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Mehrere Verbände haben in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie unter Vorsitz von Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) am Mittwoch, 11. November 2015, verlangt, an den Ausbauzielen für die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) keine Abstriche vorzunehmen. Die Kraft-Wärme-Kopplung leiste einen sehr wichtigen Beitrag zur Energiewende, wurde übereinstimmend betont.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warf der Bundesregierung vor, mit einem "Kunstgriff" das im Koalitionsvertrag bekräftigte Ziel von 25 Prozent KWK-Stromanteil an der Nettostromerzeugung als Zahlenwert bestehen zu lassen, aber in der Realität durch eine geänderte Bezugsgröße drastisch zu kürzen, was auf eine Kürzung des KWK-Ziels auf 19,5 Prozent im Jahr 2020 hinauslaufen würde.
Große Teile des KWK-Potenzials würden ungenutzt bleiben. "Dies hätte beispielsweise negative Auswirkungen auf die Umsetzung regionaler und landesweiter Klimaschutzkonzepte, die regelmäßig auch auf die Effizienztechnologie KWK setzen", warnte Hildegard Müller vom BDEW. Sie zeigte sich aber ebenso wie andere Sachverständige damit einverstanden, das 25-Prozent-Ziel gegebenenfalls auf 2025 zu verschieben.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände erläuterte in ihrer Stellungnahme, wie es zu dieser Kürzung kommt. Im Gesetzentwurf ist nicht mehr von einem Ausbauziel von 25 Prozent an der gesamten Nettostromerzeugung die Rede, sondern von der regelbaren Nettostromerzeugung. In der regelbaren Nettostromerzeugung sind die erneuerbaren Energien nicht enthalten, sodass der KWK-Anteil auch ohne weiteren Ausbau höher ausfällt. Dies würde den bisher angestrebten Ausbaupfad der KWK konterkarieren und mittelfristig zum Rückbau von KWK-Anlagen führen, warnte die Bundesvereinigung.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) forderte in seiner Stellungnahme die Beibehaltung des 25-Prozent-Ziels. Die Organisation lobte die Kraft-Wärme-Kopplung als kostengünstige Option zur Erreichung der Ziele der Energiepolitik, des Klimaschutzes und der Energieeffizienz.
Für Dr. Markus Blesl (Universität Stuttgart) besteht kein Widerspruch zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung. Die KWK sei sehr flexibel, und diese Flexibilität werde gebraucht. Speichertechnologien könnten die Flexibilität noch erhöhen.
Nach Vorstellungen der Bundesregierung sollen neue Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit Kohle als Brennstoff nicht mehr gefördert werden. Damit werde ein Beitrag zur Erreichung der nationalen Kohlendioxid-Einsparziele geleistet, heißt es in dem Entwurf. Dieses Vorhaben stieß ebenfalls auf Kritik.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dessen Mitgliedsunternehmen 1.400 KWK-Anlagen betreiben, bezeichnete es als nicht sinnvoll, Kohle-KKW von der Förderung auszuschließen. "Im Sinne der Effizienzverbesserung und des Klimaschutzes ist es auch bei steinkohlebasierten KWK-Anlagen möglich, Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen und entsprechend zu fördern." Ohne Förderung von Modernisierungen bestehe die Gefahr, dass emissionsintensive Altanlagen weiter betrieben würden.
BDEW und VKU unterstrichen die Bedeutung von KWK-Anlagen für den Klimaschutz. "Schon heute werden circa 56 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich durch den Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung eingespart", erklärte der VKU. Udo Wiechert vom Effizienzverband für Wärme, Kälte und KWK sprach sich ebenfalls gegen eine Selektion beim Brennstoff aus, "denn die Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung ist unabhängig vom eingesetzten Brennstoff".
Gegen den Plan der Regierung, für selbst verbrauchten KWK-Strom in Zukunft keine Förderung mehr zu gewähren, wandte sich der Verband der industriellen Energie- und Kraftwerkswirtschaft (VIK): "Dies führt zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung der industriellen gegenüber der öffentlichen KWK."
Dr. Werner Neumann (BUND) sprach sich für eine Gleichbehandlung aller KWK-Anlagen aus. Kleine Neuanlagen würden sich sonst nicht mehr so schnell amortisieren. Das könne auch Projekte in der Stadtsanierung und Stadtplanung betreffen. Christian Noll (Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz) ergänzte, durch das Gesetz werde die ortsnahe Versorgung unattraktiv. Selbst sehr engagierte Bürger und auch Crowd-Investoren würden bei kleinen Anlagen nicht mehr einsteigen. Quartierskonzepte würden aber ohne KWK nicht funktionieren.
Auch die KWK-Umlage, die über die Stromrechnung erhoben wird, soll verändert werden. Um die Kosten für einen durchschnittlichen Privathaushalt nicht stärker als von derzeit neun auf etwa 19 Euro im Jahr steigen zu lassen, soll der reduzierte Satz für stromintensive Unternehmen von 0,025 Cent auf 0,03 Cent pro Kilowattstunde leicht angehoben werden.
Der VIK sprach von einer "erheblichen Zusatzbelastung" für die betroffenen Unternehmen. Die Belastung für Industrie und Gewerbe könnte um über 330 Millionen Euro steigen: "Dies führt zu einer Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen", wurde gewarnt. (hle/11.11.2015)