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Zahlreiche Sachverständige haben am Mittwoch, 10. Juni 2015, im Wirtschaftsausschuss unter Vorsitz von Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) Änderungen an der von der Bundesregierung geplanten Novellierung des Bundesbergrechts (18/4714) gefordert, die Teil eines Gesetzespaketes zur stärkeren Reglementierung der umstrittenen Erdgasfördermethode Fracking ist.
Unter anderem soll die Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen, also künstlich geschaffene unterirdische Hohlräumen zur Speicherung von Erdöl oder Erdgas, ausgeweitet werden. Die Beweislast im Hinblick auf mögliche Bergschäden, die von Tiefbohrungen wie Fracking-Maßnahmen stammen können, soll damit in Zukunft den Unternehmen auferlegt werden.
In der zweistündigen öffentlichen Anhörung des Ausschusses zum Thema begrüßte der Rechtsanwalt Dirk Teßmer zwar grundsätzlich die Ausweitung der Bergschadenshaftung, da sie Geschädigten die Darlegungs- und Beweislast erleichtere. Allerdings gelte sie in der derzeitigen Fassung nur für Schäden infolge von unterirdischem Bergbau. Dabei hätten gerade auch in deutschen Braunkohlerevieren viele Grundstückeigentümer erhebliche Probleme, insbesondere durch die Absenkung beziehungsweise den Wiederanstieg von Grundwasser entstandene Schäden an Gebäuden und Grundstücken erstattet zu bekommen.
Teßmer forderte daher, die Bergschadenshaftung auch auf bergbauliche Tätigkeiten im Tagebau zu erstrecken. Seiner Ansicht nach berücksichtigt das Bundesbergrecht zudem weiterhin zu wenig private und öffentliche Belange, die mit dem Abbau von Bodenschätzen in Konflikt stehen könnten. Um mehr Rechtssicherheit zu schaffen, müssten die Genehmigungsvoraussetzungen für bergbauliche Vorhaben daher vom Gesetzgeber konkretisiert werden, forderte der Anwalt.
Auch Andreas Sikorski vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen (LBEG) empfahl, die Bergschadenshaftung auf weitere Tätigkeiten, etwa den übertägigen Braunkohletagebau oder Porenspeicher, auszuweiten. Die bisher im Bundesbergesetz aufgelisteten Fälle von Bergschäden, wie Senkungen, Pressungen oder Erdrisse sollten zudem, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, um Erderschütterungen ergänzt werden, schließlich habe gerade Niedersachsen stark mit dem Problem induzierter Seismizität, also von menschlichen Aktivitäten verursachten Erdbeben, zu tun.
„Das nehmen wir mit großer Sorge wahr“, erklärte Sikorski. Als gutes Instrument, um die Position der Betroffenen zu stärken, hätten sich die von der niedersächsischen Landesregierung eingerichteten Schlichtungsstellen erwiesen. Deren Einrichtung bezeichnete auch Rechtsanwalt Teßmer als sinnvoll.
Hans-Ulrich von Mäßenhausen, ebenfalls Rechtsanwalt, betonte, die Bergschadenshaftung gelte für Schäden, die tatsächlich „bergbautypisch“ seien, beispielsweise Risse in der Hauswand. Dem Geschädigten würde in diesem Fall die Beweislast für die Verursachung des Schadens abgenommen. Künftig müsse das Bergbauunternehmen nachweisen, dass es den Schaden nicht verursacht hat.
In seiner schriftlichen Stellungnahme warnte von Mäßenhausen aber davor, die Umkehr der Beweislast so auszugestalten, „dass alle nicht ganz entfernt liegenden Schäden zuerst dem Bergunternehmer angelastet werden“. Schließlich könnten Auswirkungen auf die Erdoberfläche ihre Ursachen auch in geologischen Ereignissen, wie Erdrutschen oder Grundwasserspiegelschwankungen aufgrund von Regenfällen haben.
