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Die grundsätzlich vorhandene Akzeptanz in der Bevölkerung für die Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland darf nicht sinken. In dieser Forderung waren sich die zu einem öffentlichen Fachgespräch des Umweltausschusses unter Vorsitz von Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch, 4. November 2015, geladenen Experten einig. Nach 15 Jahren Wölfe in Deutschland könne festgehalten werden, dass die Koexistenz von Wolf und Mensch auch in Deutschland machbar ist, sagte Markus Bathen vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Unfälle, bei denen Menschen Schaden durch Wölfe nehmen, gingen nicht über das Maß einer normalen Gefahr des täglichen Lebens hinaus, sagte Bathen. Daran ändere auch die medial stark verzerrte Darstellung des Zusammenlebens von Mensch und Wolf nichts, die negativer als die Realität sei.
Der Nabu-Vertreter räumte gleichzeitig ein, dass der Wolf die Arbeit der Nutztierhalter tangiere. Herdenschutz könne aber unter dem gegenwärtigen hohen Gefährdungsstatus des Wolfes in Deutschland grundsätzlich nur über Schutzmaßnahmen bei den Nutztieren und nicht durch Entnahme von Wölfen geschehen, sagte er.
Auch Ilka Reinhardt vom Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland lehnt eine Bejagung des Wolfes ab. Aus wissenschaftlicher Sicht sei davon nichts zu halten, sagte sie. Auch für die These, mit der Erlaubnis zur Bejagung steige die Akzeptanz des Wolfes in der Bevölkerung, gibt es aus Sicht der Biologin keine Belege. Reinhardt forderte stattdessen einen Dreiklang aus Wolfsmonitoring, Herdenschutz und Öffentlichkeitsarbeit. Gerade beim Wolfsmonotoring sei Deutschland international gesehen sehr gut aufgestellt, urteilte die Expertin.
Nach Ansicht der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) besteht derzeit kein Anlass zur Sorge, „dass der Wolf seine Scheu gegenüber den Menschen verloren hat“. Was die Bejagung angeht, so verwies die Staatssekretärin darauf, dass schon heute problematische Tiere „durch Abschuss dem Rudel entnommen werden können“. Es gebe daher keinen Grund, das Schutzniveau des Wolfes herabzusetzen.
In Niedersachsen sei ein deutliches Wachstum der Wolfspopulation auszumachen, sagte Dr. Britta Habbe von der mit dem Wolfsmonitoring beauftragten Landesjägerschaft Niedersachsen. In den vergangenen vier Jahren sei der Bestand in Niedersachsen auf aktuell sieben Rudel, ein welpenloses Paar und zwei Einzeltiere gestiegen. Beobachtet werde ein jährlicher Anstieg des Vorkommens von über 30 Prozent, sagte Habbe. Angesichts dessen sei davon auszugehen, dass Niedersachsen künftig nahezu flächendeckend vom Wolf belaufen werde. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass zuletzt mehrfach Nahkontakt des Wolfes zum Menschen festgestellt worden sei, warnte sie vor einer sinkenden Akzeptanz des Wolfes.
Ohne gut ausgebildete Herdenschutzhunde könnten in vielen Regionen Brandenburgs keine Schafherden mehr draußen stehen, sagte Knut Kucznik, selbst Schäfer und gleichzeitig Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde. „Wir Hirten sind nicht gegen den Wolf, sondern für unsere Tiere“, sagte Kucznik und kritisierte, dass die Weidetierhalter mit den Kosten für den Herdenschutz durch gut funktionierende Herdenschutzhunde allein gelassen würden.
Dabei trage man sowohl zur Erzeugung hochwertiger Lebensmittel als auch zur Gesunderhaltung von Boden, Wasser und Luft bei. Vor diesem Hintergrund sprach sich der Vertreter der Weidetierhalter dafür aus, die zusätzlichen Kosten für den Herdenschutz über die zweite Säule der Landwirtschaftsförderung zu bezahlen. Dafür sei genügend Umwidmungspotenzial von der ersten in die zweite Säule vorhanden, sagte er. (hau/04.11.2015)