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Abgeordnete Ryszard Kalisz, Ryszard Galla, Bożena Kamińska, Norbert Lammert, Aleksander Świeykowski, Arkadiusz Litwiński
© DBT/Melde
Der polnische Abgeordnete Aleksander Świeykowski erzählt auf einer Pressekonferenz, als er morgens aus seinem Hotel in Frankfurt an der Oder ging, sei just ein polnisch sprechendes Paar an ihm vorübergelaufen. Für einen Moment habe er da überlegen müssen, ob er sich gerade in Polen befinde oder eben in Deutschland. In der Grenzstadt Frankfurt an der Oder begann am 23. März der viertägige Besuch von sieben polnischen Abgeordneten der Polnisch-Deutschen Parlamentariergruppe. Anekdoten wie diese von Aleksander Świeykowski zeigen, wie sehr beide Länder miteinander verwoben sind.
Gerade in der Grenzregion gibt es gute Beispiele der deutsch-polnischen Zusammenarbeit. Beeindruckt zeigte sich der polnische Senator etwa von der Kooperation bei Zoll, Grenzschutz und Polizei, über die sich die Abgeordneten informierten. Im Gespräch wird jedoch deutlich: Die Parlamentarier auf deutscher und polnischer Seite wollen mehr. „Ich habe mehrmals in diesen Tagen gesagt: Der Appetit kommt mit dem Essen. Jetzt geht es darum, die guten Beispiele zu vermehren“, sagt Świeykowski, nicht nur in der Grenzregion, auch tief in den Ländern.
Die Grenzstadt Frankfurt an der Oder liegt im Wahlkreis des Bundestagsabgeordneten Thomas Nord (Die Linke). Nord ist Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. Er sieht die nachbarschaftlichen Beziehungen auf zweierlei Weise gedeihen: durch Bürgerinitiativen und durch politische Initiativen, wie etwa das gemeinsame Polizeiabkommen. „Dieses Polizeiabkommen ist ein großer Schritt nach vorn für die Zusammenarbeit beider Länder. Es ist historisch, dass auf beiden Territorien Polizisten der jeweils anderen Staaten mit hoheitsrechtlichen Befugnissen ausgestattet sind.“
Nachdem die Parlamentarier mit zahlreichen brandenburgischen Landesministern gesprochen hatten, trafen sie sich im Bundestag mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, der die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit koordiniert, sowie mit den Vorsitzenden des EU-Ausschusses, Gunther Krichbaum (CDU/CSU), und dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, Martin Burkert (SPD). Den protokollarischen Höhepunkt bildete ein Gespräch mit Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert.
Themen seien die verbesserungswürdigen Bahnverbindungen, die Bekämpfung organisierter Kriminalität und die Auswirkungen des Mindestlohns in Deutschland auf polnische Transportunternehmer gewesen, berichtet Thomas Nord. Das Ansprechen des Mindestlohnthemas habe bei allen einen Aha-Effekt ausgelöst.
„Das Kernproblem war aus meiner Sicht, dass es sehr hohe Ordnungsstrafen für polnische Unternehmen geben soll, wenn gegen die Mindestlohnvorschriften verstoßen wird oder ein entsprechender Nachweis nicht geführt werden kann. Da begreift man plötzlich, dass, wenn man so was heute in Deutschland macht, man vorher auch noch mal schauen muss, was links und rechts der Grenzen passiert.“ Schließlich habe niemand in Deutschland beabsichtigt, das polnische Transportgewerbe in Schwierigkeiten zu bringen, glaubt Nord.
Der Linke-Abgeordnete sieht die Aufgabe der Parlamentariergruppe darin, die vielen einzelnen Erkenntnisse, die von fachkundigen Gesprächspartnern geäußert würden, zu bündeln. „Jeder von denen kennt jeweils einen bestimmten Ausschnitt seiner Arbeit. Parlamentariergruppen können dazu beitragen, dass aus diesen Ausschnitten ein Panorama wird.“
Thomas Nord und sein polnischer Gast Aleksander Świeykowski wünschen sich, dass die Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten noch besser koordiniert und intensiviert wird. Als Ideen nennen sie eine „Parlamentarische Oder-Konferenz“, ein Parlamentariertreffen nach dem Vorbild des „Weimarer Dreiecks“ oder auch Konsultationen zwischen einzelnen Abgeordneten, wie es sie etwa in der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe gibt.
Deutsch-polnische Anliegen könnten sie dann noch wirkungsvoller verfolgen, hofft Thomas Nord nach den Erfahrungen des zurückliegenden Besuchs. „Wenn wir uns gemeinsame Positionen erarbeitet haben und die dann auch gemeinsam vorgetragen haben gegenüber der Exekutive oder auch gegenüber den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, merkt man, dass das erst mal in das Bewusstsein rückt. Das ist eine Form von positiver Lobbyarbeit.“ (tk/13.04.2015)