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Die Versuche vieler deutscher Kommunen, die örtlichen Energienetze von den Energiekonzernen zu übernehmen, dürften bald erheblich erleichtert werden. Redner der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD kündigten in einer Kernzeitdebatte des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 19. März 2015, eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes an, um rechtliche Unsicherheiten zu bei der Vergabe der Netze nach Ablauf des Konzessionszeitraums zu beseitigen. Während die Koalition jedoch warnte, die Übernahme der Energienetze durch die öffentliche Hand dürfe „kein Selbstzweck“ sein, machten die Oppositionsredner massiv Druck für die Rekommunalisierung der Netze.
So forderte Caren Lay (Die Linke) „ökologische Stadtwerke mit dezentraler Energieversorgung: So sieht für uns die Energieversorgung der Zukunft aus.“ Netze in öffentlicher Hand hätten viele Vorteile: So sei es möglich, die Strompreise für die Verbraucher fair zu gestalten, Gewinne könnten für das Allgemeinwohl investiert werden und würden nicht in private Taschen wandern.
Auch für die für die Energiewende dringend notwendige Verbindung des Strom- und Wärmemarktes sei es von großem Vorteil, „wenn die Netze in einer Hand sind, als dass man gegen den Widerstand der privaten Netzbetreiber ankämpfen muss“. Viele Kommunen hätten das parteiübergreifend erkannt. Bis 2016 könnten rund 2.000 Netze zurückgekauft werden. Allerdings würden die Energiekonzerne starken Druck ausüben, um die Netze zu behalten. „So geht das nicht“, protestierte Lay und forderte eine Änderung der unklaren Rechtslage, die von den Konzernen ausgenutzt werde.
Thomas Bareiß (CDU/CSU) ging mit den Forderungen der Linken scharf ins Gericht: „Zu glauben, dass eine Staatswirtschaft die beste Grundlage ist, um unsere Versorgung auf eine gutes und günstiges Fundament zu stellen, sollte eigentlich seit 1989 widerlegt worden sein.“ Der Erfolg der sozialen Marktwirtschaft basiere auf Wettbewerb, Gewinnstreben und auf privatem Eigentum. Das führe zu Wachstum, Innovation und langfristig zu Wohlstand für alle.
Bareiß würdigte die Rolle der Stadtwerke für die Energieversorgung. 300 Stadtwerke seien in der Energieerzeugung aktiv und würden in der enorm wichtigen Kraft-Wärme-Kopplung eine entscheidende Rolle spielen. Allerdings könnten Kommunen und Stadtwerke mit den Netzen weder die Energiewende gestalten noch auf die Energiepreise für die Verbraucher einwirken. Andererseits seien Milliarden-Investitionen in die Netze fällig. Im Sinne eines fairen Wettbewerbs im regulierten Netzgeschäft kündigte Bareiß aber eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes, weil es bei der Vergabe der Netze zu Problemen und Unsicherheiten komme. Es werde Rechtssicherheit geschaffen, kündigte Bareiß an.
Nach Angaben von Florian Post (SPD) haben 200 Gemeinden die Netze bereits wieder übernommen, darunter seien Stuttgart, Dresden und Hamburg, aber auch kleinere Kommunen wie Putzbrunn. Die SPD sei der Überzeugung, „dass gut durchgeführte Rekommunalisierung von Stromnetzen den Wettbewerb belebt, den Städten und Kommunen dient und letztendlich auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern dient“. Kommunen würden mindestens genauso gut für sichere Stromversorgung sorgen wie private Netzbetreiber. Sie dürften nicht schlechter gestellt werden.
Wie Bareiß kündigte auch Post rechtliche Klarstellungen im Gesetz an, aber es müsse ebenfalls klargestellt werden, dass es keine bedingungslose Rekommunalisierung ohne Bedingungen geben könne. Schikanen von Altbetreibern der Netze seien inakzeptabel und müssten beseitigt werden, forderte Post. Der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Uwe Beckmeyer (SPD), rief zu einer sachlichen Debatte auf. Die Energieversorgung müsse preisgünstig sein, effizient und umweltverträglich.
Dagegen erhob Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) schwere Vorwürfe gegen die CDU/CSU, die den kommunalen Entscheidungsträgern Belehrungen erteile, wie sie ihre verfassungsgemäße Verantwortung beim Betreib der Verteilnetze auszuüben haben: „Das sollten Sie den gewählten Vertretern in den Kommunen überlassen. Das ist deren Aufgabe.“ Jede Kommune müsse selbst entscheiden können, ob sie Netze selbst betreiben wollten oder den Betrieb privaten Unternehmen überlassen wollen.
Krischer berichtete von Studien, die belegen würden, dass kommunale Verteilnetzbetreiber effizienter arbeiten würden als große Unternehmen, „und deshalb sollten wir die Entscheidungsmöglichkeiten der Kommunen an der Stelle stärken“. Für die Rechtsunsicherheiten sei die Union durch frühere Gesetzesänderungen selbst verantwortlich. Netzentgelte gehörten eher in die Gemeindekasse, als dass sie in der Konzernkasse klingeln“, stellte Krischer fest.
Der Bundestag überwies einen Antrag der Linksfraktion (18/4323) an die zuständigen Ausschüsse. Darin wird gefordert, dass Städte und Gemeinden Konzessionen für den Betrieb der Energienetze auch ohne Ausschreibungen vergeben können. Damit solle die Rekommunalisierung dieser Netze erleichtert werden, schreibt die Linksfraktion. Die Bundesregierung soll einen Gesetzentwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes vorlegen, der entsprechende Konkretisierungen vorsieht. Zu den Entscheidungsgründen bei der Vergabe soll insbesondere das Interesse an verstärkten Steuermöglichkeiten durch die Kommune zählen.
Nach Ansicht der Linksfraktion hat die Rekommunalisierung von Energienetzen viele Vorteile: „Sie erleichtert die Umsetzung örtlicher integrierter Klimaschutzkonzepte und steigert die örtlichen und regionalen Wertschöpfungspotenziale.“ Von Versorgungsnetzen in kommunaler Hand würden auch besonders der dringend notwendige Ausbau von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) profitieren. Angesichts neuer Techniken zur Steuerung von Angebot und Nachfrage sowie Power-to-Gas-Anlagen würden dort, wo die Netze in einer Hand liegen, Synergien eintreten. „Diese werden sich für die Energiewende wie für die Wirtschaftlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen gleichermaßen auszahlen“, erwartet die Linksfraktion.
Abgelehnt wurde mit der Koalitionsmehrheit ein Antrag der Linksfraktion (18/3745, 18/4222), in dem ebenfalls gefordert wurde, dass Stadtwerke Energienetze in Zukunft leichter übernehmen können. Energienetze seien Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Kommunen würden eigenständig entscheiden, wie und von wem diese Leistungen zu erbringen seien. „Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen genießt gegenüber dem Wettbewerbsgedanken Vorrang“, stellt die Fraktion fest. (hle/19.03.2015)