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„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, [..] ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ So verlangt es Artikel 3 der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Unabhängig von Familienverhältnissen hat ein Kind Recht auf Fürsorge, Ruhe, Sicherheit und Normalität. Dies war einhellige Meinung der Mitglieder der Kinderkommission und der geladenen Experten in einem öffentlichen Fachgespräch unter Vorsitz von Susann Rüthrich (SPD) am Mittwoch, 4. März 2015.
"70 Prozent der Pflegekinder in Deutschland sind aufgrund von Gewalt, sexuellem Missbrauch, extremer Vernachlässigung oder Drogenmissbrauch durch die Herkunftsfamilien schwersttraumatisiert", so Henrike Hopp vom AktivVerbund e.V. Sie bedürften daher der Nähe, des Vertrauens und der Strukturen in den Pflegefamilien.
Großer Handlungsbedarf bestehe jedoch in der Kontinuitätssicherung für das Pflegekind. Man könne das Kind nicht von Familie zu Familie schicken, "Kinder müssen ankommen können", betonte Renate Schusch vom AktivVerbund e.V. "Kinder müssen die Chance haben, in den Familien leben und sie als Familie nutzen zu können", ergänzte Hopp.
Schusch betonte, dass nach Angaben des Bundesfamilienministeriums 85 Prozent der frühkindlich traumatisierten Pflegekinder nachweislich frühzeitig berufs- und erwerbsunfähig werden. Aufgrund von beispielsweise extremer Vernachlässigung oder Drogenmissbrauch durch die Herkunftsfamilie können Kleinkinder bis zu 20 Prozent Hirnverlust erleiden, was auf ihr weiteres Leben gravierende Auswirkungen habe. Eine verlässliche und kompetente Diagnostik der Kindergesundheit und der Familiensituation und die mögliche nachfolgende Übergabe in Pflegefamilien müsse gewährleistet werden, um das Kind zu schützen.
Der Bedarf an fachlich kompetenten Sozialpädagogen, so die Experten, die mit Achtung und Respekt mit den Kindern und deren Pflege- oder Herkunftsfamilien zusammenarbeiten, ist groß. Neben der Sensibilisierung für prekäre Familiensituationen müsse auch eine Abkehr von Stereotypen und Rollenverteilungen stattfinden, betonte Klaus Schwerma vom Bundesforum Männer e.V.
Klassische Familienformen stünden derzeit in einem starken Wandel. Insbesondere die klassische Rolle des Vaters als Versorger führe heute zu viel Frustration unter den Männern. "Viele Väter wollen auch im alltäglichen Bereich für die Kinder da sein", so Schwerma. "Viele Männer fallen oft automatisch in die alten Muster zurück, weil es ihnen zugeschrieben wird."
Schwerma fordert aktivere Unternehmenskulturen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Väter. "Viele Männer befürchten einen Karriereverlust, wenn sie Elternzeit nehmen würden", erklärte Schwerma.
Das neue Elterngeld Plus wäre ein Anfang, jedoch müsse sich auf der gesellschaftlichen Anerkennungsebene noch einiges tun. "Es ist die staatliche Aufgabe, für das Wohl des Kindes zu sorgen. Ein Kind hat Recht auf Zeit mit seinen Eltern - ein Recht auf Normalität", unterstrich Schwerma. (abb/05.03.2015)