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Ob es nun Glück war oder seherische Fähigkeiten dahintersteckten - das Timing war hervorragend. Alle zwei Jahre trifft sich die Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission zu einer Kurztagung im Deutschen Bundestag. Das Thema der langfristig geplanten Veranstaltung am Freitag, 19. Juni 2015, hieß: „Parlamentsbeteiligung bei außenpolitischem Handeln der Bundesregierung“. Und das in der Woche, in der die „Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ ihren Abschlussbericht vorlegt hat und an dem Tag, an dem allein drei namentliche Abstimmungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr auf der Tagesordnung des Bundestages standen.
Prof. Dr. Michael Eichberger, Richter am Bundesverfassungsgericht und Vorsitzender des Präsidiums der Deutschen Sektion der Internationalen Juristen-Kommission, kam denn auch um ein angemessenes Maß an Eigenlob nicht herum. Erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass es gelungen war, mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Volker Rühe den Vorsitzenden der sogenannten Rühe-Kommission als Referent zu gewinnen.
Dass die Parlamentsbeteiligung beim außenpolitischen Handeln der Bundesregierung nicht nur auf Bundeswehreinsätze beschränkt sei, machte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert in seinem Grußwort an die Tagungsteilnehmer deutlich. Auswärtige Angelegenheiten seien zu der Zeit, als er erstmals dem Bundestag angehörte, „Zuständigkeiten der Exekutive“ gewesen. Aber auch später – etwa im Prozess der europäischen Einigung – seien die Parlamente lediglich für die Ratifizierung der durch die Regierungen ausgehandelten Verträge zuständig gewesen. „Das ist für Gestaltungsehrgeiz eine relativ dürftige Perspektive“, setzte er hinzu.
Nicht zuletzt aufgrund dieser abgeschlossenen und ratifizierten Verträge habe sich aber eine völlig neue Architektur der politischen Zuständigkeiten innerhalb der EU ergeben. Es gebe inzwischen eine Notwendigkeit parlamentarischen Mitwirkens an ehemals auswärtigen Angelegenheiten. So existiere im Kontext der Griechenland-Frage nicht nur ein Mitwirkungsrecht, sondern eine Beteiligungsnotwendigkeit. Schon für die Erlaubnis über Hilfsprogramme zu verhandeln, habe die Bundesregierung eine Ermächtigung des Parlaments benötigt. „Selbstverständlich bedarf auch jeder rechtsverbindliche Abschluss solcher Verhandlungen der Zustimmung des Bundestages“, betonte der Bundestagspräsident.
Volker Rühe machte anschließend schon zu Beginn seiner Rede deutlich, dass die Pflicht zur Beteiligung des Parlaments an Entscheidungen über Einsätze der Bundeswehr „kein Hindernis“ sei. „Wenn man die Mitwirkung des Bundestages beschneidet, hat man keine Chance, sich verständlich zu machen“, sagte der ehemalige Verteidigungsminister. Ausgangspunkt der Arbeit der Kommission sei im Übrigen nicht etwa die zehnjährige Existenz des Parlamentsbeteiligungsgesetzes gewesen.
Vielmehr habe sich angesichts veränderter militärischer Strukturen und einer verstärkten Zusammenarbeit innerhalb Europas die Frage gestellt, wie die Parlamentsbeteiligung gesichert werden könne, sagte Rühe und stellte klar: „Es gibt auf der einen Seite keine nationalen Armeen mehr.“
Auf der anderen existiere aber auch keine „europäische Armee“. Europa habe sich in gegenseitige Abhängigkeiten begeben, was auch richtig sei. „Neue, teure Waffensystem können nur gemeinsam beschafft und betrieben werden“, sagte er und verwies auf das Beispiel der Möglichkeit der Luftbetankung, die nicht von jeder Armee vorgehalten werden können.
Seine Kommission habe nun als zentralen Punkt vorgeschlagen, dass die Bundesregierung einmal pro Jahr gegenüber dem Bundestag erläutern müsse, worin die gegenseitigen Abhängigkeiten lägen und welche Rolle deutsche Kräfte dabei spielen würden. Das sei aber keine Einsatzentscheidung auf Vorrat, betonte er. „Am Ende entscheidet der Bundestag – aber im Wissen über diese Abhängigkeiten.“
Weiter sagte Rühe, die Kommission habe sich für verschiedene Einsatztypen ausgesprochen. Danach sei etwa ein Ausbildungseinsatz nicht mandatspflichtig. Außerdem sprach sich der ehemalige Verteidigungsminister für mehr Flexibilität bei den Mandaten aus. Sowohl was die personelle Obergrenze, den geografischen Einsatzbereich als auch die Bewaffnung angeht, müsse es für die Regierung mehr Spielraum geben, um auf Krisen reagieren zu können, forderte er.
Um „Routinedebatten“ zu verhindern, wie sie derzeit vor Einsatzentscheidungen im Bundestag geführt würden, solle zudem das im Parlamentsbeteiligungsgesetz geregelte „vereinfachte Verfahren“ – das laut Gesetz angewandt werden kann, wenn es sich um Fälle von geringer Intensität und Tragweite handelt – neu belebt werden. Dazu solle die Möglichkeit geschaffen werden, dass eine Fraktion sich mit der Behandlung des Antrags im vereinfachten Verfahren einverstanden erklärt, „dem Antrag in der Sache aber nicht zustimmt“. Bislang sei die Akzeptanz des Verfahrens als Zustimmung zu dem Einsatz gewertet worden, erläuterte der Kommissionsvorsitzende. (hau/19.06.2015)