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Delegation im Sami-Parlament in Norwegen: vorne in der Mitte Franz Thönnes, rechts daneben Sami-Präsidentin Aili Keskitalo, hinten rechts Botschafter Axel Berg. © Sami-Parlament
Energiekooperation, Fehmarnbelt-Tunnel, gemeinsamer Arbeitsmarkt – der Blick auf drei der Themen, mit denen sich die Mitglieder der Deutsch-Nordischen Parlamentariergruppe auf ihrer Delegationsreise nach Dänemark und Norwegen im Juni beschäftigten, beweist es: Ob Politik, Wirtschaft oder Kultur – Deutschland und Skandinavien sind in vielerlei Hinsicht verflochten. Dass die Beziehungen so eng sind, daran hat auch die Parlamentariergruppe des Bundestages einen Anteil: Sie pflegt den Kontakt zu den Abgeordneten in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden.
„Es geht uns um einen Erfahrungsaustausch zum gegenseitigen Verstehen, Einblicke in die Praxis parlamentarischer Arbeit in den Partnerländern, eine Vertiefung der Zusammenarbeit“, umreißt Franz Thönnes (SPD) die Ziele Parlamentariergruppe, die er mit kurzer Unterbrechung seit 1998 leitet. Gerade die informelleren Bande zwischen Parlamentariern können hilfreich sein, besonders in Zeiten, in denen die Kontakte auf Regierungsebene weniger intensiv oder sogar konfliktreich sind.
Thönnes versteht die kontinuierliche Kontaktpflege der Parlamentariergruppe nicht umsonst auch als „präventive Arbeit“, um die Probleme in den Beziehungen erst gar nicht entstehen zu lassen: „Nur weil die Beziehungen zu den nordischen Ländern gut sind, dürfen wir sie nicht vernachlässigen. Das wäre grundfalsch. Wo wären wir dann im Fall eines Problems ohne unsere Kontakte?“ In dieser Hinsicht sieht der stellvertretende außenpolitische Sprecher der SPD sich und seine Kollegen in der Rolle von „Lobbyisten für gute parlamentarische Beziehungen“: „Unsere Arbeit besteht im Kern in der Pflege des guten Klimas und der Förderung des Dialogs.“
Und den Dialog führt die Parlamentariergruppe bereits seit über 40 Jahren. Die Vorläufer der heutigen Gruppe, die Deutsch-Finnische Parlamentariergruppe und die Deutsch-Skandinavische Kontaktgruppe, wurden bereits 1965 und 1971 gegründet. 1994 wurden die Gruppen zusammengefasst; seit 2002 lautet der Name offiziell Deutsch-Nordische Parlamentariergruppe. 56 Abgeordnete gehören dem überfraktionellen Zusammenschluss heute an.
Um die Kontakte in den Norden aufrechtzuerhalten, empfängt die Gruppe nicht nur parlamentarischen Besuch aus Skandinavien und Finnland, sondern ist auch selbst zwei Mal pro Wahlperiode unterwegs: Zuletzt besuchte eine Delegation, zu der neben Thönnes auch die Abgeordneten Gero Storjohann (CDU/CSU), Cornelia Möhring (Die Linke), Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen), Stephan Albani (CDU/CSU), Thomas Stritzl (CDU/CSU) und Hiltrud Lotze (SPD) gehörten, vom 1. bis 6. Juni 2015 Dänemark und Norwegen. Das Programm: eine Mischung aus Themen, die die Deutschen, Dänen und Norweger derzeit bewegen. So etwa der Bau des Fehmarnbelt-Tunnels in der Ostsee, der künftig Dänemark und Ostholstein verbinden soll.
Es ist das größte Infrastrukturprojekt im Norden – doch in Deutschland nicht unumstritten: Zwar trägt Dänemark die Kosten fast allein, doch in Schleswig-Holstein fürchten viele den Lärm, wenn in Zukunft über eine noch zu bauende neue „Hinterlandanbindung“ noch mehr Güterzüge und Laster rollen. Während die Dänen mit Hochdruck arbeiten, um den Tunnel bis 2022 fertigzustellen, kommen die Deutschen nur zögerlich mit dem Bau von neuen Straßen und Gleisen voran.
