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Der Bundestag setzt am Donnerstag, 2. Juli 2015, seine Beratung zum Thema Sterbebegleitung fort. In der auf zwei Stunden angesetzten Debatte wird über vier Gesetzentwürfe diskutiert, die aus den Reihen der Abgeordneten erarbeitet worden sind und über die im Herbst ohne die sonst übliche Fraktionsdisziplin abgestimmt werden soll. Das Parlament hatte am 13. November 2014 erstmals in einer sogenannten Orientierungsdebatte über das heikle Thema Sterbebegleitung beziehungsweise Sterbehilfe diskutiert, wobei die Abgeordneten in der emotionalen Aussprache neben politischen Positionierungen auch persönliche Erfahrungen vorbrachten.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Vier fraktionsübergreifende Gruppen von Abgeordneten haben Gesetzentwürfe vorgelegt: eine Gruppe um die Abgeordneten Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Petra Sitte (Die Linke) und Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) nennt ihren Gesetzentwurf "über die Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung" (18/5375). Eine weitere Gruppe um die Abgeordneten Prof Dr. Patrick Sensburg, Thomas Dörflinger, Peter Beyer und Hubert Hüppe (alle CDU/CSU) hat einen Entwurf "über die Strafbarkeit der Teilnahme an einer Selbsttötung" (18/5376) eingebracht.
Die dritte Gruppe um Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU/CSU), Dr. Carola Reimann, Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach und Burkhard Lischka (alle SPD) hat ihren Entwurf "zur Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung (18/5374) betitelt. Der Gesetzentwurf der vierten Gruppe um die Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU), Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Die Linke) und Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) bezieht sich auf die "Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" (18/5373).
Unterschieden wird zwischen der aktiven, passiven und indirekten Sterbehilfe. Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland als Tötung auf Verlangen strafbar, passive und indirekte Sterbehilfe nicht. Bei der passiven Sterbehilfe werden lebensverlängernde medizinische Maßnahmen entsprechend dem Patientenwillen nicht eingeleitet, nicht fortgesetzt oder abgebrochen. Bei der indirekten Sterbehilfe bekommt der Patient zur Schmerzlinderung medizinisch gebotene Mittel, die als unvermeidbare Folge eine lebensverkürzende Wirkung haben.
Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland nicht strafbar, Selbstschädigung auch nicht. Bei Verwendung bestimmter Substanzen kann sich ein Suizidhelfer jedoch nach dem Betäubungsmittelrecht strafbar machen. Zudem sieht die sogenannte Garantenpflicht vor, dass derjenige, der eine Selbsttötung begleitet, also etwa ein Arzt, unter Umständen dazu verpflichtet ist, einem bewusstlosen Menschen, der sterben will, Hilfe zu leisten. Andernfalls könnte dies als unterlassene Hilfeleistung oder Totschlag gewertet werden.
Liegt allerdings eine eindeutige Willensbekundung des Menschen vor, der sterben möchte (Patientenverfügung), wird von der sogenannten Garantenpflicht abgesehen. Rechtlich schwierig ist gleichwohl die Unterscheidung zwischen der strafbaren Tötung auf Verlangen und der straflosen Beihilfe zum Suizid. Die Mediziner betonen, dass Ärzten in Deutschland die Beihilfe zum Suizid nach dem Berufsrecht verboten sei. So verpflichte das Berufsethos den Arzt, Hilfe zum Leben zu leisten, nicht Hilfe zum Sterben.
Umstritten ist die organisierte Sterbehilfe. Damit sind Organisationen gemeint, die ideell (Vereine) oder kommerziell ausgerichtet sein können und für die es keine speziellen rechtlichen Regelungen gibt. Richter haben in Deutschland kommerziell ausgerichtete Angebote aber schon untersagt, weshalb der "Sterbetourismus" beispielsweise in die Schweiz, wo die Regeln lockerer und einschlägige Medikamente verfügbar sind, Zulauf hat. In der Orientierungsdebatte wurde deutlich, dass eine große Mehrheit der Abgeordneten jede Form von kommerzieller Sterbehilfe strikt ablehnt.
Daneben geht es um die Kompetenz und Rechtssicherheit für Ärzte. Manche Abgeordneten wollen, dass den Medizinern der ,,begleitete Suizid" unter bestimmten Voraussetzungen vorbehalten bleibt, andere lehnen die ärztlich assistierte Selbsttötung ab. Die Bundesärztekammer verweist auf ihre Musterberufsordnung von 2011, wonach ,,die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe" ist. Allerdings ist die Regelung nicht verbindlich, der Passus wurde nicht von allen Landesärztekammern wortgleich übernommen.
In der Orientierungsdebatte wiesen zahlreiche Redner darauf hin, dass der Wunsch zu sterben oft stark geprägt ist von der Angst vor Schmerzen, Qual und Fremdbestimmung am Ende des Lebens. Daher müsse zunächst die Hospiz- und Palliativversorgung verbessert werden. Inzwischen ist ein solcher Gesetzentwurf (18/5170) bereits in erster Lesung behandelt worden. (pk/23.06.2015)