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Die Affäre um die Verstrickungen von Bundesnachrichtendienst und dem US-Geheimdienst NSA hat am Donnerstag, 21. Mai 2015, erneut zu hitzigen Diskussionen im Deutschen Bundestag geführt. Im Rahmen einer von der Fraktion Die Linke beantragten Aktuellen Stunde griffen Vertreter der Opposition sowohl die Koalition als auch das Bundeskanzleramt massiv an. Die Oppositionsvertreter bekräftigten ihre Forderung, sowohl dem NSA-Untersuchungsausschuss als auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium schnellstmöglich Zugang zu der sogenannten Selektorenliste zu verschaffen. Die Selektoren stehen im Kern der aktuellen Debatte. Die NSA soll mit diesen Suchbegriffen auch Ziele über den BND ausspioniert haben, die deutschen Interessen zuwiderlaufen.
Jan Korte (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, weiter zu vertuschen, zu lügen und Aufklärung zu verhindern. Er konstatierte ein „Desinteresse“ an Grundfreiheiten der Bürger. „Staatsverantwortung“ nehme zurzeit nur die Opposition wahr. Der Linke-Abgeordnete kritisierte zudem den Umgang mit Parlament und Öffentlichkeit.
Den aktuell diskutierten Vorschlag, einen Sonderermittler damit zu beauftragen, die Selektorenliste auszuwerten, lehnte Korte rundum ab. Das wäre eine „völlige Entmachtung des Parlaments“. Dies zu verhindern müsse ein Anliegen aller Abgeordneten sein, forderte Korte.
Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) wies Vorwürfe der Koalitionsfraktion zurück, die Vorwürfe zu skandalisieren. Das Gegenteil sei der Fall: „Wir klären auf“, sagte von Notz – und warf im Gegenzug dem Bundeskanzleramt vor, zehn Jahre lang bei der Fach- und Rechtsaufsicht über den BND „geschlampt“ zu haben.
Zudem seien nach den Snowden-Enthüllungen notwendige Korrekturen bei der Kooperation mit den US-Amerikanern „vorsätzlich“ unterlassen worden. Der Zugang zu den Selektorenlisten müsse hergestellt werden. Wie auch Korte lehnte von Notz einen Sonderermittler ab. „Es geht um die Rechte des Parlaments. Die sind für uns nicht verhandelbar“, sagte der Grünen-Abgeordnete.
Christian Flisek (SPD) betonte, dass für die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses der Einblick in die Selektorenliste wichtig sei. Es sei gerade bei der Befragung der mit den Selektoren befassten BND-Mitarbeiter „sehr unbefriedigend“, darauf nicht zurückgreifen zu können. Allerdings verwies Flisek darauf, dass die Entscheidung über die Übergabe der Liste eine schwierige Abwägung sei, denn die Bundesrepublik sei auf die Kooperation mit den USA angewiesen.
Die Einsetzung eines Sonderermittlers stelle keine „Entmachtung des Parlaments“ dar, sondern sei schon mehrfach praktiziert worden. Es müsse in dieser Sache auch nicht der „letzte Schritt“ sein. Aber dieser „erste Schritt“ müsse zügig gemacht werden. Die Oppositionspolitiker forderte Flisek auf, ihre ablehnende Haltung zu überdenken.
Thomas Strobl (CDU/CSU) warf der Opposition vor, die Komplexität des Sachverhaltes zu verkenne. Es gehe um die innere und äußere Sicherheit Deutschland und seiner Bürger. Daher sei es wichtig, sich damit „ernsthaft und seriös“ zu beschäftigen. Die „Lautstärke“ der Oppositionsvorwürfe stünden in einem „seltsamen Verhältnis der Disproportionalität“ zu den Fakten, meinte Strobl.
Er regte, wie auch Flisek, Reformen an den gesetzlichen Grundlagen der Geheimdienstarbeit an. Sein Fraktionskollege Armin Schuster bezeichnete die Idee, einen Ermittler einzusetzen, als „charmant“. Die Übergabe der Selektorenliste an das Parlamentarische Kontrollgremium oder eine Einsicht über das sogenannte Treptower Verfahren lehnte er hingegen entschieden ab. (scr/21.05.2015)