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Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) hat am Freitag, 11. September 2015, im Bundestag eine deutlich stärkere Unterstützung des Bundes beim sozialen Wohnungsbau gefordert. In der Debatte über den Haushaltsentwurf für das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sprach sie sich „mindestens“ für eine Verdoppelung der Kompensationszahlungen des Bundes auf eine Milliarde Euro jährlich bis zum Jahr 2019 aus. Bisher stellt der Bund den Ländern jährlich rund 518,2 Millionen Euro zur Verfügung. Sie tragen seit der Föderalismusreform 2006 die alleinige Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau.
„Die steigende Nachfrage nach Wohnraum trifft in den Großstädten und Ballungsräumen auf Wohnungsmärkte, die bereits angespannt sind“, betonte Hendricks. Deutschland müsse sich auf einen Bedarf von 350.000 zusätzlichen Wohnungen jährlich einstellen, „und vielleicht sogar noch mehr“, sagte sie auch mit Blick auf die rund 800.000 Flüchtlinge, die in diesem Jahr erwartet werden.
Hendricks sicherte zu, dass Erstunterkünfte für Flüchtlinge durch bau- und bauplanungsrechtliche Erleichterungen „schnell und unbürokratisch“ errichtet werden sollen. Beim Wohnungsbau sollen allerdings die in Deutschland bewährten Qualitätsstandards eingehalten werden.
Die Ministerin stellte jedoch klar, dass der Zuzug von Flüchtlingen nur einer von vielen Gründen sei, mehr Wohnraum zu schaffen. „Es ist Aufgabe des Staates, dass genügend bezahlbarer Wohnraum für alle zur Verfügung steht“, konstatierte sie und verwies beispielhaft auf ein Modellprojekt zum modularen Bauen für Studierenden und Auszubildende, das 2016 starten und vom Ministerium mit 120 Millionen Euro gefördert werden soll.
Um den steigenden Bedarf an altersgerechten Wohnungen zu decken, habe das Ministerium zudem ein neues Investitionsprogramm in Höhe von 27 Millionen Euro aufgelegt. Als weiteren wichtigen Beitrag zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte bei steigenden Mieten nannte Hendricks die im Juli vom Bundestag beschlossene Wohngelderhöhung. Durch die Reform, die am 1. Januar 2016 in Kraft tritt, steigen die Ausgaben für das Wohngeld im kommenden Jahr um 200 Millionen Euro auf 730 Millionen Euro.
Marie-Luise Dött (CDU/CSU) urteilte, dass der Wohnungsbau in Deutschland seit Jahren dem Bedarf „hinterhinkt“. Sie begrüßte daher den Beschluss des Koalitionsausschusses vom 7. September, demzufolge der Bund eine steuerliche Förderung für den Wohnungsneubau in Gebieten mit Wohnungsmangel prüfen soll. Der Bund wolle zudem mehr bundeseigene Liegenschaften für den sozialen Wohnungsbau verbilligt bereitstellen.
Anders als Hendricks stellte Dött jedoch klar, dass sie beim sozialen Wohnungsbau in erster Linie den Beitrag der Länder erwarte. „Der Bund gibt seit 2007 mehr Geld an die Länder für den sozialen Wohnungsbau als vor der Föderalismusreform. Aber gebaut wurden weniger Sozialwohnungen als vorher“, konstatierte die CDU-Abgeordnete und warnte: „Ohne gesetzlich fixierte Zweckbindung für die gesamten Kompensationsmittel, werden die Enttäuschungen wachsen.“ Sie vertraue in erster Linie auf die Kräfte des Marktes, fügte Dött hinzu. „Wo immer sich Wohnungsbau rentiert, wird sich auch ein privater Investor finden.“ Der Staat solle lediglich Investitionsanreize geben.
Heidrun Bluhm (Die Linke) hingegen begrüßte Hendricks‘ Forderung nach einer Verdoppelung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau ausdrücklich. Angesichts von mindestens fünf Millionen Sozialwohnungen und zwei Millionen altersgerechten Wohnungen, die in Deutschland fehlten, sei eine deutliche Aufstockung der Mittel dringend notwendig, urteilte sie.
