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Die Grünen wollen, dass Stromkunden auch in Gruppen ihre Energieversorger verklagen können. © dpa - Report
Als überfällig oder überflüssig haben Experten einen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Einführung von Gruppenverfahren im Zivilprozessrecht (18/1464) eingestuft. Erreicht werden soll nicht zuletzt, dass auch kleinere Individualschäden vor Gericht gebracht werden können, wenn sie massenhaft auftreten. Die gegensätzlichen Einschätzungen wurden am Mittwoch, 18. März 2015, offenbar bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz unter der Leitung von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen). „Keinen Bedarf“ dafür sah der Richter am Landgericht Lübeck, Peter Fölsch. Der Gesetzentwurf genüge nicht „den Anforderungen an das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs“ für die Teilnehmer. Zudem sei „eine weitere Belastung der Justiz“ die Folge.
Prof. Dr. Axel Halfmeier von der Leuphana Universität Lüneburg hatte die Grünen bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beraten. Er verwies unter anderem darauf, dass berechtigte Individualansprüche einzelner Betroffener „aufgrund faktisch vorhandener Zugangsbarrieren“ nicht durchgesetzt würden – „ökonomische, soziale und psychologische Barrieren“. Es bestehe aber „das gesamtgesellschaftliche Interesse an der Durchsetzung“.
Paul Hecht von der Daimler AG erklärte für den Bundesverband der Deutschen Industrie, dem „verfassungsrechtlich garantierten Justizgewährleistungsanspruch“ werde „durch die Klagemöglichkeiten, die die deutsche Rechtsordnung vorsieht, vollumfänglich Rechnung getragen“. Im Gesetzentwurf werde überdies konkret kein Defizit festgestellt. Fazit: „Die Schaffung einer weiteren Verfahrensart ist unnötig.“
Prof. Dr. Burkhard Hess vom Max-Planck-Institut in Luxemburg hielt den Gesetzentwurf für „nicht geeignet, die selbst gesetzten Ziele zu verwirklichen“. So werde nur die „Bündelung von Bagatellfällen“ erreicht, nicht „sämtliche Massen- und Streuschäden“.
Prof. Dr. Jürgen Keßler von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin begrüßte „im Grundsatz“ den Gesetzentwurf. Das deutsche Prozessrecht bleibe „noch deutlich“ hinter dem Standard in vielen EU-Staaten zurück. Er verwies auf eine Empfehlung der EU-Kommission, derzufolge „durch die Einführung eines Instruments des kollektiven Rechtsschutzes insbesondere Verbrauchern verbesserte Chancen zu einem effektiven Schadensausgleich“ eröffnet werden sollen.
Deutschland gelte europaweit in dem Bereich als der „letzte Mohikaner“, meinte Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Den Gesetzentwurf bewertete sie als „grundsätzlich gelungen“.
Für Roland Stuhr vom Verbraucherzentrale Bundesverband ist der Gesetzentwurf ein „ganz wichtiger Beitrag für die überfällige Diskussion in Deutschland, dass wir Rechts- und Verfahrensinstrumente benötigen, die die eklatanten Lücken bei der Durchsetzung von individuellen Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüchen regeln“. (scr/18.03.2015)