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Mögliche Beitragssatzerhöhungen, die Flüchtlingskrise und eine Bilanz der gesundheitspolitischen Arbeit zur Hälfte der Legislaturperiode waren am Dienstag, 8. September 2015, Schwerpunkte in der ersten Beratung des Gesundheitsetats 2016 (Einzelplan 15) im Bundestag. Die Opposition hielt der Bundesregierung dabei vor, in der Gesundheitspolitik falsche Weichen gestellt zu haben und nannte als Beispiele die Abkehr von der paritätischen Beitragssatzfinanzierung sowie schwere Mängel in großen Gesetzesvorhaben wie etwa jüngst der Krankenhausreform.
Vertreter der Regierungsfraktionen von Union und SPD wiesen die Vorhaltungen zurück und erinnerten an die schon verabschiedeten Reformen, mit denen die Gesundheitsversorgung insgesamt verbessert worden sei. Unterschiedliche Auffassungen im Regierungslager wurden allerdings deutlich in der Frage der paritätischen Finanzierung der Gesundheitskosten sowie hinsichtlich der Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge.
Nach einer Gesetzesänderung 2014 war zum Jahresbeginn 2015 der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent gesenkt worden. Jeweils 7,3 Prozent übernehmen dabei Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Allerdings ist der Arbeitgeberanteil festgeschrieben, während der Arbeitnehmeranteil um einkommensabhängige Zusatzbeiträge aufgestockt werden kann. Dafür wurde der bis dahin nur von den Arbeitnehmern gezahlte Sonderbeitrag von 0,9 Prozent gestrichen.
Fachleute rechnen allerdings damit, dass die meisten Kassen ab 2016 mehr als 0,9 Prozent Zusatzbeitrag einfordern werden, zumal mehrere große Projekte wie etwa die Pflege- oder Krankenhausreform viel Geld kosten, das auf die Beitragszahler umgelegt wird. Noch liegen die Finanzreserven der Kassen bei über 15 Milliarden Euro, aber die stetig steigenden Gesundheitskosten werden in absehbarer Zeit höhere Beiträge erzwingen.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zog ein positives Fazit zur Hälfte der Wahlperiode. Die Menschen könnten dem Gesundheitssystem vertrauen und wüssten, dass sie im Krankheitsfall rasch Hilfe bekämen. Gröhe sprach angesichts der alternden Bevölkerung jedoch von großen Herausforderungen, denn die Zahl der Hochbetagten, chronisch Kranken und Dementen werde steigen. Zugleich gehe es darum, den wachsenden Fachkräftebedarf etwa in der Pflege zu sichern. Nach Ansicht Gröhes sind die zahlreichen Reformen nachhaltig angelegt und an den Patienten orientiert.
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sei mit rund 24 Milliarden Euro an Reserven solide aufgestellt. Es sei richtig gewesen, den Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds vorübergehend abzusenken und damit den Haushalt zu entlasten und das Wachstum zu fördern. Nun werde der Zuschuss planmäßig wieder aufgestockt. Es sei auch richtig gewesen, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren. Damit sei zugleich aber klar, dass Leistungen nur mit Augenmaß ausgeweitet werden könnten.
Gröhe nannte als Belege für die bisherige erfolgreiche gesundheitspolitische Arbeit unter anderem das Versorgungsstärkungsgesetz, die Krankenhausreform, das E-Health-Gesetz, das Präventionsgesetz, die Pflegereform und die Verbesserung in der Palliativ- und Hospizversorgung. Was die Flüchtlinge angehe, stehe Deutschland vor großen Herausforderungen. So müsse die Erstuntersuchung der Flüchtlinge zeitnah umgesetzt werden. Hier gebe es Gespräche mit den Ländern.
Linke und Grüne ließen die von Gröhe aufgestellte Erfolgsbilanz nicht gelten und mahnten insbesondere in der aktuellen Flüchtlingsversorgung ein entschlosseneres Vorgehen an. Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) ging den Minister hart an und warf ihm "Ideen- und Mutlosigkeit" vor. Es sei jetzt wichtig, den erschöpften, teilweise verletzten oder traumatisierten Flüchtlingen schnell medizinisch und therapeutisch zu helfen.
Die Gesundheitskarte für Asylsuchende hätte schon längst bundesweit eingeführt werden können, monierte sie und verlangte, umgehend eine solche gesetzliche Regelung vorzulegen.
Auch Harald Weinberg (Die Linke) verlangte einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und die Einführung der Gesundheitskarte. Was die Halbzeitbilanz betreffe, hielt Weinberg dem Minister zugute, die Probleme immerhin nicht auszusitzen.
