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Gesundheitsförderung und Prävention müssen nach Ansicht aller Fraktionen im Bundestag in den Lebenswelten der Menschen wirksamer verankert werden. Bei der ersten Beratung über den von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegten Entwurf für ein Präventionsgesetz (18/4282) machten am Freitag, 20. März 2015, im Bundestag Redner aller vier Fraktionen deutlich, dass die Gesundheitsvorsorge für Menschen aller Altersstufen ein zentraler Bestandteil der modernen Sozialpolitik ist.
Auch die Opposition begrüßte, dass nach mehreren Anläufen nun der Versuch unternommen werde, die Vorsorge gesetzlich umfassend zu verankern, kritisierte aber, der Entwurf bleibe weit hinter den Möglichkeiten und Notwendigkeiten zurück. Auch die SPD sieht noch Verbesserungsmöglichkeiten im Detail.
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Gesundheitsförderung und Prävention auf jedes Lebensalter und in alle Lebensbereiche systematisch auszudehnen, um chronische und psychische Krankheiten besser verhindern zu können. Die Leistungen der Krankenkassen zur Prävention und Gesundheitsförderung sollen mehr als verdoppelt werden, von 3,09 Euro auf sieben Euro jährlich für jeden Versicherten ab 2016. Zusammen mit dem Beitrag der Pflegekassen in Höhe von rund 21 Millionen Euro stehen künftig rund 511 Millionen Euro im Jahr für präventive und gesundheitsfördernde Leistungen bereit.
So sollen gerade kleine und mittelständische Betriebe mehr für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tun. Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen zu präventiven Gesundheitsuntersuchungen weiterentwickelt und zeitlich gestreckt werden. Zur Beratung gehört die Klärung des Impfstatus.
Vorgesehen ist, dass bei der Aufnahme von Kindern in eine Kita die Eltern eine ärztliche Beratung zum Impfschutz nachweisen müssen. In der Gesetzesbegründung heißt es, je früher im Leben mit der Gesundheitsförderung und Prävention begonnen werde, desto eher könnten Risikofaktoren wie mangelnde Bewegung, unausgewogene Ernährung, Übergewicht, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und chronische Stressbelastungen beeinflusst werden.
Die Opposition hat eigene Anträge zum Thema in die Debatte eingebracht. Der Antrag der Fraktion Die Linke (18/4322) zielt auf die "Verminderung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit" ab, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in ihrem Antrag (18/4327) "Gerechtigkeit und Teilhabe durch ein modernes Gesundheitsförderungsgesetz".
Gröhe wies in seiner Rede auf die zunehmend älter werdende Bevölkerung in Deutschland hin sowie den Wandel der Lebensstile. Um auch im Alter eine hohe Lebensqualität zu behalten, sei die Prävention von entscheidender Bedeutung. Zudem könnten so auch die Gesundheitskosten begrenzt werden. Die Menschen müssten motiviert werden, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Dies sei keine Frage des Alters.
Gröhe erinnerte an die jüngste Masern-Epidemie mit über 1.000 Krankheitsfällen bundesweit. Dies müsse ein Signal des Aufbruchs sein, die Impfquote in Deutschland zu erhöhen. Der Impfstatus sollte zu einem wesentlichen Maßstab der Prävention gemacht werden. Bei der Gesundheitsförderung gehe es im Übrigen zwar nicht primär um wirtschaftliche Gesichtspunkte, es sei aber auch ökonomisch sinnvoll, Arbeitnehmer gesund zu erhalten und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht durch den Arbeitstag quälen. Das übergeordnete Ziel seien gute Gesundheitschancen für alle Menschen im Land.
Die Opposition hielt der Regierung vor, den Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und Gesundheit zu verkennen und mit dem Gesetzentwurf dafür auch keine Lösung anzubieten.
Die Schere zwischen Arm und Reich gehe in Deutschland auseinander und Studien zeigten, dass dies konkrete gesundheitliche Nachteile für arme Bevölkerungsschichten mit sich bringe. Sabine Zimmermann (Linke) sagte, Menschen mit mit dem größten Krankheitsrisiko seien zugleich die Menschen mit dem geringsten Einkommen.
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, viele Kinder aus armen Familien würden von Präventionsangeboten oft nicht erreicht. Nicht selten hätten solche Kinder keinen Zugang zu gesunder Ernährung, die Mitgliedschaft in Vereinen falle aus Kostengründen weg.
Auch in Deutschland gelte, wer weniger habe, sterbe früher. Das dürfe nicht sein. Benötigt werde ein breites sozialpolitisches Konzept für mehr Gerechtigkeit und Gesundheit. Kommunen und Kreise seien dabei der Dreh- und Angelpunkt für die Gesundheitsförderung.
Auch Helga Kühn-Mengel (SPD) sagte, die Menschen müssten dort erreicht werden, wo sie lebten, arbeiteten. Die Kommune sei der Ort des Präventionsgeschehens.
Was den betrieblichen Gesundheitsschutz betreffe, müsse es bei kleinen und mittelgroßen Firmen Verbesserungen geben.
Rudolf Henke (CDU/CSU) forderte dazu auf, nicht mit "Leichenbittermiene" über Prävention zu reden, sondern sich auch über die neuen Möglichkeiten der Medizin zu freuen. Im Übrigen sei vorbeugen besser als heilen. Die Prävention dürfe aber nicht in "Gesundheitswahn" umschlagen.
Auch bei erfolgreicher Prävention blieben alle Menschen sterblich und die Diskriminierung Kranker müsse verhindert werden. Henke hob heraus, dass nicht nur die Krankenkassen, sondern künftig auch die Pflegekassen verpflichtet würden, in die in Prävention zu investieren.
Dr. Edgar Franke (SPD) betonte, Gesundheitspolitik sei immer auch Gesellschaftspolitik. Arbeitslosigkeit und sozialer Status hätten Auswirkungen auf die Gesundheit. Daher müsse Prävention mehr sein als Aufklärung. Er erinnerte auch an die vielen Diabeteskranken. Betroffen seien hier nicht nur Ältere, sondern auch Kinder. Vorbeugung sei enorm wichtig, zumal allein diese Krankheit Kosten in Milliardenhöhe verursache.
Reiner Meier (/CDU/CSU) wies darauf hin, dass immer mehr Menschen an Zivilisationskrankheiten leiden. Es sei schwierig, ungesunde Gewohnheiten zu ändern, dazu seien Anreize nötig, aber nicht Verbote und Bevormundung. Auch Heiko Schmelzle (CDU/CSU) betonte, es gehe nicht darum, Menschen zu bevormunden, sondern sie zu ermuntern, ihr Leben gesünder zu gestalten.
Marina Kermer (SPD) machte klar, dass es nicht nur um Vorsorge gehe, sondern auch um Fürsorge, etwa für Arbeitnehmer, die durch Stress krank geworden seien. Das Arbeitsleben sei dominant im Alltag, daher sei auch die betriebliche Gesundheitsvorsorge so wichtig. Viele große Unternehmen hätten auch schon gute Präventionskonzepte, die kleinen Firmen könnten da nicht mithalten, daher seien Kooperation vor Ort sinnvoll. (pk/20.03.2015)