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Die Gesundheitsversorgung körperlich und geistig Behinderter muss nach Ansicht von Fachleuten besser auf die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtet werden. So seien viele Arzt- und Zahnarztpraxen nach wie vor nicht barrierefrei. Die Behinderten scheiterten dort nicht nur an baulichen Unzulänglichkeiten, sondern oft auch an den viel zu komplizierten Informationen, erklärten Sachverständige anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Dr. Edgar Franke (SPD) über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/3155) für eine bessere Versorgung von Menschen mit Behinderung am Mittwoch, 6. Mai 2015, im Bundestag.
Verbraucher-, Sozial- und Behindertenfachverbände gaben auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen zu bedenken, dass Behinderte für Ärzte, Pfleger und das Personal in Krankenhäusern einen Mehraufwand bedeuten. Nicht selten werde die Behandlung deshalb als Last empfunden. Es sollten daher möglichst konkrete Vorgaben gemacht werden mit Anreizen, sich um behinderte Patienten angemessen zu kümmern.
Bei der ärztlichen Bedarfsplanung etwa sollte die Barrierefreiheit eine verbindliche Rolle spielen. Verlangt werden auch eine gesonderte Schulung für Studenten, Mediziner, Pflegekräfte und Therapeuten, was den Umgang mit Behinderten angeht, und spezielle medizinische Geräte in Arztpraxen. Die Bundesärztekammer regte an, behindertengerechte Umbauten zu fördern und staatliche Investitionshilfen zu geben.
Sinnvoll wäre nach Ansicht der Gesundheitsexperten eine Ausrichtung der ärztlichen Praxis am „Zwei-Sinne-Prinzip“. Das bedeutet, mindestens zwei der drei Sinne „Hören, Tasten, Sehen“ sollten im Umgang mit Behinderten angesprochen werden. Auch die sogenannte Leichte Sprache wird als wichtiger Zugang zu medizinischen Informationen gehandelt.
Die Caritas wies ferner darauf hin, dass in der Prävention die Einrichtungen der Behindertenhilfe als Lebenswelten eingestuft werden sollten, analog zu den anderen Lebenswelten im Präventionsgesetz, das im Bundestag gerade beraten wird. Behinderte Menschen hätten bestimmte gehäufte Erkrankungsrisiken, die durch Vorbeugung verhindert werden könnten. So seien Menschen mit einer geistigen oder mehrfachen Behinderung häufiger übergewichtig. Mit Angeboten zur gesunden Ernährung und mehr Aktivität könnten gesundheitsbewusstes Verhalten gestärkt und Gesundheitsrisiken reduziert werden.
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe und andere Fachverbände forderten in ihren Stellungnahmen auch gesetzliche Klarstellungen, um Behinderten die nötigen Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zukommen zu lassen. Dazu sei eine Erweiterung des Häuslichkeitsbegriffs nötig. Die Krankenkassen lehnten die Übernahme der Behandlungspflege als Leistung der häuslichen Krankenpflege in Wohnstätten der Behindertenhilfe oft ab und argumentierten, diese Einrichtungen seien kein „geeigneter Ort“ im Sinne des Gesetzes. Behinderte müssten jedoch unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu Leistungen der häuslichen Krankenpflege haben. Demzufolge sollte klargestellt werden, dass auch Wohnstätten der Behindertenhilfe ein „geeigneter Ort“ seien.
Was behinderte Pflegefälle angehe, müsse festgehalten werden, dass Pflegeleistungen von der Behandlungspflege, die der Krankheitsbekämpfung dient, zu unterscheiden sind. Ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege könne immer auch neben einem Anspruch auf Pflege bestehen, argumentieren die Fachverbände. Der Pauschalhöchstbetrag von monatlich 266 Euro decke den Pflegebedarf längst nicht mehr ab.
Ähnlich argumentierte auch der Verbraucherzentrale Bundesverband. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung gab zu bedenken, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen zu diesem Thema gebe und Änderungen in dem Komplex zu erheblichen Mehrkosten führen würden. Nach Ansicht einiger Gesundheitsexperten werden vermutlich erst mit dem geplanten Bundesteilhabegesetz die derzeit komplexen Vorschriften vereinheitlicht und damit auch im Sinne der Behinderten praxistauglich.
Nach Ansicht der Bundespsychotherapeutenkammer werden die häufigen psychischen Erkrankungen von Menschen mit Behinderung oft nur unzureichend berücksichtigt. So seien viele Behinderte depressiv. Psychische Erkrankungen würden bei Behinderten zu selten erkannt, zumal die Diagnostik bei Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung erschwert sei. Eine angemessene Behandlung sei oft nicht möglich. Nötig wären spezialisierte Angebote mit multiprofessionellen Teams.
Ein Sprecher der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben mahnte bei der Anhörung, die Behinderten dürften „nicht mit Teillösungen abgespeist werden“. So sei es keine Lösung, Sondereinrichtungen zu schaffen, um eine als schwierig angesehene Klientel dorthin abzuschieben. Die Versorgung Behinderter ist derzeit Bestandteil der Beratungen über das Präventionsgesetz und das Versorgungsstärkungsgesetz. (pk/06.05.2015)