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Eine Übertragung der Rückstellungen der deutschen Atomkraftwerksbetreiber für die Stilllegung und den Rückbau der Anlagen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds wird von Experten völlig konträr beurteilt. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie unter Vorsitz von Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) am Mittwoch, 4. März 2015, deutlich.
Für „grundsätzlich machbar“ hält Rechtsanwalt Hartmut Gaßner von der Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer und Coll. die Übertragung der auf rund 36 Milliarden Euro veranschlagten Rückstellungen in einen Fonds. Allein die Rückstellungen des vor einer Aufspaltung seines Geschäftsbetriebs stehenden Energieversorgungsunternehmens Eon werden mit 10,25 Milliarden Euro angegeben. Gaßner verwies auf Gedankenspiele in der Wirtschaft, die Rückstellungen in eine „Bad Bank“ auszulagern, damit die Unternehmen von den Folgen der friedlichen Nutzung der Kernenergie vollständig entlastet würden.
Gaßner gewann dieser Diskussion durchaus positive Aspekte ab: Zeige sie doch, dass es offenbar möglich sei, die in Sachgütern oder Beteiligungen investierten Rückstellungen umzuschichten und in die „Bad Bank“ zu verlagern. Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) hätten offenbar selbst Pläne dafür in der Schublade: „Die EVU wollen offenbar reinen Tisch machen und sehen genügend finanzielle Spielräume.“ Gaßners Schlussfolgerung: „Der Grundgedanke der Bad Bank ist Beleg für die Machbarkeit eines öffentlich-rechtlichen Fonds.“
Prof. Dr. Georg Hermes von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main verwies auf die Gefahren durch Aufspaltungen der Energiekonzerne. Diese könnten zur Folge haben, dass die Haftungssummen der Konzerne immer kleiner würden. Dagegen gebe es nur die Möglichkeit der Gründung eines externen Fonds. Nur dieses Modell biete die Chance, dass die Mittel erhalten bleiben würden. Er befürwortete auch eine Nachschusspflicht der Kraftwerksbetreiber, falls die Fondsmittel nicht reichen würden. Dem widersprach der Wirtschaftsprüfer Claus Banschbach. Nach dessen Angaben hat der externe Fonds für Atomrückstellungen in der Schweiz ein Fünftel seiner Gelder bei der Lehman-Pleite verloren.
Dagegen bezeichnete Rechtsanwalt Stefan Wiesendahl (Kanzlei Kümmerlein Simon & Partner) die angedachte zwangsweise Überführung der Rückstellungen als Grundrechtseingriff in Grundrechte der betroffenen Energieversorgungsunternehmen. Der zwangsweise staatliche Zugriff auf Rechtsgüter beziehungsweise Vermögenspositionen der Betreiber der deutschen Kernkraftwerke erfülle den Tatbestand einer Enteignung.
Thorben Becker (Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland) erklärte, es sei unklar, ob die Rücklagen für Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke reichen würden. Es gebe bei den Energieversorgungsunternehmen ein Transparenzproblem. So sei nicht nachvollziehbar, nach welchen Grundlagen die Bildung der Rückstellungen erfolgt sei.
Becker warf den Energieversorgungsunternehmen vor, Strukturen aufzubauen, um sich der Haftung für Rückstellungen zu entziehen. Wenn Vattenfall zum Beispiel die Braukohlesparte verkaufe, bleibe in Deutschland nur noch ein Mini-Konzern mit Atomkraftwerken übrig. Auch angesichts der geplanten Eon-Aufspaltung sah Becker deutlich erhöhten Handlungsbedarf für die Gründung eines Fonds.
Grundsätzlich hätten die Kraftwerksbetreiber die Pflicht zur Stilllegung und zum Rückbau der Atomkraftwerke (AKW), argumentierte Prof. Dr. Dr. Franz Jürgen Säcker (Institut für Energie- und Regulierungsrecht Berlin). Niemand außer diesen Unternehmen sei zum Rückbau der Anlagen in der Lage, und daher sei die Vorstellung einer Fondslösung etwas kurios und unpassend. Für die Kosten der Endlagerung des Atommülls konnte sich Säcker jedoch eine Fondslösung vorstellen, da die Entscheidung über die Schaffung eines Endlagers nicht in Händen der Unternehmen liege.
Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge der Oppositionsfraktionen. So fordert die Fraktion Die Linke (18/1959) die Vorlage eines Gesetzentwurfs, der die Überführung der Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung in einen öffentlich-rechtlichen Fonds vorsieht. Damit soll das Geld vor Spekulation geschützt und für dauerhafte Atommüllfolgekosten gesichert werden. Dabei müsse gewährleistet sein, dass die Unternehmen auch in Zukunft in der Haftung für weitere, darüber hinaus anfallende Kosten bleiben, fordert die Linksfraktion.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht sich in ihrem Antrag (18/1465) ebenfalls für die Einführung eines öffentlich-rechtlichen Fonds aus, in den die von den Energieversorgungsunternehmen bereits gebildeten und künftig zu bildenden Rückstellungen für den Rückbau ihrer Atomkraftwerke und die Entsorgung ihrer radioaktiven Abfälle eingezahlt werden sollen.
Die Abgeordneten wenden sich ausdrücklich gegen den Vorschlag von AKW-Betreibern, ihre noch laufenden und abgeschalteten Atomkraftwerke nebst Atommüll und Rückstellungen komplett in einer Art staatliche „AKW-Bad-Bank“ beziehungsweise Stiftung zu übertragen. Damit wollten sich die Konzerne auf einen Schlag von allen weiteren Verpflichtungen befreien und im Gegenzug auf Schadenersatzklagen gegen den Atomausstieg verzichten. Dieser Vorstoß ist aus Sicht der Grünen-Fraktion „inakzeptabel“. (hle/04.03.2015)