahren akzeptieren werde.
Auf Ablehnung durch alle anderen Fraktionen stieß der Antrag der Fraktion Die Linke (18/3729), ein für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erstelltes Gutachten zu den Auswirkungen der Investitionsschutzbestimmungen im Ceta-Abkommen solle auf keinen Fall Entscheidungsgrundlage der Bundesregierung sein.
Zur Begründung wird auf Interessenkonflikte des Gutachters verwiesen. Dieser sei seit Dezember 2013 Mitglied der Schlichterliste des „International Centre für Settlement of Investment Disputes (ICSID - List of Conciliators)“. Die Bundesregierung wird aufgefordert, „keine öffentlichen Mittel für tendenziöse Gutachten zu verschwenden“.
Ein Vorstoß der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, beim geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP) auf einen Mechanismus zur außergerichtlichen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit zu verzichten, blieb ebenfalls erfolglos. Ihr Antrag (18/3747), die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, dass die Ergebnisse des Konsultationsverfahrens zu diesem Mechanismus berücksichtigt würden, fand nur bei der eigenen Fraktion und der Fraktion Die Linke Zustimmung.
An dem EU-Konsultationsverfahren habe es über 150.000 Teilnahmen gegeben, davon 32.500 aus Deutschland, heißt es in dem Antrag. Eine überwältigende Mehrheit habe die Einführung von Investor-Staat-Schiedsverfahren grundsätzlich abgelehnt. Die große Bandbreite unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, die an der Konsultation teilgenommen hätten, sowie die hohe Zahl von Einzelteilnehmern unterstreiche die Bedeutung dieses „sehr eindeutigen Ergebnisses des Konsultationsverfahrens“. (pst/27.02.2015)