Gröhe habe vielmehr mit hoher Frequenz Reformen abgeliefert, jedoch in die falsche Richtung, weg von der Gemeinwohlorientierung. So zahlten alleine die Versicherten den perspektivisch steigenden Zusatzbeitrag. Er forderte die Regierung auf, dies wieder zu ändern.
Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach (SPD) machte erneut deutlich, dass auch seine Partei eine Rückkehr zur paritätischen Beitragsfinanzierung anstrebt. Angesichts der hohen Ausgaben müsse in Zukunft von einer Erhöhung der Beitragssätze ausgegangen werden. Der SPD-Gesundheitsexperte steht auch der Gesundheitskarte für Asylsuchende offen gegenüber, zumal eine solche Regelung die gesetzlichen Kassen nicht belasten, sondern mit Steuermitteln finanziert würde. Gerade den vielen Flüchtlingskindern und traumatisierten Menschen dürfe keine Hilfe verweigert werden.
Als weitere Herausforderung im deutschen Gesundheitssystem nannte Lauterbach den Aufbau einer digitalen Infrastruktur. So müssten künftig in unterversorgten Gebieten auch die Möglichkeiten der Telemedizin stärker genutzt werden. Wichtig seien zudem elektronisch verfügbare Medikationspläne. Die Vernetzung der vielen Akteure im Gesundheitswesen sei eine riesige Aufgabe, die das System einen wesentlichen Schritt weiter bringen könne.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) würdigte wie andere Redner auch die enorme Fülle an gesetzlichen Neuerungen im Gesundheitssystem und sprach von einer guten Bilanz. Die Beiträge in der GKV seien überdies seit Jahren stabil, sagte der CSU-Politiker und wandte sich entschieden gegen "unnötige" Debatten über mögliche Beitragssatzsteigerungen.
Manche Kassen hätten auch den Zusatzbeitrag anfangs einfach zu niedrig angesetzt, das seien dann hausgemachte Probleme. Der Arbeitgeberbeitrag sei im Übrigen aus gutem Grund festgeschrieben worden. Was die Gesundheitskarte für Flüchtlinge betreffe, gebe es in der Koalition noch unterschiedliche Auffassungen und in der Union eine "ausgeprägte Skepsis".
Der Einzelplan 15 des Ministeriums sieht Gesamtausgaben in Höhe von rund 14,57 Milliarden Euro vor. Das sind rund 2,5 Milliarden Euro mehr als 2015, die komplett an den Gesundheitsfonds gehen. Der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds, deklariert als pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben, ist mit dann insgesamt 14 Milliarden Euro der größte und wichtigste Haushaltsposten in Gröhes Etat.
Mit dem Geld werden sogenannte versicherungsfremde Leistungen finanziert, also zum Beispiel die beitragsfreie Familienmitversicherung oder Aufwendungen für Schwangerschaft und Mutterschaft.
Ursprünglich war der Bundeszuschuss gesetzlich bei 14 Milliarden Euro festgeschrieben. Mit der Kürzung dieser Mittel in Höhe von insgesamt 8,5 Milliarden Euro, verteilt über die Jahre 2013 bis 2015, sollte ein Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushaltes geleistet werden. Möglich wurden die Kürzungen durch die günstige Kassenlage im Gesundheitssystem - die Überschüsse der Krankenkassen und die milliardenschweren Rücklagen des Gesundheitsfonds. Ab 2017 soll der Bundeszuschuss dann dauerhaft bei 14,5 Milliarden Euro festgeschrieben werden.
Die Personalausgaben im Gesundheitsetat steigen 2016 laut Gesetzentwurf (18/5500) leicht um rund 1,3 Millionen auf rund 224 Millionen Euro. Die sogenannten sächlichen Verwaltungsausgaben erhöhen sich im Jahresvergleich um rund 3,5 Millionen Euro auf dann knapp 162 Millionen Euro. Die Gesamteinnahmen werden mit rund 111 Millionen Euro veranschlagt, ein Plus von 3,9 Millionen Euro im Jahresvergleich.
Für Maßnahmen zur besseren Versorgung von Pflegebedürftigen stehen im Haushalt 3,9 Millionen Euro bereit. Hinzu kommen 39 Millionen Euro zur Förderung der privaten Pflegezusatzversicherung, deutlich weniger als 2015. Für die gesundheitliche Prävention und Aufklärung der Bevölkerung sind rund 45 Millionen Euro veranschlagt.
Neben dem Ministerium umfasst der Einzelplan 15 auch die Etats der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information, des Paul-Ehrlich-Instituts, des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie des Robert-Koch-Instituts. (pk/08.09.2015)