Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Schnellere Verfahren, schärfere Regelungen, mehr Geld: Angesichts der Flüchtlingskrise hat die Bundesregierung ein Gesetzespaket zu Beschleunigung von Asylverfahren im Kabinett beschlossen. Das Paket, das vor allem Änderungen des Asylverfahrens- und des Asylbewerberleistungsgesetzes vorsieht, sei ein Ergebnis der Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September, erklärte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU), der die geplanten Neuerungen in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 30. September 2015, vorstellte.
Ziel der gesetzlichen Änderungen sei es in erster Linie, die Asylverfahren zu beschleunigen. Dazu sei geplant, Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, so der Innenminister.
Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, die ab dem 1. September 2015 einen Asylantrag gestellt haben, werde ein Beschäftigungsverbot eingeführt.
Flüchtlinge, die eine gute Bleibeperspektive haben, sollten frühzeitig in den Arbeitsmarkt integriert werden, so der Innenminister. Dazu sei vorgesehen, die Integrationskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nun auch für Asylbewerber und Geduldete mit guter Bleibeperspektive zu öffnen.
„Außerdem werden die Integrationskurse besser mit den berufsbezogenen Sprachkursen der Bundesagentur für Arbeit vernetzt“, kündigte der CDU-Politiker an.
Um Fehlanreize zu beseitigen solle künftig der persönliche Bedarf, der bislang mit dem „Taschengeld“ abgedeckt wurde, möglichst in Sachleistungen gewährt werden. „Wir wollen verhindern, dass sich die Menschen falsche Hoffnungen machen“, erklärte de Maizière.
Diese Regelung solle für den gesamten Zeitraum gelten, den Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen verbringen. Geldleistungen sollen in Zukunft höchstens einen Monat im Voraus gezahlt werden.
Außerdem werde der Bund Länder und Kommunen finanziell entlasten, sagte de Maizière. Geplant sei, die Kosten für die Asylbewerber in Höhe einer Pauschale von 670 Euro pro Monat zu übernehmen. Diese Kostenübernahme beginne mit dem Tag der Erstregistrierung und endet bei Abschluss des Asylverfahrens. Bei einer Berechnungsgrundlage von 800.000 Flüchtlingen seien das 3,5 Milliarden, einschließlich 350 Millionen Euro für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Zudem solle mit dem Gesetzespaket die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte durch den Abbau bürokratischer Hürden, wie temporäre Änderungen im Bauplanungs- und im Emissionsschutzrecht, erleichtert werden: „Wir geben den Ländern so die Möglichkeit, vor dem Winter schnell menschenwürdige Unterkünfte für die Flüchtlinge zu schaffen“, erklärte de Maizière.
Die Unterbringung von Flüchtlingen in Erstaufnahmelagern thematisierte Karin Binder (Die Linke) in ihrer Frage: Sie wollte wissen, warum es denn nicht möglich sei, dass Asylbewerber, die sehr gute Aussichten auf Anerkennung in Deutschland hätten, bei Familienangehörigen lebten: „Was hindert uns daran, diese Menschen zu Verwandten ziehen oder auch eine eigene Wohnung anmieten zu lassen?“ Das könnte die Flüchtlingsunterkünfte entlasten, argumentierte die Abgeordnete.
Der Minister entgegnete jedoch, dass dieser Vorschlag „nur auf den ersten Blick“ überzeugend klinge: „Erst mal müssen wir doch feststellen, ob jemand wirklich aus Syrien kommt, oder ob er das nur angibt.“ Die Klärung der Identität sei aber oft gar nicht so einfach, weil viele Flüchtlinge ohne Papiere nach Deutschland kämen.
Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich, wer die Entscheidung treffe, dass ein Flüchtling eine sichere Bleibeperspektive habe und so beispielsweise an einem Integrationskurs teilnehmen könne.
Der Innenminister erklärte, dass „eine hohe Anerkennungsquote ein gutes Indiz“ sei. Es sei nämlich nicht sinnvoll, denen, die wahrscheinlich nicht bleiben könnten „Illusionen“ zu mache, indem man sie an Kursen teilnehme lasse, so de Maizière.
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) sorgte sich hingegen, wie angesichts der Erklärung von Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten sichergestellt werde, dass Menschen aus diesen Ländern, die aufgrund von ethnischer Herkunft oder sexueller Orientierung diskriminiert würden, in Deutschland weiterhin Zuflucht fänden. „Wie soll sichergestellt werden, dass diese Leute ein ordentliches Asylverfahren bekommen“, fragte der Abgeordnete.
Der Innenminister verwies darauf, dass Asylanträge weiterhin individuell geprüft würden. Um die Situation der Roma in ihren Herkunftsländern auf dem Westbalkan insgesamt zu verbessern, werde die Bundesregierung zusätzlich Hilfsmaßnahmen ergreifen, versprach de Maizière.
Heike Hänsel (Die Linke) kritisierte die Rückkehr „zum Sachleistungsprinzip“ als große Belastung für die Behörden vor Ort: Es sei nicht verständlich, wieso die diese nun ausgerechnet in einer Situation, in der sie mehr Menschen zu versorgen hätten, auch noch einen „bürokratischen Mehraufwand“ schultern müssten. Zudem koste dies letztendlich mehr, so Hänsel, als weiterhin ein Taschengeld für die Flüchtlinge in den Erstaufnahmeunterbringungen zu zahlen. Die Abgeordnete wollte deshalb konkret wissen: „Wie hoch ist denn der finanzielle und personelle Mehraufwand?“
Minister de Maizière gab zu, dass es natürlich „unbürokratischer“ sei, Geld auszuzahlen. „Aber es gibt hier einen Zielkonflikt.“ Taschengeld habe einen „Sog-Effekt“, erläuterte der Minister. Dieser könne bewirken, dass noch mehr Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern nach Deutschland kämen. Die Gesetzesänderung sehe deshalb vor, dass in Erstaufnahmelagern „soweit vertretbar“ Wertgutscheine und Sachleistungen ausgegeben werden sollten. (sas/30.09.2015)