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Nicht weniger als 15 Sachverständige haben am Montag, 29. Juni 2015, im Finanzausschuss unter Vorsitz von Ingrid Arndt-Brauer (SPD) kontrovers zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung Stellung genommen, mit dem eine Reihe von Steuergesetzen in vielerlei Punkten geändert werden soll. Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Europäischen Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (18/4902) setzt die Bundesregierung eine Zusage um, die sie dem Bundesrat im Zusammenhang mit einem früheren Gesetzgebungsverfahren gemacht hat. Zusätzlich zu den von Länderseite gewünschten Gesetzesänderungen bringt die Bundesregierung auch eigene Vorhaben ein.
Die Vielzahl der Sachverständigen hat auch mit den vielen Aspekten der geplanten Änderungen und deren womöglich ungewollten Folgen zu tun. So war der Verband der Universitätsklinika Deutschlands vertreten, da dieser befürchtet, dass mit der Neuregelung Kooperationen von Unikliniken mit Universitäten umsatzsteuerpflichtig werden könnten, was für die Krankenhäuser nach Einschätzung des Verbandes Kosten von mehreren Hundert Millionen Euro im Jahr verursachen könnte.
Wichtigster Punkt aber ist die geplante Änderung des Umwandlungssteuergesetzes. Dieses regelt zum einen die steuerlichen Folgen der Umwandlung eines Unternehmens oder einer sonstigen Körperschaft in eine andere Rechtsform, also zum Beispiel einer GmbH in eine Aktiengesellschaft. Es erfasst aber auch Umstrukturierungen, bei denen beispielsweise ein Unternehmen in einem anderen aufgeht oder sich mehrere Unternehmen zu einem zusammenschließen.
Dabei geht es vor allem darum, sogenannte kreative Steuergestaltung zum Nachteil der öffentlichen Hand zu verhindern.
Hintergrund sind Fälle wie der VW-Porsche-Deal, bei dem das eingebrachte Unternehmen nicht verkauft, sondern gegen Anteile an dem aufnehmenden Unternehmen eingetauscht wird. Wie der Richter am Bundesfinanzhof und Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages, Jürgen Brandt, ausführte, soll mit der Neuregelung der Grundsatz, dass Gewinne aus dem Verkauf eines Betriebes zu versteuern sind, auf die Einbringung von Betrieben in einen anderen übertragen werden.
Ein strittiger Punkt war, dass die steuerliche Neuregelung solcher Umwandlungen rückwirkend zum 1. Januar 2015 in Kraft treten soll. Ein Teil der Sachverständigen nannte dies verfassungswidrig. Andere Experten dagegen bezeichneten es als verfassungsrechtlich unproblematisch, da zu diesem Stichtag bekannt war, dass es eine Neuregelung geben wird. Mit der Stichtagsregelung soll verhindert werden, dass vor dem zum 1. Januar 2016 geplanten Inkrafttreten des Gesetzes noch schnell solche Umwandlungen allein zum Zweck der Steuervermeidung vorgenommen werden.
Allerdings kam von Wirtschaftsseite der Hinweis, dass derzeit betrieblich gebotene Umwandlungen auf Eis lägen, weil von den Finanzämtern keine verbindliche Auskunft über die steuerlichen Folgen zu bekommen sei. Kritik gab es zudem von unterschiedlichsten Seiten an einzelnen Detailregelungen, die auch in Zukunft dazu führen könnten, dass betrieblich sinnvolle Umwandlungen aus steuerlichen Gründen unterbleiben.
Bei einer Reihe von Änderungsvorhaben gab es Kritik an der knappen Frist bis zum Inkrafttreten. Denn auch wenn alles glatt geht, wird der Gesetzentwurf erst im Herbst vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet werden, um dann schon zum Jahreswechsel wirksam zu werden.
Die Vertreter der Bundessteuerberaterkammer und von Wirtschaftsberatern mahnten, für die Beratung der Kunden, aber beispielsweise auch für die Umstellung der Software bei den Steuerpflichtigen verbleibe zu wenig Zeit. Sie verlangten an einigen Stellen angemessene Übergangsfristen.
Zu den weiteren strittigen Punkten gehört die Frage der Umsatzbesteuerung von Einnahmen der öffentlichen Hand, die unter anderem der Deutsche Städtetag als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände problematisierte. Die Regelung in der jetzt geplanten Form führe zu einer großen Unsicherheit bei Gemeinden, ob auf unterschiedlichste Einnahmen bis hin zu Parkgebühren künftig Mehrwertsteuer fällig werden könnte.
Andererseits machte der Zentralverband des Deutschen Handwerks darauf aufmerksam, dass Kommunen in bestimmten Bereichen wie dem Straßenbau auch als Konkurrenten privater Unternehmen aufträten. Dafür dürften sie nicht auch noch einen Steuervorteil erhalten. Beide, Handwerk und kommunale Spitzenverbände, warben bei den Abgeordneten für einen Lösungsvorschlag, den sie gemeinsam erarbeitet haben.
Ein besonders heftig kritisierter Punkt in dem Gesetzentwurf war eine geplante Neuregelung, nach der Gemeinden, auf deren Gebiet Windkraftanlagen oder Fotovoltaik-Anlagen stehen, dafür Gewerbesteuer erheben dürfen, auch wenn der Betreiber in einer anderen Gemeinde seinen Sitz und die dazugehörigen Arbeitsplätze hat. Ziel der Neuregelung ist es, Gemeinden einen Anreiz zu geben, Anlagen nach
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zuzulassen. Als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung soll die „Summe der installierten Leistung“ gelten. Der Vertreter der Deutschen Steuer-Gewerkschaft nannte dies einen „außersteuerlichen Begriff“ und die Regelung für Finanzämter nicht handhabbar.
Kritik kam aber auch vom Deutschen Städtetag. Sinn der Gewerbesteuer sei es, einen Ausgleich für Ausgaben zu schaffen, die einer Gemeinde durch die vorhandenen Arbeitsplätze entstehen, beispielsweise für den öffentlichen Personennahverkehr und für Bildungseinrichtungen. (pst/30.06.2015)