Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Das Auswärtige Amt kann sich im kommenden Jahr auf einen Zuwachs von 1,08 Milliarden Euro gegenüber 2015 einstellen. Der Bundestag votierte am Mittwoch, 25. November 2015, gegen das Votum der Opposition für die entsprechenden Beschlussempfehlungen des Haushaltsausschusses (18/6105, 18/6124, 18/6125, 18/6126). Damit sind im Einzelplan 05 nunmehr Ausgaben von 4,81 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind rund 410,27 Millionen Euro mehr als im Entwurf der Bundesregierung (18/5500, 18/5502) eingeplant waren.
Der Bundestag reagiert mit den deutlichen Erhöhungen unter anderem auf die anhaltenden Krisen in Syrien und im Irak sowie auf die Situation der Flüchtlinge aus diesen Ländern. So sind im Ressort von Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) unter anderem deutlich mehr Mittel für humanitäre Hilfen sowie für die Krisenprävention vorgesehen: Waren für humanitäre Hilfen im Regierungsentwurf noch 505 Millionen Euro (2015: 400 Millionen Euro) eingeplant, erhöhen sich diese Mittel nunmehr um 229 Millionen Euro.
Auch die Mittel für Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung sollen von den vorgesehenen 95 Millionen Euro auf nunmehr 199 Millionen Euro steigen.
Michael Leutert (Die Linke) betonte, dass das Auswärtige Amt noch niemals in seiner Geschichte so viel Geld zur Verfügung gehabt habe. „Ein Grund zur Freude ist das allerdings nicht“ – denn die vielfältigen Konflikte in Syrien, im Irak, in Libyen, Mali und Afghanistan würden geradezu dazu zwingen, Fluchtursachen zu bekämpfen und zu politischen Lösungen beizutragen.
Leutert wandte sich in diesem Zusammenhang gegen jene „ganz schlauen Stimmen“, die meinen, „man müsse einfach die Grenze schließen“ und das Problem wäre erledigt. Deutschland lasse sich nicht verwalten wie ein Hotel nach dem Motto: „Wir sind überbucht, rufen Sie bitte den nächsten an.“ Der Linke-Abgeordnete kritisierte zudem die Absicht der Bundesregierung, durch eine Einbindung der Türkei das Problem lediglich zu verschieben: „Solange die Türkei die Kurden politisch und militärisch bekämpft, solange werden wir in der Region eine Situation haben, die dazu führt, dass Menschen dort fliehen.“
Doris Barnett (SPD) lenkte den Blick auf die deutlichen Erhöhungen im Etat für humanitäre Hilfen und Konfliktprävention. „Mit unserem Haushalt legen wir viel Geld auf den Tisch, um Flüchtlingen vor Ort nahe ihrer Heimat zu helfen.“ Damit würde Deutschland einen Beitrag dazu leisten, Fluchtursachen zu bekämpfen und Perspektiven für die Menschen zu schaffen, damit diese sich nicht auf den gefährlichen und langen Marsch nach Norden machen würden.
Auch bei der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik hätten die Haushälter nochmals mehr Gelder freigegeben: Mit Einrichtungen wie dem Goethe-Institut, dem Akademischen Austauschdienst und etwa den deutschen Auslandsschulen „machen wir Bildung zu unserer Waffe und Gegenwehr“ gegen Extremismus und Terror: „Bildung ist Freiheit, Freiheit im Denken und Freiheit im Entscheiden“, sagte Barnett.
Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte an den Anspruch der Bundesregierung, außenpolitisch „mehr Verantwortung zu übernehmen“. Aber gerade das Beispiel Syrien zeige, dass die deutsche Außenpolitik „nicht frühzeitig, sondern reaktiv, nicht substanziell, sondern kurzfristig, nicht entschieden, sondern teilweise opportunistisch“ sei. Es sei zwar gut, wenn nun die Mittel für humanitäre Hilfe – etwa zur Finanzierung des Welternährungsprogramms – erhöht würden. Trotzdem stelle sich die Frage: „Wo war eigentlich die deutsche Außenpolitik in den letzten fünf Jahren?“
Nouripour begrüßte, dass nun auch auf deutsche Initiative in Wien unter anderem mit dem Iran, Saudi-Arabien und Russland über eine politische Lösung des Syrien-Konfliktes gesprochen werde. Allerdings sitze dabei die moderate Opposition gegen das Assad-Regime nicht mit am Tisch. „Wir müssen höllisch aufpassen, ob wir uns die richtigen Partner wählen“, sagte Nouripour etwa mit Blick auf Saudi-Arabien. Es gelte zum Beispiel, laut die Stimme zu erheben, wenn die saudischen Partner des Westens „Jemen in die Steinzeit zurückbomben“.
Alois Karl (CDU/CSU) erinnerte daran, dass das Auswärtige Amt die „höchste Steigerung aller Einzeletats“ und den größten Etat seiner Geschichte aufzuweisen habe. Lange sei Außenpolitik als eine Nische wahrgenommen worden: „Das hat sich geändert.“ Wenn die Bundesregierung bei Konflikten wie in der Ukraine oder in Syrien gefragt sei, um nach Lösungen zu suchen, „dann ist das eine Auszeichnung unserer Außenpolitik und wert, dass wir das mit hohen Summen ausstatten“.
Bei der Aufnahme von Flüchtlingen sei eine Lastenteilung innerhalb der EU der richtige Weg. „Viele europäische Länder scheinen über den Schritt der EWG nicht hinausgekommen zu sein“, sagte Karl. Die EU sei eine Wertegemeinschaft und dies bedeute, „dass man in schwierigen Zeiten Lasten zu teilen hat“. Karl stellte jedoch auch klar, dass die Konflikte „an Ort und Stelle“ durch Bekämpfung von Fluchtursachen gelöst werden müssten.
Außenminister Steinmeier (SPD) unterstrich den Anspruch, durch Außenpolitik „Frieden zu konsolidieren, Perspektiven zu entwickeln und regionale Kooperation zu fördern“. Der Haushaltsentwurf stärke den gesamten „außenpolitischen Instrumentenkasten, von der humanitären Hilfe über die Krisenprävention bis hin zur auswärtigen Kulturpolitik“. Mit Blick auf den Terror des „Islamischen Staates“ sagte Steinmeier: „Am Ende ist Terrorismus militärisch nicht zu besiegen. Aber richtig auch: Der IS muss auch militärisch bekämpft werden.“
Falsch wäre es, sich nur auf das Militär zu beschränken, naiv wäre es, zu glauben, es ginge ganz ohne. Es gelte vor allem jene Kräfte zu stärken, die den IS am Boden kämpfen. „Das haben wir früher gemacht als andere“, sagte Steinmeier mit Blick auf die deutsche Unterstützung der kurdischen Peschmerga im Nordirak.
Die abschließende Beratung und Beschlussfassung über den Gesamthaushalt – und damit auch über den Etat des Auswärtigen Amtes – sind für Freitag, den 27. November vorgesehen. Einen ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6799) lehnte der Bundestag allerdings gegen das Votum der Opposition ab. Die Grünen wollten die Mittel für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland auf eine Milliarde Euro aufstocken.
Ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke (18/6772) zum Einzelplan 05 wird erst am 27. November abgestimmt. Die Linke fordert unter anderem, das außenpolitische Handeln der Bundesregierung konsequent auf die Förderung von Frieden auszurichten und die Mittel für Krisenprävention und Konfliktbearbeitung auf 400 Millionen Euro zu erhöhen. (ahe/25.11.2015)