Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am Donnerstag, 26. November 2015, den Gesundheitsetat für das kommende Jahr beschlossen. Der komplette Bundeshaushalt 2016 soll am 27. November endgültig verabschiedet werden.
Der Einzelplan 15 des Bundesministeriums für Gesundheit (18/5500, 18/5502, 18/6114, 18/6124, 18/6125, 18/6126) sieht Gesamtausgaben in Höhe von rund 14,57 Milliarden Euro vor. Das sind rund 2,5 Milliarden Euro mehr als 2015, die komplett an den Gesundheitsfonds gehen. Der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds, deklariert als pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben, ist mit 14 Milliarden Euro der größte und wichtigste Haushaltsposten im Etat von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Mit dem Geld werden sogenannte versicherungsfremde Leistungen finanziert, also zum Beispiel die beitragsfreie Familienmitversicherung oder Aufwendungen für Schwangerschaft und Mutterschaft.
Ursprünglich war der Bundeszuschuss gesetzlich bei 14 Milliarden Euro festgeschrieben. Mit der Kürzung dieser Mittel in Höhe von insgesamt 8,5 Milliarden Euro, verteilt über die Jahre 2013 bis 2015, wurde ein Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushaltes geleistet. Möglich wurden die Kürzungen durch die günstige Kassenlage im Gesundheitssystem - die Überschüsse der Krankenkassen und die milliardenschweren Rücklagen des Gesundheitsfonds. Ab 2017 soll der Bundeszuschuss bei 14,5 Milliarden Euro festgeschrieben werden.
Für Maßnahmen zur besseren Versorgung von Pflegebedürftigen stehen im Haushalt 3,9 Millionen Euro bereit. Hinzu kommen 39 Millionen Euro zur Förderung der privaten Pflegezusatzversicherung, deutlich weniger als 2015. Für die gesundheitliche Prävention und Aufklärung der Bevölkerung sind rund 45 Millionen Euro veranschlagt.
Neben dem Ministerium umfasst der Einzelplan 15 auch die Etats der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie des Robert-Koch-Instituts (RKI).
In der rund anderthalbstündigen Debatte lobten Redner von Union und SPD die in diesem Jahr verabschiedeten Reformen in den Bereichen Pflege, ärztliche Versorgung, Krankenhäuser, Prävention und Hospize. Damit werde das ohnehin schon leistungsfähige deutsche Gesundheitssystem weiter gestärkt. Oppositionspolitiker würdigten zwar die politischen Initiativen, bemängelten jedoch, dass für die steigenden Kosten keine nachhaltige Lösung in Sicht sei.
Die im kommenden Jahr leicht steigenden Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Grundsatzstreit über die paritätische Finanzierung der Beitragssätze zog sich durch viele Redebeiträge. Beherrschendes Thema war zudem die Flüchtlingskrise, die neben zusätzlichen Gesundheitskosten vor allem organisatorisch enorme Herausforderungen mit sich bringt.
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) monierte, die Gesundheitskosten seien durchaus finanzierbar, der Etat sei aber weder sozial noch gerecht. Sie nannte als Beispiel den Verzicht auf die hälftige Finanzierung der Beitragssätze durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber und appellierte auch an die SPD, diese Gerechtigkeitslücke wieder zu schließen. Sie sprach sich für eine Bürgerversicherung aus, wobei alle Einkommensarten beitragspflichtig wären, auch Kapitaleinkünfte. Eine Zwei-Klassen-Medizin und Zwei-Klassen-Pflege dürfe nicht hingenommen werden.
Lötzsch kritisierte in dem Zusammenhang die Überlastung der Pflegekräfte in Heimen und Krankenhäusern und forderte mehr Personal. Umfragen hätten gezeigt, dass derzeit nachts in stationären Einrichtungen bisweilen nur eine Pflegekraft für 52 Patienten zuständig sei. Dringend nötig sei eine verbindliche Personalbemessung. Lötzsch mahnte, das zur Verfügung stehende Geld müsse einfach besser eingesetzt werden.
