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Die Möglichkeit der Verhängung von Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger bleibt erhalten. In namentlicher Abstimmung lehnte der Bundestag am Donnerstag, 1. Oktober 2015, Oppositionsanträge mit dem Ziel der Abschaffung der Sanktionen und Leistungseinschränkungen (Die Linke: 18/1115; 55 Ja-Stimmen, 451 Gegenstimmen, 53 Enthaltungen) sowie der Forderung nach einem Sanktionsmoratorium (Bündnis 90/Die Grünen: 18/1963; 57 Ja-Stimmen, 448 Gegenstimmen, 51 Enthaltungen) ab. Ebenfalls keine Mehrheit fand ein weiterer Antrag der Linksfraktion (18/3549), der sich unter anderem für die Anhebung des Mindestlohns auf zehn Euro aussprach.
In der Debatte machten die Redner der Koalitionsfraktionen deutlich, dass man am Prinzip des „Fördern und Fordern“ festhalten wolle. Gleichwohl, so räumte Dagmar Schmidt (SPD) ein, gebe es Änderungsbedarf. Gerade jetzt, wo durch den Flüchtlingszuzug mit dem Zugang von 100.000 Menschen in den SGB-II-Bereich (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) gerechnet werden müsse, sei es wichtig, das Prinzip des Fördern und Fordern zu betonen, sagte Jutta Eckenbach (CDU/CSU).
Katja Kipping (Die Linke) verwies hingegen darauf, dass Sanktionen und Leistungseinschränkungen zu einer existenziellen Bedrohung für den Einzelnen werden könnten. Gegen die Bestrafungslogik der heutigen Sanktionen sprach sich auch Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) aus.
Die SPD wolle nicht, dass die Regelungen so bleiben wie sie sind, sagte Dagmar Schmidt. „Wir wollen eine Angleichung der Sanktionsmöglichkeiten der Unter-25-Jährigen an die der Über-25-Jährigen“, sagte sie. Es gebe schließlich keinen Grund, junge Leute härter zu betrafen. Außerdem dürften die Sanktionen nicht die Kosten für die Unterbringung angreifen, forderte die SPD-Abgeordnete.
Sie halte allerdings nichts davon, auf das Mitwirken der Menschen im Prozess der Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt zu verzichten. „Keine Erwartungen an die Menschen zu haben ist kein Zeichen von Respekt“, sagte sie. Wichtig bei den Bemühungen, das „Fördern und Fordern in eine bessere Balance zu bringen“, seien auch die Eingliederungsvereinbarungen zwischen Arbeitsuchenden und Jobcenter. Diese müssten einvernehmlich erfolgen und sich vor allem auch an den Neigungen und Interessen der Arbeitslosen orientieren.
Das sozio-kulturelle Existenzminimum sei ein Grundrecht, betonte hingegen Katja Kipping. „Ein Grundrecht steht allen zu. Das muss man sich nicht verdienen“, sagte die Linke-Abgeordnete. Die Praxis bei Hartz IV sei jedoch das Gegenteil. Konkret seien von den Sanktionen zwar nur wenige betroffen, doch hänge dies „wie ein Damoklesschwert über den Hartz-IV-Empfängern“.
Unter diesen Umständen sei es auch für die Betroffenen schwer, sich zur Wehr zu setzen. Sie seien daher wenig ermutigt, sich etwa bei Bewerbungsgesprächen gegen zu niedrige Bezahlung oder inakzeptable Arbeitszeiten zu wehren.
Deutschland sei in Sachen Arbeitsmarktpolitik auf dem richtigen Weg, befand Jutta Eckenbach. „Noch nie waren so viele Menschen in Arbeit wie heute“, sagte die Unionsabgeordnete. Dies habe auch mit den Sanktionsregelungen zu tun, die sich bewährt hätten.
Das gesellschaftliche Leben, so Eckenbach, werde über Regeln organisiert. „Wer daran teilnehmen möchte, muss diese Regeln beachten“, sagte sie. Das gelte „für Alteingesessene und für neuen Bürger gleichermaßen“. Gleichwohl sehe auch sie Verbesserungspotenzial. „Wir wollen mehr Kommunikation und mehr Transparenz in der Eingliederungsvereinbarung.“
Für eine Aussetzung und eine grundlegende Evaluation der Sanktionsregelungen sprach sich Wolfgang Strengmann-Kuhn aus. Man müsse „aus der Bestrafungslogik heraus und die Grundrechte beachten“, forderte der Grünen-Abgeordnete. „Eine Kürzung des Existenzminimums ist nicht mit den Grundrechten vereinbar“, betonte er und forderte eine grundlegende Reform.
Es müsse ein Wunsch und Wahlrecht für die Arbeitslosen geben, so Strengmann-Kuhn. Zudem dürften Sanktionen nicht verhängt werden, wenn „Wünschen, Fähigkeiten und Vorschlägen der Einzelnen nicht Rechnung getragen wird“. Gleiches müsse gelten, wenn die Aufnahme von Arbeit verweigert wird, weil die Entlohnung unterhalb des tariflichen oder örtlichen Entgelts erfolgen soll, sagte der Grünen-Abgeordnete. (hau/01.10.2015)