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Das Prinzip der Nachhaltigkeit soll im Grundgesetz verankert werden, lautete die einhellige Meinung eingeladener Experten in einem öffentlichen Symposium des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung mit mehr als hundert Gästen am Mittwoch, 20. Mai 2015, unter Vorsitz von Andreas Jung (CDU/CSU). Nachhaltigkeit heißt, dass nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren oder künftig wieder bereitgestellt werden kann. "Deutschland muss Vorreiter bei der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung sein", stellte der Vorsitzende zu Beginn klar. Dem Jahr 2015 komme dabei mit der Nachhaltigkeitskonferenz in New York und der Klimakonferenz in Paris eine besondere Bedeutung zu.
„Das Nennen der Nachhaltigkeit nützt nicht viel“
„Die Weltentwicklung ist alles andere als nachhaltig“, begann der frühere Umweltausschuss-Vorsitzende Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker sein Thesenpapier zu zitieren. Weizsäcker forderte deshalb das Nachhaltigkeitsprinzip im Grundgesetz zu verankern. „Das Benennen der Nachhaltigkeit nützt noch nicht viel“, erklärte er, „erst die realen Alltagstätigkeiten, die der Nachhaltigkeit dienen, müssen verändert werden.“
Jährlich würden nach Weizsäckers Angaben etwa 1.000 Milliarden Dollar in die Gewinnung von fossilen Brennstoffen investiert. „Das muss ein Ende haben“, kritisierte er. Das Ziel der Politik solle sein, den Umweltschutz nachhaltig voranzutreiben, ohne ökonomische Nachteile für die Industrie entstehen zu lassen. Neben der Schaffung verfassungsrechtlicher Grundlagen seien weitere Schritte zur Stärkung der Nachhaltigkeit notwendig wie etwa die Einberechnung von sogenannten externen Kosten bei der Produktion, zum Beispiel der Treibhausgasemissionen. "Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen", so von Weizsäcker.
Dieser Auffassung stimmte auch der frühere Bundesumweltminister Prof. Dr. Klaus Töpfer zu. Auch er betonte, dass die gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsse, um die Nachhaltigkeit in den thematischen Mittelpunkt der Gesellschaft zu rücken. „Wir müssen Mitentwicklung ermöglichen, nicht nur Akzeptanz. Mit den Menschen entwickeln, nicht nur für die Menschen“, erklärte Töpfer. Nachhaltigkeit müsse das "leitende Handlungsprinzip unserer Gesellschaft" sein.
Um dies voranzutreiben, forderte er darüber hinaus, den Beirat in der nächsten Legislaturperiode in einen Ausschuss umzuwandeln. „Die Governance, also politischen Strukturen, sind da“, erklärte Töpfer. „Unser Verfahren zur Nachhaltigkeitsförderung wird global beachtet“, so Töpfer. Es müsse nun das Ziel sein, dieses auf andere Länder zu übertragen. Nachhaltigkeit solle das leitende Prinzip jeden Landes sein.
„Nachhaltigkeit lebt heute in vielen Projekten und Initiativen“, fuhr der Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Prof. Dr. Günther Bachmann, fort. Der Diskurs zur Nachhaltigkeit verlaufe jedoch oft nur unter Gleichgesinnten. Er forderte daher, zusätzlich zur Verankerung im Grundgesetz, den Dialog mehr nach außen zu tragen. „Nachhaltigkeit ist relevant für alle Lebensweisen des Menschen“, so Bachmann vor den Beiratsmitgliedern.
Um die Praxis der Nachhaltigkeit zu stärken, sei es wichtig, die relevanten Gruppen zu vernetzen. Jeder müsse im Diskurs mit einbezogen werden. „Die Menschen und Gesellschaft sind lernfähig“, betonte Bachmann, „mit dem Dialog kommen wir ans Ziel“. Die Politik der Nachhaltigkeit müsse aufgewertet werden, eine Verankerung im Grundgesetz sei dringend nötig.
"Den Worten Taten folgen lassen"
Carsten Träger, Obmann der SPD-Fraktion im Beirat, sagte, die Zeit sei reif für die Grundgesetzänderung: "Jeder bekennt sich zum Prinzip, nun sollten wir den Worten Taten folgen lassen." Mit Blick auf die Rolle der Entwicklungs- und Schwellenländer warf Dr. Andreas Lenz, Obmann der Unionsfraktion, die Frage auf, "inwiefern die Einsicht zum Verzicht erst ab einem bestimmten Wohlstandsniveau eintritt."
Um die Menschen mitzunehmen, merkte Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen) an: "Es wäre gut, wenn wir die Entwicklung der Nachhaltigkeit so prominent wie den DAX im Fernsehen platzieren und damit Informationen über den Kohlendioxidausstoß oder die Zahl der Armen zu den Menschen bringen könnten." Birgit Menz, Obfrau der Fraktion Die Linke, unterstrich: "Wir müssen anfangen, auch neue Wege zu gehen und alternative Denkmuster zu entwickeln." (abb/22.05.2015)