Gröhe warf der Linke-Abgeordneten vor, ihre Beschreibungen hätten mit der Realität nichts zu tun. In Deutschland bekämen Menschen komplexe medizinische Behandlungen unabhängig vom Einkommen. Mit den zahlreichen verabschiedeten Reformen werde die Versorgung noch besser. Mit den Projekten sei auch das Ziel verbunden, die ambulanten und stationären Sektoren und Spezialisten besser miteinander zu vernetzen. Gröhe betonte: "Es geht darum, Brücken statt Mauern zu bauen."
Der Minister räumte ein, dass die Verbesserungen nicht umsonst seien und erinnerte an die Erhöhung des Pflegebeitrags, die jedoch in der Bevölkerung auf große Zustimmung stoße. Die Anhebung der Zusatzbeiträge 2016 falle moderat aus. "Für Alarmismus ist da wahrlich kein Raum." Das Präventionsgesetz werde langfristig zu erheblichen Einsparungen führen. Gröhe kündigte als neue Projekte ein Gesetz gegen Designerdrogen und eine Regelung für Cannabis als Medizin an. Ferner werde als Konsequenz aus der Ebola-Krise mehr Geld für den globalen Gesundheitsschutz bereitgestellt.
Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte daran, dass der Gesundheitsetat jenseits der milliardenschweren Zuweisungen an den Gesundheitsfonds wenig Spielraum lasse für finanzpolitische Schwerpunkte. Sie lobte, Gröhe kenne den Haushalt bis ins Detail, das sei bemerkenswert. Als größte Herausforderung nannte sie, das Gesundheitssystem angesichts des demografischen Wandels und des technischen Fortschritts langfristig stabil und zukunftsgerecht zu gestalten.
Die jetzigen Reformschritte seien zu klein, um langfristig Stabilität zu erreichen. In der Flüchtlingskrise gehe es jetzt vor allem darum, die vielen traumatisierten Menschen, darunter viele junge Leute, zu versorgen.
Auch Petra Hinz (SPD) betonte, die Flüchtlingsfrage ziehe sich wie ein roter Faden durch alle Haushalte. Den Menschen müsse jetzt schnell geholfen werden, allen voran Schwangeren, Kindern, Traumatisierten und Behinderten.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) betonte, es gehe zuvorderst um humanitäre Fragen, erst dann um Geld. Gleichwohl sprach er sich dafür aus, es bei der eingeschränkten Gesundheitsversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu belassen.
Harald Weinberg (Die Linke) forderte von den Ländern die rasche Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge. Das System der Behandlungsscheine sei teuer und nicht sinnvoll. Teuer seien auch die von der Regierung beschlossenen Reformen, fügte Weinberg hinzu, wobei Milliardensummen völlig zu Unrecht allein von den Beitragszahlern getragen würden, obwohl es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handele.
Ähnlich argumentierte Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen). Die Koalition habe zwar "fünf stramme Gesetze durchgezogen", die großen Themen aber vertagt, so etwa die dringend nötige Personalbemessung in der Pflege und eine Lösung für den Investitionsstau der Krankenhäuser. Die einseitige Belastung der Versicherten könne nicht hingenommen werden.
Michael Hennrich (CDU/CSU) räumte ein, er habe bei den Reformkosten mitunter ein "Bauchgrimmen" verspürt, gleichwohl seien die Gesetze wichtig. So könnte mit der richtigen Prävention die Volkskrankheit Diabetes eingedämmt werden. Das würde dann auch die enormen Therapiekosten senken.
Dietrich Monstadt (CDU/CSU) sagte, die erschreckend hohen Diabeteszahlen seien auf veränderte Lebensstile zurückzuführen, und es seien längst nicht nur Erwachsene betroffen, sondern zunehmend Kinder. Hochrechnungen zufolge könnte die Zahl der Betroffenen von derzeit rund zehn Millionen auf 20 Millionen im Jahr 2025 ansteigen. (pk/26.11.2015)