Anlass für Verstimmung zwischen Deutschland und Dänemark? Der Vorsitzende der Parlamentariergruppe, dessen eigener Wahlkreis Segeberg – Stormarn-Mitte auch in Schleswig-Holstein liegt, winkt jedoch ab. Beide Seiten arbeiteten an einem gemeinsamen Zeitplan. Dennoch statteten die Deutschen der für den Bau zuständigen Projektgesellschaft einen Besuch ab.
Genauso wie dem Staatssekretär im norwegischen Öl- und Energieministerium: „Deutschland ist der wichtigste Gas-Kunde Norwegens. Das Land investiert stark in diese Kooperation“, erläutert Thönnes den Hintergrund des Treffens. Doch die Energiewende habe die Norweger zunächst verunsichert. „Natürlich sind sie an Planungssicherheit interessiert, und die wird jetzt mit den letzten energiepolitischen Entscheidungen gegeben“, so der Abgeordnete.
Und „eines der wichtigsten gemeinsamen Energieprojekte“, das Stromkabel „NordLink“, werde beide Länder künftig noch enger miteinander verbinden: Die geplante Trasse zwischen dem schleswig-holsteinischen Wilster und dem norwegischen Tonstad soll ab 2018/2019 den Austausch erneuerbarer Energien, insbesondere von Wasserkraft und Windenergie, erleichtern.
Einen weiteren Schwerpunkt der Reise bildeten Gespräche im Nordischen Rat: Das 1952 gegründete interparlamentarische Forum sei gerade bei der Schaffung einer Passunion und der damit verbundenen Freizügigkeit für Arbeitnehmer „wegweisend“ gewesen, lobt Thönnes. „Zwischen Schweden, Dänemark und Deutschland ist in den vergangenen Jahren ein gemeinsamer Markt auch in der Arbeitswelt gewachsen“, erklärt er. Da sei es lohnend, sich die Tätigkeit des Forums genauer anzusehen. „Der Nordische Rat ist auch heute noch in gewisser Hinsicht ein Vorbild für die EU.“
Vorbild für Deutschland seien die nordischen Länder auch schon in anderen Politikfeldern gewesen: „Ob Sozialpolitik, Bildung, Kinderbetreuung oder die Gleichstellung von Mann und Frau: Die Fortschrittlichkeit hat uns schon immer fasziniert“, sagt Thönnes, der sich bereits früh mit deren Sozialstaatsphilosophie beschäftigte. Dänen, Isländer, Norweger, Schweden und Finnen beobachten Deutschland hingegen vor allem aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke mit Aufmerksamkeit. „Für viele gehören wir zu den wichtigsten Handelspartnern. Da hieß es in der Vergangenheit schon mal: Ihr Deutschen seid die Wirtschaftslokomotive, schaut zu, dass ihr Fahrt aufnehmt!“
Seien es vor Jahren noch meist sozialpolitische Fragen gewesen, in denen der Austausch mit Parlamentariern aus den Norden gesucht wurde, bestimmten später wirtschaftliche Themen, Energie, Umwelt- und Klimaschutz die Gespräche, berichtet Thönnes. Aktuell beschäftigt sich die Parlamentariergruppe mit Minderheitsregierungen sowie dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien in den nordischen Ländern.
„Wir wollen erfahren, welche Hintergründe eine solche Entwicklung in Ländern mit einem hohen Wohlfahrtsniveau hat“, erläutert er. Von diesem Blick über den Tellerrand profitieren nicht nur die Abgeordneten in der Parlamentariergruppe: „Es passiert immer wieder, dass uns auch Kollegen aus Fachausschüssen um unsere Einschätzung oder um Kontakte bitten.“ (sas/10.08.2015)