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Abgeordnete Dirk Wiese, Stefan Rebmann, Frank Steffel, Ralph Brinkhaus in der Carmel-Convent-Schule in Neu-Delhi © Carmel Convent School New Delhi
Bei indischen Wahlkreisabgeordneten könne es „auch schon mal sein, dass bei einer Bürgersprechstunde ein halbes Dorf vor der Tür steht“, berichtet der Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus (CDU/CSU). Brinkhaus ist Vorsitzender der Deutsch-Indischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag und kümmert sich um die parlamentarischen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland. Bei einem 1,2-Milliarden-Volk sei auch bei den Abgeordneten ein ganz anderer „Durchlauf“ zu spüren, so sein Eindruck. Er beobachtete, „dass indische Abgeordnete sehr stark wahlkreisbezogen arbeiten müssen, da eine hohe Erwartungshaltung an sie gerichtet ist“. Gemeinsam mit Jens Spahn und Dr. Frank Steffel (beide CDU/CSU), Stefan Rebmann und Dirk Wiese (beide SPD) sowie Kathrin Vogler (Die Linke) reiste Ralph Brinkhaus vom 10. bis19. Februar nach Indien, um Kontakte in das 2014 neu gewählte Parlament (Lok Sabha) zu knüpfen und sich ein eigenes Bild von der wirtschaftlichen Entwicklung in Indien und den Rechten von Frauen und Minderheiten machen zu können.
Er verfolge von Deutschland aus die Presse über Indien und lese viel über das Land, aber bei der Größe des Landes stoße die Informationsaufnahme an Grenzen. Durchschnittlich ein Mal pro Sitzungswoche gebe es in Berlin Termine, die mit den deutsch-indischen Beziehungen zu tun hätten.
Die Deutsch-Indische Parlamentariergruppe wolle den Kontakt zwischen Parlamentariern stärken, sei aber auch Anlaufstelle für vielerlei indische Aktivitäten. „Wir stehen als Ansprechpartner des deutschen Parlaments allen Institutionen und Politikern aus Indien zur Verfügung. Wenn zum Beispiel eine Nichtregierungsorganisation aus Indien mit ihren Anliegen hier in Deutschland unterwegs ist, dann sind wir die Tür und das Tor zum Parlament“, erläutert Brinkhaus.
„Indien ist sehr stark an Deutschland interessiert, das haben wir in unseren Gesprächen immer wieder erfahren, soweit ein Land mit 1,2 Milliarden Einwohnern an einem Land mit 80 Millionen Einwohnern interessiert sein kann.“ So setzt Brinkhaus die Dimensionen beider Länder in Relation zueinander.
Aktuell arbeiten 17 Abgeordnete in der Deutsch-Indischen Parlamentariergruppe. Eine vergleichbare Gruppe im indischen Parlament gebe es derzeit noch nicht, da sich die Zusammensetzung des Parlaments vor Kurzem völlig verändert habe, erklärt Ralph Brinkhaus.
Die bisher regierende Kongresspartei sei „pulverisiert“, und viele Abgeordnete der neuen Regierungspartei BJP hinzugekommen. „Aus diesem Grund haben wir auch einen Besuch der BJP-Parteizentrale in der Hauptstadt Delhi ins Programm genommen. Das war uns wichtig, weil wir die neuen Verantwortlichen kennenlernen wollten.“
In Delhi standen außerdem Gespräche mit Abgeordneten aus dem Energieausschuss und dem Auswärtigen Ausschuss des indischen Parlaments auf dem Programm. Die wohl namhafteste Gesprächspartnerin war Maneka Gandhi, Ministerin für Frauen- und Kinderentwicklung und Schwiegertochter von Indira Gandhi, mit der sich die Bundestagsabgeordneten über Frauenrechte in Indien austauschten.
Brinkhaus zeigte sich beeindruckt, „mit welchem Elan die neue Regierung an ihre Pläne herangeht“. So sei den Bundestagsabgeordneten das Projekt des „Mumbai-Delhi Industrial Corridor“ präsentiert worden, mit dem entlang einer Bahnlinie zwischen Mumbai (das frühere Bombay) und Delhi ein Korridor in einer Länge von 1.500 Kilometern definiert worden sei.
In diesem Korridor wollten die Inder mehrere neue Städte - so genannte „smart cities“ - und Industriezonen gründen, zudem solle die Verkehrsinfrastruktur (drei Häfen, sechs Flughäfen) ausgebaut und somit die Wanderbewegung vom Land in die Städte gesteuert werden. „Das ist ein unglaublich ehrgeiziger Plan“, urteilt Brinkhaus über das Projekt.
In den Bundesstaaten Gujarat und Maharashtra trafen sich die deutschen Parlamentarier jeweils mit Wahlkreisabgeordneten aus dem indischen Parlament. In Maharashtra wurden sie auch im Regionalparlament empfangen, von dessen Sprecher Shivajirae Deshmukh und Abgeordneten verschiedener Fraktionen.
Zur Auswahl der Reisestationen erklärt Brinkhaus, in Maharashtra hätten die Abgeordneten das wirtschaftliche Indien sehen wollen. Dort seien viele deutsche Unternehmen aktiv, Mercedes-Benz und den deutschen Automobilzulieferer BPW habe man besucht.
Im Bundesstaat Gujarat wiederum war der jetzige indische Ministerpräsident Modi lange Zeit lokaler Ministerpräsident. „Wir wollten uns einfach anschauen, welche Spuren er in seinem zwölfjährigen Wirken hinterlassen hat.“
Brinkhaus sieht in Indien ein aufstrebendes Land, das in seiner technologischen Entwicklung mit Deutschland konkurrenzfähig ist. „Wir haben das Serum Institute of India besucht, einen Weltmarktführer bei Impfstoffen. Die sehr gut ausgebildeten Menschen arbeiten in Räumlichkeiten und mit technischen Vorrichtungen, die genauso gut bei Schering oder Bayer in Berlin stehen könnten. Es gibt in Indien auch unglaubliche Armut, aber auf der anderen Seite hat Indien auch eine Mittelschicht, die größer als die Einwohnerzahl Deutschlands ist.“ (tk/27.04.02015)