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7,5 Millionen Menschen in Deutschland können nicht richtig lesen oder schreiben und gelten als sogenannte funktionale Analphabeten. Das hat die Studie „leo. – Level-One“ im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung als erste Studie in Deutschland 2011 herausgefunden. Wie Deutschland diesem Problem begegnen kann, ist Thema einer Plenardebatte am Freitag, 2. Oktober 2015, die um 12.45 Uhr beginnt und auf 45 Minuten angesetzt ist. Der Debatte liegt ein Antrag von CDU/CSU und SPD „Zugang und Teilhabe ermöglichen – Die Dekade für Alphabetisierung in Deutschland umsetzen“ (18/5090) zugrunde. Dazu hat der Bildungsausschuss eine Beschlussempfehlung vorgelegt. (18/6179).
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Vier Prozent, etwa 2,3 Millionen Menschen der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland, leiden unter Analphabetismus im engeren Sinn. Diese Menschen unterschreiten die „Satzebene“, das heißt, die Personen können zwar einzelne Wörter lesen, verstehen und schreiben, nicht jedoch ganze Sätze. 300.000 Menschen können nicht einmal ihren Namen richtig schreiben.
Mit einem Programm in Höhe von 180 Millionen Euro will die Bundesregierung die Zahl der "funktionalen Analphabeten" in Deutschland spürbar senken. In den nächsten zehn Jahren sollten mit einer gemeinsamen Kampagne von Bund und Ländern vor allem die oft unterentwickelten Lese- und Schreibfähigkeiten erwachsener Erwerbstätiger verbessert werden, hatte Bildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) bei der Pressekonferenz zur Initiative „Nationale Dekade für Alphabetisierung“ in Berlin Anfang September gesagt.
Mit der „erheblichen Steigerung“ der Gelder sollten unter anderem Alphabetisierungsprojekte gefördert sowie Kurskonzepte und Selbstlernmöglichkeiten geschaffen werden, hatte sie weiterhin erklärt. Den bisherigen Aufwand des Bundes gegen Analphabetismus bezifferte Wanka auf gut 100 Millionen Euro zwischen 2000 und 2015. Doch leider liege Deutschland laut Studien im internationalen Maßstab bei der Lesekompetenz immer noch unter dem Durchschnitt.
Die Studie „leo.-Level One“ hat den funktionalen Analphabetismus unter der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren ermittelt. Wenn die Kompetenzen in Schrift und Sprache von Erwachsenen niedriger sind als die jeweiligen beruflichen und gesellschaftlichen Anforderungen, spricht man von funktionalem Analphabetismus. Die Betroffenen können zwar einzelne Wörter oder Sätze lesen und schreiben, nicht jedoch zusammenhängende Texte wie zum Beispiel Arbeitsanweisungen, Behördenbriefe, Zeitungen oder Bücher. In Deutschland betrifft dies 14 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung.
Die leo.-Studie zeigt, dass Menschen ohne Schulabschluss, in prekärer Beschäftigung und über 50 Jahre besonders gefährdete Risikogruppen sind. Insgesamt sind rund 57 Prozent der funktionalen Analphabeten berufstätig, häufig als un- oder angelernte Arbeitskräfte. Deutsch ist bei 58 Prozent der Betroffenen die Muttersprache, und über 80 Prozent haben einen Schulabschluss. Wie die Zahlen zeigen, durchdringt der funktionale Analphabetismus die gesamte Gesellschaft.
2014 ergab zudem eine Studie der Stiftung Lesen zum Thema „Grundbildung am Arbeitsplatz“, dass funktionaler Analphabetismus zum Teil in engen Kollegenkreisen oder Familienkreisen oft bekannt ist. Dennoch ist das Thema Analphabetismus in unserer Gesellschaft weitgehend noch mit Angst und Scham besetzt. So haben sich Betroffene Vermeidungsstrategien von „Prüfungssituationen“ angeeignet, in denen sie lesen oder schreiben müssen. Defizite werden meist erst angegangen, wenn die Betroffenen Kinder haben.
Bund und Länder haben seit der Veröffentlichung der Studie „leo. – Level-One“ viele Initiativen für eine Verbesserung der Alphabetisierung ins Leben gerufen und weitergehende Forschung betrieben, heißt es in dem Antrag der Großen Koalition. Der Deutsche Bundestag habe über die Vereinbarung mit den Ländern hinaus die Haushaltsmittel für Alphabetisierung und Grundbildung erhöht.
Zentrale Ziele der auf Nachhaltigkeit abzielenden Dekade seien unter anderem der Ausbau der Netzwerke der Länder zu einem nachhaltigen Netzwerk der Akteure der Alphabetisierungsarbeit, die Schaffung von dauerhaften und tragfähigen Strukturen der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit als Teil des Weiterbildungssystems in Deutschland sowie die weitere Sensibilisierung des unmittelbaren Arbeits- und Familienumfeldes und der Öffentlichkeit für das Thema. (rol/29.09.2015)