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Es war der vorläufige, zumindest parlamentarische Endpunkt unter ein heftig diskutiertes und bis zum Schluss umstrittenes Gesetzesprojekt: Am Freitag, 22.Mai 2015, verabschiedete der Bundestag in namentlicher Abstimmung den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit (18/4062), zu dem der Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Beschlussempfehlung vorgelegt hatte (18/4966). Von 586 abgegebenen Stimmen votierten 444 für das Gesetz, 126 dagegen und 16 mit Enthaltung. Ebenfalls abgestimmt wurde in dieser dritten Lesung ein Antrag der Linken zur Verteidigung des Streikrechts (18/4184) und ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/2875), in dem sich die Fraktion gegen eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit ausspricht. Beide Anträge wurden mit Koalitionsmehrheit abgelehnt.
Das Gesetz sieht vor, die Tarifeinheit in einem Betrieb im Falle von Konflikten nach dem Mehrheitsprinzip zu ordnen. Können sich Gewerkschaften mit sich überschneidenden Tarifverträgen nicht einigen, soll künftig nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Die Belange der Minderheitsgewerkschaften sollen durch „flankierende Verfahrensregeln“ berücksichtigt werden. Außerdem sieht der Entwurf vor, das Arbeitsgerichtsgesetz entsprechend den Regelungen zur Tarifeinheit anzupassen. Die Gerichte sollen über den im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag auf Antrag einer Tarifpartei mit bindender Wirkung für Dritte entscheiden.
„Was wir seit 2010 beobachten, macht vielen Menschen sorgen“, begann Andrea Nahles (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, ihre Rede. Gemeint waren Tarifkonflikte kleiner Berufsgenossenschaften seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, in dem die Rechte der kleinen Gewerkschaften gestärkt wurden. Es sei nun Aufgabe der Bundesregierung, Tarifkollisionen in Betrieben zu vermeiden, um die Tarifautonomie zu sichern.
Dafür sei die gesetzlich geregelte Tarifeinheit das richtige Mittel, so Nahles. Diese habe vor 2010 mehr als 60 Jahre lang gegolten und den Gewerkschaften, auch den kleineren, keineswegs geschadet. Nahles warf den Spartengewerkschaften vor, die Einheit der Gewerkschaften zu gefährden, wenn diese nur für ihre eigenen Interessen und nicht für die Belange der ganzen Belegschaft streiken. Sie verwahrte sich klar gegen den Vorwurf, das Streikrecht kleinerer Gewerkschaften einschränken zu wollen.
Klaus Ernst (Die Linke) warf genau dies aber der Bundesregierung vor. „Schon der Titel des Gesetzes ist purer Etikettenschwindel“, sagte er. Wenn die Regierung wirklich etwas für die Tarifeinheit tun wollte, müsste sie die Regeln zu Leiharbeit und Werkverträgen grundlegend umbauen und den Betriebsräten mehr Rechte geben. Mit diesem Gesetz werde aber nichts daran geändert, dass immer mehr Menschen ihre Tarife verlieren, ergänzte Ernst.
Natürlich sei die Regierung nicht so dumm, das Streikrecht direkt abzuschaffen. Aber wenn der Tarifvertrag einer kleineren Gewerkschaft generell keine Aussicht auf Erfolg habe, werde auch ein Gericht einen Streik für diesen Vertrag als nicht zulässig ablehnen. „Sie schränken einen wesentlichen Grundsatz des Grundgesetzes, nämlich den der Freiheit, ein“, warf Ernst der Regierung vor.
Karl Schiewerling betonte für die Unionsfraktion, dass es Ziel des Gesetzes sei, Frieden in die Betriebe hineinzubringen und Stufen zu schaffen, auf denen sich die Gewerkschaften verständigen könnten. „Wir spalten nicht, wir schaffen Strategien, die Gewerkschaften gemeinsam zum Wohle der Beschäftigten gehen können“, sagte er.
Es gehe nicht darum, kleinere Gewerkschaften vor die Tür zu setzen. Vielmehr sollten die Gewerkschaften animiert werden, sich zu einigen, wer für welche Berufsgruppe verhandele. Ob ein Streik zulässig sei, würden auch künftig die Gerichte entscheiden. Mit Blick auf eine drohende Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sagte Schiewerling: „Wir schauen mit gespannter Gelassenheit, was nun kommt.“
Dr. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, bemühte, wie fast alle Redner, Artikel 9 des Grundgesetzes: „Da steht ganz klar drin, dass es frei ist, Vereinigungen zu bilden, und zwar für alle Berufsgruppen. Da steht nichts davon, dass es pro Betrieb nur eine Gewerkschaft geben darf.“
Hofreiter warf der Bundesregierung vor, dass es auch deren Sicht sehr wohl um eine Einschränkung des Streikrechts gehe. „Sonst hätte das Gesetz nämlich gar keinen Sinn“, so der Grüne. Bei der bis 2010 geltenden Tarifeinheit habe es sich um eine andere gehandelt als jene, die jetzt etabliert werden solle. Damals habe nämlich das Spezialitätsprinzip gegolten und nicht das Mehrheitsprinzip, kritisierte Hofreiter.
Bernd Rützel (SPD) ließ sich von diesem Argument nicht beirren: „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag. Das galt 60 Jahre lang und das hat unser Land stark gemacht.“ Wenn jeder sein eigenes Süppchen koche und dies dann auch noch alleine esse, bleiben jene hungrig, die das nicht können oder um die sich niemand kümmere, mahnte Rützel. Auch wenn die Opposition es hundertmal wiederhole, „wir werden das Streikrecht niemals angreifen“, versicherte er.
Die GDL sei eine der ältesten Gewerkschaften Deutschlands und habe auch vor 2010, mit der Tarifeinheit, gut existiert. Das Gesetz trage nun dazu bei, dass sich wieder mehr Tarifgemeinschaften bilden und die Gewerkschaften klären, für welche Berufsgruppen sie jeweils verhandeln, verteidigte Rützel das Vorhaben. (che/22.05.2015)