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Leidenschaftlich hat am Mittwoch, 18. März 2015, der Deutsche Bundestag über die umstrittene Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nahmen sich die Abgeordneten im Rahmen einer Aktuellen Stunde des Themas an. Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt attackierte vor allem die Sozialdemokraten.
„Wie sehr müssen die Umfragewerte eigentlich schmerzen, dass Sie glauben, sie mit der Vorratsdatenspeicherung lindern zu können?“, fragte Göring-Eckardt. Die SPD sei „an einem Wochenende umgekippt“, sagte die Grünen-Abgeordnete mit Bezug auf die jüngsten Äußerungen des SPD-Vorsitzenden und Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel.
Gabriel hatte gegenüber dem „Deutschlandfunk“ erklärt, dass die Vorratsdatenspeicherung notwendig sei. Bis dato hatten sich die Sozialdemokraten – im Gegensatz zum Koalitionspartner CDU/CSU – eher zurückhaltend bei dem Vorhaben gezeigt. Die Vorratsdatenspeicherung, argumentierte Göring-Eckardt, stelle die Bürger unter „Generalverdacht“. Die Anschläge von Paris und Kopenhagen hätten zudem gezeigt, dass die Speicherung von Daten Anschläge nicht verhindern könne, da sowohl in Dänemark als auch in Frankreich bereits gespeichert werde.
Göring-Eckardt erinnerte zudem daran, dass die Vorratsdatenspeicherung sowohl durch das Bundesverfassungsgericht als auch den Europäischen Gerichtshof gestoppt worden sei. Die Karlsruher Richter hatten 2010 die entsprechende deutsche Regelung kassiert, der Europäische Gerichtshof 2014 die entsprechende EU-Richtlinie.
Bei der CDU/CSU-Fraktion sah man die Lage deutlich anders. Thomas Strobl (CDU/CSU) freute sich, im Rahmen der Debatte mit „Falschinformationen“ aufräumen zu können. So sei schon der Titel der von der Grünen beantragten Aktuellen Stunde falsch, da hier von einem „nationalen Alleingang“ gesprochen werde. Fakt sei, dass mehr als 20 EU-Staaten eine Regelung zur Vorratsdatenspeicherung hätten. Und diese sei auch in Deutschland nötig, denn sie sei ein von Sicherheitsbehörden gefordertes Instrument zur Aufklärung schwerer Straftaten, etwa im Bereich des Terrorismus oder der Kinderpornografie.
Die Vorratsdatenspeicherung sei aber auch kein „Allheilmittel“. Die Anschläge in Paris seien damit nicht verhindert worden. Die gespeicherten Daten hätten aber im Nachgang dabei geholfen, das Umfeld der Täter aufzuklären und so möglicherweise weitere Anschläge zu verhindern. Zudem sei es „perfide“, von „Totalüberwachung“ zu sprechen, sagte Strobl. Es würden keine Inhalte, sondern lediglich Verbindungsdaten gespeichert.
Außerdem könnte so eine einheitliche Regelung für Kunden und Unternehmen geschaffen werden, denn aktuell gebe es einen „Wildwuchs“ bei den Telekommunikationsunternehmen in Bezug auf die Speicherung von Daten. Dies gelte etwa dafür, welche Daten wie lange wo gespeichert werden – und wann sie „endgültig gelöscht werden“, betonte Strobl. Der Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion wies zudem darauf hin, dass er auch keinen SPD-Innenminister kenne, der gegen die Vorratsdatenspeicherung sei.
Die Sozialdemokraten zeigten sich offen für eine Diskussion mit ihrem Koalitionspartner, verwiesen aber auf die engen Grenzen, die durch die Gerichte gesetzt worden seien. Lars Klingbeil (SPD) sagte, die grundrechtskonforme Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung ähnele der „Quadratur des Kreises“. Doch es sei nötig, in diesen „turbulenten Zeiten“ die Diskussion darüber „verantwortungsvoll“ zu führen. Dazu seien die Sozialdemokraten bereit.
Insbesondere das Urteil des Europäischen Gerichtshofs habe zu einem „Paradigmenwechsel“ geführt, betonte Klingbeil. Nun bestehe nicht mehr der Zwang, eine Richtlinie umzusetzen, und somit die Notwendigkeit für die Gegner, zu erklären, warum sie gegen die Vorratsdatenspeicherung sind. Vielmehr müssten die Befürworter nun erläutern, warum die Vorratsdatenspeicherung kommen müsse.
In einem etwaigen Gesetz müssten Fragen, wie zum Beispiel die Speicherdauer und die Ausnahme von bestimmten Berufsgruppen, klar beantwortet werden. Neben der Vorgaben der Gerichte sei zudem die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Geschehe dies nicht, bestehe die Gefahr, „dass wir mit Anlauf und erhöhter Geschwindigkeit erneut gegen die Wand eines Gerichtsurteils laufen“, warnte der Sozialdemokrat.
Auf Ablehnung stieß die Planung zum Thema Vorratsdatenspeicherung bei der Fraktion Die Linke. Petra Pau erinnerte daran, dass sich am Tag dieser Debatte auch der Barrikadenaufstand der Märzrevolution von 1848 jähre. Damals seien die Menschen für Bürgerrechte und Demokratie aufgestanden.
Die Vorratsdatenspeicherung sei aber ein Angriff auf eben diese Werte. Nicht von Terroristen kämen die Hauptattacken, sondern von staatlicher Seite. Dies sei am Beispiel des US-Geheimdienstes NSA zu sehen. Statt auf die Speicherung von Daten zu setzen, sollte sich die Bundesregierung für ein besseres Datenschutzrecht der EU einsetzen, forderte Pau. (scr/18.03.2015)