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Kroatische Arbeitskräfte können ab 1. Juli 2015 in Deutschland ohne Einschränkung tätig werden. Außerdem dürfen kroatische Firmen ihre Mitarbeiter nach Deutschland entsenden. Das hat das Bundeskabinett nun beschlossen. „Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine wichtige Errungenschaft. Für die Mehrheit der Menschen ist sie sogar das wichtigste EU-Bürgerrecht“, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die die Entscheidung in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 17. Juni 2015, begründete.
Seit Kroatiens Beitritt zur Europäischen Union zum 1. Juli 2013 galten Übergangsregelungen die für kroatische Arbeitnehmer. Diese werde die Bundesregierung nicht verlängern, kündigte Nahles an: „Die Bundesregierung wird der Europäischen Kommission mitteilen, dass Deutschland die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit für kroatische Staatsangehörige nicht länger einschränkt.“
Als Grund, weshalb die Bundesregierung darauf verzichte, die Übergangsregelungen zu verlängern, nannte die Ministerin „gute Erfahrungen mit kroatischen Arbeitnehmern“. Diese seien meist gut integriert und qualifiziert. Zudem arbeiteten sie vor allem dort, wo zunehmend Arbeitskräfte in Deutschland fehlten: auf dem Bau, im verarbeitenden Gewerbe sowie im Gesundheits- und Sozialwesen. Daher trage die Aufhebung von Beschränkungen zur weiteren Fachkräftesicherung bei.
Wirtschaft und Arbeitsmarkt seien in guter Verfassung. Aufgrund des eingeführten Mindestlohns sehe sie auch „keine Gefahr von Lohndumping“. „2014 waren 93.000 Kroatinnen und Kroaten in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt“, sagte Nahles. Wenn sich der deutsche Arbeitsmarkt am 1. Juli vollständig für sie öffne, werde mit jährlich etwa 10.000 weiteren kroatischen Arbeitskräften gerechnet.
Die Öffnung gelte außerdem für kroatische Bau-, Gebäudereinigungs- und Innendekorationsfirmen, erklärte Nahles. Diese könnten nun ihre Arbeitnehmer uneingeschränkt entsenden und ihre Dienstleistungen in Deutschland anbieten. Das sei ein weiterer Schritt in Richtung Integration: „Europa wächst zusammen. Davon profitieren wir alle.“
Brigitte Pothmer, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik von Bündnis 90/Die Grünen, erinnerte daran, dass sich ihre Fraktion stets für die volle Freizügigkeit von Anfang an ausgesprochen habe. „Wir sind deshalb froh, dass nun die Einschränkungen enden“, so Pothmer. Von Nahles wollte die Abgeordnete wissen, ob es Hinweise gebe, wie viele Kroaten in den vergangenen zwei Jahren ohne Arbeitserlaubnis nach Deutschland gekommen seien.
Dies musste die Ministerin verneinen: „Mir liegen keine Informationen zur illegalen Beschäftigung von Kroaten vor.“ Da aber die Beschränkungen für Akademiker, Auszubildende und Saisonarbeitskräfte bereits gelockert worden seien, könne die Zahl nicht hoch gewesen sein, vermutete Nahles: „Die legalen Zugangswege waren schon gut geöffnet.“
Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, fürchtete angesichts der wachsenden Zahl junger und gut qualifizierter Kroaten, die ihre Heimat in Richtung Deutschland verlassen, die Gefahr eines „Brain Drains“ in Kroatien. „Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, wirtschaftliche schwache Regionen in Deutschland, aber auch in Kroatien und der EU zu stärken?“, erkundigte sich die Abgeordnete.
Nahles stimmte Krellmann zwar grundsätzlich zu, dass die Gefahr bestehe und die Situation beobachtet werden müsse. Ein „Schaden“ für Kroatien sei jedoch bislang nicht festzustellen. Im Gegenteil: Kroaten, die im Ausland arbeiten, seien auch für die kroatische Volkswirtschaft ein Gewinn. Ihre Auslandsüberweisungen verbesserten das Einkommen der Familien zu Hause und stärkten so die kroatische Binnenwirtschaft, so die Arbeitsministerin.
Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU), Mitglied im Ausschuss Arbeit und Soziales, fragte diesbezüglich nach, ob der Ministerin genaue Zahlen vorlägen, in welcher Höhe Auslandsüberweisungen zuletzt getätigt worden seien, und fragte nach den „Push-Faktoren“ für junge Kroaten, in Deutschland eine Arbeit aufzunehmen. Nahles rechnete zunächst vor, dass 2013 „700 Millionen“ auf diesem Weg nach Kroatien transferiert worden seien. „Das macht 1,6 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsproduktes aus“, sagte Nahles.
Die Hoffnung auf Arbeit, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen nannte sie als die wichtigsten Push-Faktoren für junge Kroaten, nach Deutschland zu kommen. „Kroatien hat das drittniedrigste Pro-Kopf-Einkommen, das ist nur ein Indikator für die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes“, sagte die Ministerin. „Ich hoffe aber, dass die aktuellen Anzeichen der Erholung zu einem Push-Effekt für ganz Europa führen.“
Josip Juratovic (SPD), selbst im früheren Jugoslawien, heute Kroatien, geboren, zeigte sich froh über die Aufhebung der Beschränkungen. Ihn interessierte, ob die übrigen EU-Mitgliedstaaten ebenfalls ihre Restriktionen für Kroaten auf dem Arbeitsmarkt abbauten: „Ist Ihnen bekannt, wie sich die anderen verhalten?“, fragte der Abgeordnete die Ministerin.
Diese musste einräumen, dass sie dies nicht wisse. „Viele werden aber beobachten, wie Deutschland sich verhält.“ (sas/17.06.2015)