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Die nach wie vor hohe Zahl armer Kinder in Deutschland ist nach Ansicht der Opposition ein Skandal und auch auf die Untätigkeit der Bundesregierung zurückzuführen. In einer von der Fraktion Die Linke beantragten Aktuellen Stunde über Kinderarmut kritisierte die Opposition am Donnerstag, 19. März 2015, im Bundestag, die Regierung rede das Problem klein und verschleppe wichtige Entscheidungen, die den armen Kindern und ihren Eltern helfen könnten.
Vertreter der Regierungsfraktionen von Union und SPD räumten ein, dass Kinderarmut nach wie vor ein Problem sei. Jedoch habe die Regierung mit diversen Programmen bereits deutliche Verbesserungen in die Wege geleitet. Einig waren sich die Fraktionen in der Einschätzung, dass Alleinerziehende einer besonderen Hilfestellung bedürfen.
Anlass für die Aktuelle Stunde war eine unlängst veröffentlichte Bertelsmann-Studie, wonach viele Kinder, deren Familien von Hartz IV leben, in ihrer Entwicklung bereits im Vorschulalter hinterherhinken. Demnach weisen sie mehr als doppelt so viele Defizite auf wie Altersgenossen aus gesicherten finanziellen Verhältnissen. Der Studie zufolge sprechen über 40 Prozent der armutsgefährdeten Kinder nur mangelhaft Deutsch.
Geht es den Familien finanziell besser, haben nur rund 14 Prozent große Defizite. Kinder aus armen Familien haben außerdem mehr Probleme mit der Körperkoordination, im Umgang mit Zahlen und sind häufiger übergewichtig. Der Studie zufolge wachsen in Deutschland mehr als 17 Prozent der unter dreijährigen Kinder in Familien auf, die von der staatlichen Grundsicherung leben.
Jörn Wunderlich (Die Linke) sagte, Kinderarmut sei kein Randphänomen. Vielen Kindern mangele es an elementaren Zuwendungen wie regelmäßigen warmen Mahlzeiten, Spielzeug, Freizeitaktivitäten, Schuhen oder neuer Kleidung.
Mit vier Euro Kindergeld mehr seien diese gravierenden Probleme nicht aus der Welt zu schaffen. Wunderlich forderte, jetzt zu handeln, statt immer neue Studien abzuwarten.
Auch die Grünen sehen in der angekündigten Kindergelderhöhung keine Lösung. Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) gab zu bedenken, dass das Kindergeld auf den Hartz-IV-Regelsatz angerechnet werde. Damit gingen arme Familien bei einer Anhebung des Kindergeldes leer aus. Während bei armen Familien und Alleinerziehenden geknausert werde, stocke die Regierung den Verteidigungsetat auf.
Dörner betonte, in Deutschland lebten rund 2,8 Millionen arme Kinder, das sei eine Katastrophe. Sie fügte hinzu, auch die Qualität der Kitas entscheide über die Chancen für arme Kinder. Bildung sei der Schlüssel für eine bessere Zukunft. Hier müsse mehr getan werden.
Sprecher von Union und SPD wiesen darauf hin, dass Arbeitsplätze und ausreichende Entlohnung eine wichtige Voraussetzung sind, um Elternarmut und nachfolgend Kinderarmut überhaupt nicht erst entstehen zu lassen.
Bärbel Bas (SPD) berichtete, im Ruhrgebiet fehlten Arbeitsplätze, um die Menschen aus dem Teufelskreis herauszuholen. Der richtige Ansatz sei gute Bildung, eine starke Prävention und eine frühe Förderung der Kinder in gut qualifizierten Kitas. Für die Alleinerziehenden müssten separate Lösungen gefunden werden.
Jutta Eckenbach (CDU/CSU) warf der Linksfraktion vor, das Problem auf rein finanzielle Aspekte zu reduzieren. Sie räumte ein, dass noch zu viele Kinder in armen Verhältnissen aufwüchsen, das müsse sich ändern. Allerdings sei auch schon viel passiert, sagte sie und nannte Kinderzuschläge, Freibeträge, den Kita-Ausbau und das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung.
Susann Rüthrich (SPD) sagte, Kinderarmut sei die ererbte Armut der Eltern. Daher sei der jetzt eingeführte Mindestlohn wichtig sowie auch die Gleichstellung der Einkommen von Männern und Frauen. Die SPD kämpfe außerdem für eine spürbare Kindergelderhöhung und mehr Hilfen für Alleinerziehende.
Kai Whittaker (CDU/CSU) hielt der Linken vor, das Thema Kinderarmut für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Aus der Studie gehe auch hervor, dass Kinderarmut regional sehr unterschiedlich ausfalle. Die jeweiligen Problem müssten vor Ort gelöst werden.
Ähnlich argumentierte Dr. Martin Pätzold (CDU/CSU), der gleichwohl von einem wichtigen Thema sprach. Jedes Kind sollte die gleichen Chancen haben, aus sich etwas zu machen. Chancengerechtigkeit bedeute aber nicht, dass es auch Ergebnisgleichheit gebe. Mit Programmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit, für Ganztagsschulen und mit dem Bildungs- und Teilhabepaket sei schon viel getan worden, um die Lage zu verbessern. (pk/19.03.2015)