Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Die widersprüchlichen Aussagen des ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy und des Abgeordneten Michael Hartmann (beide SPD) vor dem 2. Untersuchungsausschuss des Bundestages sind jetzt ein Fall für den Staatsanwalt. Der Ausschuss hat am Mittwoch, 25. Februar 2015, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, die früheren Aussagen der beiden zusammen mit denen weiterer Zeugen für abgeschlossen zu erklären. Die Wortprotokolle werden zur Überprüfung auf mögliche uneidliche Falschaussagen der Justiz übergeben.
Die Ausschussvorsitzende Dr. Eva Högl (SPD) hatte Hartmann bei dessen letzter Einvernahme am 5. Februar mit diesem Vorgehen für den Fall gedroht, dass er bei seiner angekündigten Aussageverweigerung bleiben sollte. Nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen 14-tägigen Frist für den Abschluss einer Aussage hat der Ausschuss diesen Schritt nun einstimmig vollzogen.
Zum Hintergrund: Sebastian Edathy hatte am 18. Dezember vor dem Untersuchungsausschuss erklärt, sein damaliger Fraktionskollege Hartmann habe ihn mehrfach über gegen ihn laufende Kinderporno-Ermittlungen unterrichtet und sich dabei auf Informationen des damaligen Chefs des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, berufen.
Hartmann hatte dieser Darstellung in derselben Sitzung entschieden widersprochen. Edathy dagegen ergänzte seine Version in einer weiteren Aussage am 15. Januar um weitere Details. Während Ziercke vor dem Ausschuss jede Weitergabe von Informationen energisch bestritt, bestätigten mehrere Zeugen aus dem beruflichen und privaten Edathys, wesentliche Teile seiner Darstellung schon zu der Zeit gehört zu haben, als die Vorwürfe gegen Edathy noch nicht öffentlich waren. Dies widersprach der Darstellung Hartmanns, Edathy habe sich alles nachträglich ausgedacht.
Wegen der belastenden Aussage Edathys ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits gegen Hartmann wegen des Verdachts der Strafvereitelung. Dies hatte Hartmann am 5. Februar zum Anlass genommen, vor dem Untersuchungsausschuss umfassend sein Recht auf Aussageverweigerung in Anspruch zu nehmen.
Lange vor Sebastian Edathy war im gleichen Ermittlungskomplex ein Beamter des Bundeskriminalamts unter Kinderporno-Verdacht geraten. Nun mussten drei Mitarbeiter des BKA als Zeugen vor dem 2. Untersuchungsausschuss viele kritische Fragen zum Umgang mit diesem „Beamten X“ beantworten.
Dabei behandelte der Ausschuss den kritischsten Teil aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn hier ging es um die Disziplinarmaßnahmen, die der damalige BKA-Chef Jörg Ziercke nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens gegen seinen Mitarbeiter verhängt hatte.
Aber schon im öffentlichen Teil wurden aus den Fragen und Stellungnahmen mehrerer Ausschussmitglieder Zweifel deutlich, ob hier immer mit angemessener Konsequenz vorgegangen worden war. Nicht erhärtet, aber auch nicht ausgeräumt wurde der Verdacht, der „Beamte X“ könnte aus dem Haus heraus gewarnt worden sein.
Zeuge Jörg Spaniol war als Leiter des Geheimschutz-Referats des BKA mit den Ermittlungen gegen den „Beamten X“ betraut, seit im Januar 2012 einer Kinderporno-Ermittlerin der Name einer Führungskraft ihres Referats auf einer Kundenliste eines einschlägigen kanadischen Vertriebs aufgefallen war. Spaniol berichtete, dass die Zahl der Eingeweihten im Hause sehr klein gehalten worden sei. Man habe den Fall schnellstmöglich an die Staatsanwaltschaft Mainz, zuständig für den Wohnsitz des Beamten, abgegeben.
Zu intensiven Nachfragen führte die Aussage Spaniols, die Staatsanwaltschaft habe an einer Sicherung des Dienstrechners des Beamten X kein Interesse gehabt. Sie habe dies damit begründet, dass die in der Wohnung gefundenen Beweise ausgereicht hätten und es keinen Hinweis gegeben hätte, dass im Büro noch etwas zu finden sei.
Spaniol berichtete außerdem von der Aussage des Mainzer Staatsanwalts Joachim Schumacher, der Beamte X und seine Familie hätten bei der Hausdurchsuchung einen gefassten Eindruck gemacht. Oberstaatsanwältin Andrea Keller habe später auf die Frage, ob das auf eine vorherige Warnung aus dem BKA hindeute, geantwortet, durch die Vorermittlungen seien so viele Personen außerhalb des BKA informiert gewesen, dass der Beamte X es von überall her hätte erfahren können. Die Tatsache, dass trotzdem Beweismaterial gefunden wurde, spreche aber gegen eine Warnung.
Später war im BKA aufgefallen, dass mehr als 80 Mitarbeiter des Hauses den Namen des Beamten X als Suchbegriff ins Polizeiliche Informationssystem eingegeben hatten. Die Wenigsten hatten dazu eine Berechtigung. Wie der im Justiziariat des BKA tätige Christoph Becker berichtete, sei es als Konsequenz meist bei „ermahnenden Gesprächen“ durch die Vorgesetzten geblieben, Disziplinarverfahren habe es in keinem Fall gegeben. Ob es solche Suchanfragen bereits gegeben hatte, bevor durch die Hausdurchsuchung am 13. April 2012 der Verdacht gegen den Beamten X publik wurde, konnte keiner der Zeugen sagen.
Ebenfalls keine Antwort gab es darauf, warum dem Beamten X erst am 24. April 2012 die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt und sein Dienstausweis eingezogen wurde. Auch ob er in der Zwischenzeit noch an seinem Schreibtisch war, konnte kein Zeuge sagen. Matthias Meyer, seit November 2012 Leiter des Rechtsreferats und damit auch für das Disziplinarverfahren gegen den Beamten X zuständig, sagte aus, seines Wissens habe es seinerzeit den Vorschlag gegeben, dessen Diensträume unzugänglich zu machen. Warum das dann nicht geschehen sei, wisse er nicht.
Zum Disziplinarverfahren selbst sagte Meyer im öffentlichen Teil der Vernehmung, er habe eine Disziplinarklage vorbereitet, doch die Amtsleitung – also Ziercke – habe es „anderweitig geregelt“. Dies sei allerdings nicht nur in diesem Fall so gewesen, ergänzte Meyer und sagte zur Konsequenz für die Arbeit seines Referats: „Wir machen Vorschläge. Wenn die Amtsleitung dann regelmäßig anders verfährt, passen wir unsere Vorschläge an.“ Ziercke habe bei Disziplinarverstößen generell eine „beamtenfreundliche Linie“ verfolgt.
Auch in den drei folgenden Zeugenbefragungen des Untersuchungsausschusses im März soll es vor allem um den „Beamten X“ gehen. Am Ende muss auch Ex-BKA-Chef Jörg Ziercke noch einmal auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen. (pst/25.02.2015)