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Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat jede Informationsweitergabe bestritten, durch die der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy von Kinderporno-Ermittlungen gegen ihn hätte erfahren können. Vor dem 2. Untersuchungsausschusses unter Leitung von Dr. Eva Högl (SPD) der SPD-Politiker am Mittwoch, 6. Mai 2015, nachdem er selbst vom damaligen Göttinger Polizeipräsidenten Robert Kruse die Information bekommen habe, habe er mit niemandem über den Verdacht gegen seinen Parteifreund gesprochen. Auch auf andere Weise habe er mit niemandem darüber kommuniziert, ergänzte Pistorius aus Nachfrage.
Wie schon Kruse bei seiner Vernehmung am 23. April gab Pistorius an, sich nicht an das Datum des Telefonats zwischen beiden zu erinnern, sondern nur daran, dass es die zweite Oktoberhälfte 2013 war. Es habe in diesem Zeitraum auch nur dieses eine Gespräch gegeben, in dem ihn Kruse über ein Verfahren unterrichtete, in das „auch Edathy verwickelt sein könnte“. Erst als die Staatsanwaltschaft am 10. Februar 2014 Wohn- und Geschäftsräume des zurückgetretenen SPD-Bundestagsabgeordneten durchsucht habe, sei es zu einem weiteren Gespräch mit Kruse gekommen.
Mehrere Abgeordnete machten in ihren Fragen deutlich, dass sie schwer nachvollziehen könnten, wie man sich bei einer so brisanten Information nicht genauer an den Zeitpunkt oder auch die Umstände erinnern kann, unter denen man sie erhalten hat. Darauf entgegnete Pistorius, ihm sei zwar sofort bewusst gewesen, dass das brisant sei, falls sich der Verdacht bestätigen sollte, doch sei noch gar nicht klar gewesen, ob es überhaupt zu einem Verfahren gegen Edathy kommt.
Von Ende Oktober bis Mitte November 2013, bei den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl, war Pistorius Mitglied der Arbeitsgruppe Innenpolitik, der auch der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann angehörte. Oppermann hatte zu dieser Zeit längst von dem Verdacht gegen Edathy gewusst. Ebenfalls in der Arbeitsgruppe war der Abgeordnete Michael Hartmann (SPD), über den Edathy vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt hatte, er habe ihn wiederholt über die gegen ihn laufenden Ermittlungen informiert.
Pistorius führte dazu aus, es sei dort intensive Sacharbeit geleistet worden, über Edathy habe mit ihm jedenfalls niemand gesprochen. Dass er selbst niemanden darauf angesprochen habe, „entspricht meinem Rechts- und Amtsverständnis“. Er dürfe Informationen über Ermittlungen, die er als Innenminister erhalten habe, nicht weitergeben. Parteiinteressen hätten hier zurückzustehen.
Darauf angesprochen, dass der damalige Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) damals sogar SPD-Chef Sigmar Gabriel unverzüglich über den gerade erfahrenen Verdacht informiert hatte, nach eigener Aussage um Schaden von der gerade entstehenden Koalition abzuwenden, und die Information dann innerhalb weniger Minuten an die SPD-Spitzenpolitiker Dr. Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann weitergereicht wurde, sagte Pistorius: „Die Bewertung des Verhaltens Anderer ist nicht mein Job.“
Zuvor war im Bundeskriminalamt (BKA) während lang dauernder Vorermittlungen in einem internationalen Verfahren niemand bei dem Namen Sebastian Edathy hellhörig geworden, der auf der Kundenliste eines kanadischen Kinderporno-Vertriebs stand. Erst als das BKA am 15. Oktober 2013 Namen von der Liste zur Identitätsprüfung an die verschiedenen Landeskriminalämter (LKA) weitergeben hatte, rief ein Kollege aus dem niedersächsischen Nienburg im BKA an und teilte mit, dass es sich um den Abgeordneten handelte.
Dieser Beamte, Uwe Braun, Leiter des auch für Kinderpornografie zuständigen Fachkommissariats der Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, war nun am 6. Mai ebenfalls Zeuge im 2. Untersuchungsausschuss. Dabei sagte er aus, nicht er selbst habe als erster erkannt, um wen es sich handelte, sondern ein Mitarbeiter seines Kommissariats, der zuerst die Anfrage des LKA in Hannover gesehen und ihn informiert habe. Daneben hätten noch zwei weitere Kollegen davon erfahren.
Noch in derselben Woche habe das LKA mitgeteilt, dass es die Ermittlungen übernehme. Er und sein Kommissariat seinen von da an nicht mehr mit dem Fall befasst gewesen. Erst unmittelbar vor den Durchsuchungen am 10. Februar 2014 habe ihn das LKA dann gebeten, Beamte zur Unterstützung abzustellen. Er selbst sei bei der Durchsuchung der Wohnung Edathys dabei gewesen.
Während die Ermittler vor der Wohnung auf den Schlüsseldienst gewartet hätten, seien ihnen dort „kleine Fragmente elektronischer Bauteile“ aufgefallen. Die Wohnung selbst habe dann den Eindruck gemacht, dass „eine überhastete Flucht stattgefunden“ habe. Im Schlafzimmer seien viele leere Drahtkleiderbügel auf dem Boden verstreut gewesen, im Wohnzimmer Unmengen Papiere herumgelegen, darunter auch geheime Bundestags-Dokumente, außerdem Gerätekabel und andere Gegenstände. (pst/06.05.2015)