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Trotz der Russland-Importbeschränkungen ist der Export landwirtschaftlicher Produkte erneut gewachsen. Zu diesem Fazit kommt der agrarpolitische Bericht 2015 (18/4970), den die Bundesregierung im Kabinett verabschiedet hat. „Jeden vierten Euro verdient die deutsche Landwirtschaft im Export; die Ernährungsbranche sogar jeden dritten Euro“, sagte Christian Schmidt (CSU), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, der den Bericht in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 20. Mai 2015, vorstellte. Damit haben sich laut Bericht die Ausfuhren seit der Wiedervereinigung nahezu vervierfacht. Nach den USA und den Niederlanden ist Deutschland weltweit drittgrößter Agrarexporteur.
Dennoch verzeichnet der Bericht für den Berichtszeitraum 2010 bis 2014 deutliche Einkommensschwankungen bei den Einkommen der Landwirtschaftsbetriebe. Während Ackerbaubetriebe in 2013 und 2014 aufgrund sinkender Preise für Getreide und Zuckerrüben einen Gewinnrückgang von 19 Prozent hinnehmen mussten, konnten die Milchbetriebe seit drei Jahren erstmals wieder ein deutliches Plus von rund 31 Prozent verbuchen.
„Insgesamt ist das Durchschnittseinkommen im Berichtszeitraum gestiegen“, so Schmidt. Allerdings sei jetzt schon absehbar, dass es in den nächsten Jahren wieder sinken werde. Das gelte auch für die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die weiter abnehme: 2013 gab es laut Bericht insgesamt 285.000 landwirtschaftliche Betriebe, rund 14.000 weniger als in 2010. Im Vergleich zu den Vorjahren habe sich der Strukturwandel jedoch verlangsamt, so der Minister.
Als eine der zentralen Herausforderungen der Politik sieht Landwirtschaftsminister Schmidt künftig darin, einen gesamtgesellschaftlichen Dialog zwischen Landwirten und Verbrauchern zu fördern und zwischen den Anforderungen der Verbraucher, der Landwirtschaft und des Umwelt- und Naturschutzes zu vermitteln. „Der gesamtgesellschaftliche Konsens ist brüchig geworden und hat zu einer Entfremdung von Bauern und Bürgern geführt“, konstatierte der CSU-Politiker. Darüber hinaus sei es Ziel der Bundesregierung, mit der Initiative „Eine Frage der Haltung – Neue Wege für mehr Tierwohl“ die Haltungsbedingungen für Nutztiere zu verbessern.
Hier gebe es jedoch noch „deutliche Defizite“, kritisierte Nicole Maisch. Die Sprecherin für Tierschutzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen verwies auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, der zu einem „vernichtenden Urteil“ bezüglich der Haltungsbedingungen von Nutztieren in Deutschland gekommen sei. „Viele Tiere werden unter unwürdigen Bedingungen gehalten“, monierte Maisch und fragte, warum dieses Gutachten nicht in den agrarpolitischen Bericht aufgenommen worden sei. Schmidt widersprach der Grünen: „Nein, das war kein vernichtendes Urteil. Sie sollten den ganzen Bericht lesen.“ Zudem sehe er keinen Anlass, bereits publizierte Gutachten in den Bericht aufzunehmen.
Ein zentrales Problem vieler Landwirte thematisierte die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dr. Kirsten Tackmann: der Anstieg von Pacht- und Kaufpreisen für Äcker. „Böden sind kaum noch bezahlbar. Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun?“, erkundigte sich die Abgeordnete. Der Minister bestätigte die „dramatische Preisentwicklung“ sowohl beim Erwerb als auch bei der Pacht von Boden, die in Ost- und Westdeutschland zu verzeichnen sei. Schmidt kündigte an, die Bundesregierung werde die „Vergabestruktur“ von bundeseigenen Flächen über die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH so anpassen, dass sich junge und investitionswillige Landwirte weiterhin Boden leisten könnten.
Willi Brase, Berichterstatter der SPD-Fraktion für Ländliche Räume, erkundigte sich, ob in der laufenden Legislaturperiode noch mit der geplanten Grundgesetzänderung zu rechnen sei, um die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ sowie „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zusammenlegen zu können. Dies sei für die Entwicklung der ländlichen Räume zentral. Schmidt antwortete, es sei fraglich, ob eine Grundgesetzänderung nötig sei. Hier befinde man sich noch in der Prüfung. „Glücklich“ sei er aber, dass der Bundestag im Nachtragshaushalt ohne die formale Aufgabenerweiterung die nötigen Mittel bewilligt habe.
Dieter Stier (CDU/CSU), Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, kritisierte, dass als Folge der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, die Landwirte „mehr Zeit hinter dem Schreibtisch als mit ihren Tieren verbringen“. „Was werden Sie tun, um die bürokratischen Belastungen für die Landwirte zu mildern?“, fragte der Abgeordnete.
Der Minister räumte ein, er kenne die Klage der Landwirte und versprach, die Bundesregierung werde sich bei der Europäischen Kommission dafür einzusetzen, dass der Aufwand für Bürokratie auf ein „vernünftiges Maß“ begrenzt werde. „Schritte wurden bereits eingeleitet.“ (sas/(20.05.2015)