Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Die zunehmende Digitalisierung der Arbeitsprozesse ist mit Chancen und Risiken gleichermaßen verbunden. In dieser Einschätzung waren sich die am Mittwoch, 30. September 2015, zu einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss Digitale Agenda unter Vorsitz von Jens Koeppen (CDU/CSU) geladenen Experten einig. Während die Vertreter der Wirtschaft betonten, die Digitalisierung erlaube es den Arbeitsnehmern auf der eine Seite, an verschiedenen selbstgewählten Orten und zu selbst gewählten Zeitpunkten zu arbeiten, warnte unter anderem die Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim und der freischaffende Journalist und Kommunikations-Designer Dr. Florian Alexander Schmidt vor ausbeuterischen Tendenzen und der Gefahr der Überlastung, durch die ständige Erreichbarkeit. Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), forderte vor allem dort staatliche Regelungen, „wo die Sozialpartnerschaft nicht greift“.
Die Sitzung wird am Freitag, 2. Oktober, ab 8.30 Uhr zeitversetzt im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Sowohl Andreas Paschke von der Röchling Plastics Engineering Gruppe als auch Julie Linnert Eppple von der Robert Bosch GmbH betonten die große Bedeutung einer guten Sozialpartnerschaft. „Das ist der zentrale Punkt“, sagte Paschke. Das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen, dass sie nicht Leidtragende der „gläsernen Fabrik“ werden, sei Dreh – und Angelpunkt des Prozesses. Es müsse gelingen, die „berechtigten Sorgen der Mitarbeiter, ausgehorcht zu werden“, zu zerstreuen, betonte Paschke.
Aus Sicht von Julie Linnert Eppple stehe das derzeit geltende Arbeitszeitgesetz einer auch von den Arbeitnehmern gewünschten weiteren Flexibilisierung ihrer Arbeit im Wege. Es gehe ihrem Unternehmen nicht um die Aushebelung der 35-Stunden-Woche, machte sie deutlich. Die Sozialpartner sollten aber selber erarbeiten können, „was für Unternehmen und Arbeitsnehmer das Beste ist“.
Auf die verschiedenen Plattformmodelle der digitalisierten Arbeit ging Kommunikationsdesigner Florian Alexander Schmidt ein. Auslagerung, so sein Fazit, habe sehr starke Tendenzen zur Ausbeutung. Plattformen, die viele verschiedene Arbeitnehmer beschäftigen, ohne für sie Sozialabgaben zahlen zu müssen, würden zu einem Preisdruck führen.
Zugleich wüssten die Mitarbeiter gar nicht, welcher Anteil dessen, was der Auftraggeber zahlt, bei der Plattform hängenbleibe. Es gebe Fälle, wo der Anteil bei mehr als 50 Prozent liege, sagte er und forderte mehr Transparenz, „damit alle Beteiligten wissen woran sie sind“.
Einige der Plattformen mit ausbeuterischen Tendenzen gefährdeten insbesondere den Mittelstand, der geschützt werden müsse, sagte Sozialwissenschaftlerin Sabine Pfeiffer. Die Hoffnung der Mitarbeiter in diesen Plattformen auf mehr Flexibilität erfülle sich ihren Erkenntnissen oftmals nicht, dass angesichts der geringen Bezahlung immer mehr Aufträge angenommen würden.
„Wir brauchen Regularien, die die Interessen beider Seiten bewahren“, forderte Pfeiffer. Ebenso wie der Arbeitsmarktexperte Möller vom IAB, sprach sie sich vor allem in solchen Fällen für die Schaffung von Regularien aus, „in denen es keine funktionierende Sozialpartnerschaft gibt“. Möller forderte: „Wir brauchen ein neues Betriebssystem in der Gesellschaft für Wirtschaft 4.0.“ (hau/30.09.2015)