Darüber hinaus ließ sie aber kein gutes Haar an der Wohnungs- und Baupolitik der Ministerin. Wenn die Bau- und Wohnungswirtschaft einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen leisten wolle, müsse die Quote für die energetische Gebäudesanierung „sofort auf mindestens zwei Prozent verdoppelt werden“, forderte sie. Schließlich klaffe hier bisher eine Finanzierungslücke von fünf bis neun Milliarden Euro jährlich. Außerdem sprach sich Bluhm wiederholt für eine Dynamisierung des Wohngeldes und die Einführung einer Klimakomponente aus. Ihr Resümee: „Dieser Haushaltsansatz bleibt vieles schuldig.“
Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte daran, dass seine Partei bereits seit einem Jahr ein Bundesbauprogramm fordere. „Es hilft nicht, immer auf den Ländern herumzuhacken und ihnen zu sagen, was sie tun müssten“, kritisierte er. Vielmehr müsse der Bund jetzt Verantwortung für den Wohnungsbau übernehmen.
Einig waren sich Redner von Koalition und Opposition in ihrem Urteil, dass Deutschland in seinem Engagement für den Klimaschutz angesichts des anstehenden Klimagipfels Ende des Jahres in Paris nicht nachgeben dürfe. In der französischen Hauptstadt will die Staatengemeinschaft ein neues, verbindliches Klimaabkommen beschließen, mit dem Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen.
Hendricks verwies auf die steigenden Ausgaben für den Klimaschutz im Etat des Ministeriums. 417,98 Millionen Euro und damit 45,85 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr soll das Umweltministerium 2016 für diesen Bereich ausgeben können. Über ein deutliches Plus von 75 Millionen Euro kann sich die internationale Klimaschutzinitiative freuen, die sich dem Schutz des Klimas und der Biodiversität im Ausland widmet (2015: 262,88 Millionen Euro).
„Das ist vor Paris ein wichtiges Signal für die Übernahme globaler Verantwortung und Solidarität, urteilte Marie-Luise Dött. Hendricks sicherte überdies zu: „Insgesamt wird Deutschland seine Beiträge für die internationale Klimafinanzierung bis 2020 verdoppeln.“ Zugleich äußerte sie aber auch eine Sorge: dass die Summe der nationalen Anstrengungen nicht ausreichen werde, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.
Peter Meiwald warf der Bundesregierung vor, beim Kampf gegen den Klimawandel kaum mehr als Lippenbekenntnisse abzuliefern. „Der Deal von Kanzlerin und Wirtschaftsminister mit der Kohleindustrie“ unterlaufe das deutsche Klima-Engagement, kritisierte er und mahnte: „Die Zeit bis Paris ist knapp. Ziehen Sie der Kohleindustrie endlich den Strecker.“
Darüber hinaus mahnte der Grünen-Abgeordnete zahlreiche Reformen in der Umweltpolitik an, unter anderem die Einführung eines Wertstoffgesetzes mit dynamisch steigenden Recycling-Quoten und einer ökologisch gestaffelten Ressourcenabgabe auf Rohstoffe. „Wir verbrauchen mehr, als uns an natürlichen Ressourcen zusteht“, warnte er. Dagegen müsse dringend etwas getan werden.
Heidrun Bluhm wies auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Flüchtlingsbewegungen hin. „Wenn wir nicht endlich den Klimaschutz voranbringen, werden immer mehr Menschen nach Europa kommen, denen wir mit unserer fossilen Industriepolitik die Heimat weggeschwemmt haben, denen wir das Trinkwasser vergiftet und die Luft verpestet haben“, urteilte sie.
Und auch die Umweltministerin fand klare Worte: „Klimaschutzpolitik beugt Konflikten um Land, Nahrung und Wasser vor. Sie ist in diesem Sinne Friedenspolitik.“
Das Ressort von Hendricks soll laut Haushaltsplan der Bundesregierung (18/5500) im kommenden Jahr rund 4,07 Milliarden Euro und damit 205 Millionen Euro mehr ausgeben können als 2015. Der Schwerpunkt liegt auf Investitionen in Klimaschutz und bezahlbares Wohnen. Den bei weitem größten Ausgabenposten machen die Investitionen aus: 2,35 Milliarden Euro stehen Hendricks dafür 2016 zur Verfügung, 17,21 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr.
Für die sächlichen Verwaltungsausgaben sind 295,75 Millionen Euro eingeplant, für Zuweisungen und Zuschüsse 1,1 Milliarden Euro. Demgegenüber steigen die Personalausgaben des Umweltministeriums 2016 um 13,61 Millionen Euro auf 345,99 Millionen Euro. Die Einnahmen des Ministeriums sind rückläufig: Statt 721,4 Millionen Euro liegen sie 2016 voraussichtlich nur noch bei 659,31 Millionen Euro. (joh/11.09.2015)