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Eine Fußball-Weltmeisterschaft im Winter. Sklavenarbeit auf den Stadionbaustellen in Katar. Umweltzerstörungen im Vorfeld der Olympischen Winterspiele von Sotschi. Korruptionsskandale und Vetternwirtschaft beim Weltfußballverband Fifa. Ablehnung von Olympiabewerbungen durch Volksentscheide. All diese Themen werden eine Rolle spielen, wenn der Bundestag am Donnerstag, 26. März 2015, ab 10.10 Uhr eine Stunde lang über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/3556) mit der Forderung nach Änderungen bei Vergabeentscheidungen von Sportgroßereignissen diskutiert.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Darin verlangen die Abgeordneten von der Bundesregierung unter anderem, die Sportverbände anzuhalten, die verbindliche Einhaltung menschen- und bürgerrechtlicher und ökologischer Standards bei der Vorbereitung und Durchführung von Sportgroßereignissen verpflichtend zur Voraussetzung von Vergabeentscheidungen zu machen und ihre Umsetzung „sanktionsbewehrt sicherzustellen“. Zudem soll sie über die Einhaltung dieser Standards in regelmäßigen Abständen berichten. Dabei seien die relevanten Organisationen einzubeziehen und diese Berichte zu veröffentlichen, schreibt die Fraktion.
Menschenrechtsverletzungen, Gigantomanie, Umwelt- und Naturvernichtung, Korruption, Intransparenz und Vetternwirtschaft seien Stichworte, die das Bild von Sportgroßveranstaltungen in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren maßgeblich mitbestimmt hätten, heißt es weiter. Dadurch sei der Sport in den Hintergrund gerückt und ihm Schaden zugefügt worden.
So sei etwa die Doppelvergabe der Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022 nach Russland und Katar eine Fehlentscheidung gewesen. Schon die Untersuchungen der Fifa-eigenen Ethikkommission hätten viele Unregelmäßigkeiten aufgezeigt. Die Erklärung des Fußballweltverbandes, dass korrupte Strukturen nicht ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen seien, ist aus Sicht der Grünen „nicht überzeugend“.
Aber auch das Flaggschiff des internationalen Sports - die Olympischen Spiele - hätten an Glanz eingebüßt. Deutlich geworden sei das einmal mehr an den Debatten vor und während der Olympischen Winterspiele in Sotschi zur Zerstörung von Natur und Umwelt sowie zu den Bürgerrechtsverletzungen, urteilen die Abgeordneten.
Entsprechend sinke die Zahl der Bewerberstädte gerade für die Winterspiele von Ausschreibung zu Ausschreibung, weil in Europa die Bürger der Bewerberstädte mehrfach eine Ausrichtung der Spiele abgelehnt hätten. So auch in Deutschland, wo sich eine deutliche Mehrheit der ortsansässigen Bevölkerung gegen eine Olympiabewerbung Münchens und Garmisch-Partenkirchens für die Olympischen Winterspiele 2022 ausgesprochen hat. Gleiches sei auch im polnischen Krakau und im schweizerischen Graubünden passiert.
Die norwegische Hauptstadt Oslo habe ihre Bewerbung sogar aufgrund der vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) diktierten Vergabebedingungen selbst zurückgezogen, schreiben die Grünen. Übrig geblieben als Bewerber seien Almaty aus Kasachstan und die chinesische Hauptstadt Peking, beide nicht gerade Vorbilder in Sache Demokratie, Menschenrechtswahrung und Umweltschutz. (hau/23.03.2015)
Wie die Grünen schreiben, sei mit der Vergabe von Sportereignissen oft auch die Hoffnung verbunden gewesen, dadurch Einfluss auf eine Demokratisierung in den Austragungsländern und auf eine günstige Sportentwicklung zu nehmen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigten aber, dass diese Erwartungen oft überhöht waren. „Die Olympischen Sommerspiele in Peking 2008 oder die Winterspiele in Sotschi 2014 sind Beispiele dafür, dass Sportgroßveranstaltungen nicht notwendigerweise zu einer verbesserten Menschenrechtslage vor Ort beitragen, sondern eher das Gegenteil bewirken können“, heißt es in dem Antrag.
Um den Sport künftig wieder in den Vordergrund zu bringen, braucht es auch Sicht der Grünen-Fraktion eine rückhaltlose Aufklärung der Korruptionsvorwürfe in den Sportorganisationen und darüber hinausgehende umfassende Reformen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum für Sportverbände nicht dieselben Regeln gelten, denen sich auch international handelnde Unternehmen unterwerfen müssen. „Menschen- und Bürgerrechtsstandards sowie Arbeitsrechtsstandards müssen zwingend auch für die vorbereitenden Maßnahmen von Sportgroßereignissen gelten“, verlangen die Abgeordneten. (hau/23.03.2015)