Thorben Gruhl vom Aktionsbündnis No Moor Fracking kritisierte, dass die Bergschadenshaftung nicht für Gebäudeschäden infolge von Erdstößen gelten solle, die infolge der Entnahme von Erdgas, der Anwendung von Fracking oder des Verpressens von Lagerstättenwasser in die Erde entstehen könnten. Zudem erweise sich die Beweislastumkehr im Gesetzentwurf als „zahnloser Tiger“: „Es genügt bereits die bloße Möglichkeit, dass auch ein Dritter den Schaden verursacht haben kann, und schon stehen die Betroffenen wieder auf der Straße“, warnte Gruhl.
Das Vorhaben der Bundesregierung eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für Fracking-Vorhaben einzuführen, wertete er ebenfalls als „reines Placebo“. So fehle es im Hinblick auf Fracking an jeglichen fachrechtlichen Prüfkriterien. Gruhl stufte die volkswirtschaftliche Bedeutung heimischer Erdgasförderung mittels Fracking zudem als gering ein. Derzeit würde nur 0,8 Prozent des Energiebedarfs aus deutschem Fracking gedeckt. Würde künftig Schiefergas gefördert, wären es nicht mehr als zwei bis drei Prozent. „Das wird uns keine energiepolitische Unabhängigkeit sichern“, betonte Gruhl.
Dem widersprachen Burkhard Grundmeier vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG) und Franz-Gerd Hörnschemeyer von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Hörnschemeyer verwies darauf, dass die konventionellen Erdgas-Lagerstätten noch etwa zehn bis 15 Jahre reichen würden. Für die langfristige Zukunftsfähigkeit der Branche sei es daher überaus wichtig, die Schiefergas-Lagerstätten zu erkunden. Ihr Beitrag zur Energieversorgungsicherheit sei „außerordentlich hoch“, heimisches Erdgas stelle somit ein wichtiges Korrektiv gegenüber Importen dar.
Grundmeier legte das Augenmerk auch auf die 20.000 direkt und indirekt in der Erdgasproduktion Beschäftigen in Deutschland. Zudem decke die deutsche Produktion derzeit zwölf Prozent des deutschen Erdgasbedarfs. „Jeder Kubikmeter Erdgas, den wir in Deutschland fördern, müssen wir nicht importieren.“ Die fehlende Planungssicherheit der vergangenen Jahre habe bereits Arbeitsplätze gekostet und Investitionen verhindert, erklärte Grundmeier. „Dieser Zustand ist nicht akzeptabel.“
In seiner schriftlichen Stellungnahme kritisierte Grundmeier außerdem die geplanten Regelungen zur Bergschadensvermutung. „Es bestehen weder Unklarheiten in der Rechtsanwendung noch ist der Rechtsschutz Geschädigter unzureichend“, heißt es darin. Zudem sei die Erdgasgewinnung insbesondere im Vergleich mit dem untertägigen Steinkohlebergbau „weder typisch schadenverursachend noch wohnt ihr die Besonderheit der erschwerten Beweisführung im Falle unterirdisch verursachter Kausalketten inne“.
Er schlägt daher vor, die Durchsetzung möglicher Ansprüche des Bürgers gegen Erdgasproduzenten durch die Schaffung von Schlichtungsstellen auf Länderebene „erheblich zu vereinfachen“.
Der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, betonte, beim Einsatz der Fracking-Technologie, die in Deutschland bereits seit fünf Jahrzehnten zum Aufschließen von dichtem Sandstein angewendet werde, sei es bisher zu keinem Schadensfall gekommen. „Die Geowissenschaft reibt sich die Augen über die Diskussion in Deutschland“, erklärte er und rief zugleich zu einer „gewissen Beruhigung in der Debatte“ auf.
So sei die in den Gesetzentwürfen der Bundesregierung getroffene Regelung, Fracking nur ab einer Tiefe von mindestens 3.000 Metern zu erlauben und damit mit möglichst großem Abstand zum Trinkwasser, aus geowissenschaftlicher Sicht „nicht sinnvoll“. Entscheidend für den Schutz des Grundwassers sei nicht die Tiefe, in der gefrackt werde, sondern die geologische Beschaffenheit des Untergrundes. Geologische Barrieren verhinderten in vielen Regionen, dass Frac-Fluide oder Lagerstättenwasser eindringen könnten, versicherte Kümpel. Voraussetzung für die sichere Anwendung von Fracking sei daher eine Tiefenerkundung, bevor mit der Bohrung begonnen werde. (joh/10.06.2015)