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Die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Bausparkassen werden von den betroffenen Unternehmen positiv beurteilt. Die Branche selbst forderte aber in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Ingrid Arndt-Brauer (SPD) am Montag, 23. November 2015, noch weitere Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Situation angesichts der Niedrigzinsphase. So sollten die Beleihungsgrenzen bei Finanzierungen nicht auf 80 Prozent des Wertes begrenzt bleiben, sondern auf 100 Prozent erhöht werden. Das Geschäftsfeld der Bausparkassen sei risikoarm, und gerade junge Familien seien wegen der Erwerbsnebenkosten oft überfordert, das notwendige Eigenkapital aufzubringen, erklärten der Verband der Privaten Bausparkassen und die Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Die Bundesregierung will mit dem eingebrachten Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bausparkassen (18/6418) die Vorgaben für Bausparkassen auf das niedrige Kapitalmarktzinsniveau ausrichten. "Die aus dem Jahr 1980 stammenden und seitdem im Wesentlichen unveränderten Vorgaben für Bausparkassen sind an mögliche Auswirkungen eines lang anhaltenden Niedrigzinsumfelds nicht hinreichend angepasst", heißt es in dem Entwurf.
In Zukunft wird den Bausparkassen die Möglichkeit eingeräumt, auch das Pfandbriefgeschäft zu betreiben. Dadurch würden die Bausparkassen kostengünstige Refinanzierungsmöglichkeiten erhalten, etwa für die Gewährung von Darlehen oder zur Finanzierung von Neutarifen. Die Bausparkassen erhalten außerdem die Möglichkeit, in höherem Umfang als bisher sonstige Baudarlehen neben den eigentlichen Bausparkassendarlehen zu gewähren. Die Maßnahme werde positive Auswirkungen auf die Ertragslage der Bausparkassen haben, erwartet die Regierung.
"Die Verbreiterung der Refinanzierungsbasis der Kreditvergabe, sowohl durch die Zulassung der Vergabe von Hypothekenpfandbriefen als auch durch die Möglichkeit der Refinanzierung sonstiger Baudarlehen mit freien Zuteilungsmitteln in Verbindung mit einer Anhebung des Gesamtlimits für diese Darlehen ist geeignet, die Position der Bausparkassen in der privaten Wohnungsbaufinanzierung perspektivisch zu verbessern", lobten die Verbände der Bausparkassen.
Auch die Deutsche Bundesbank bezeichnete den Entwurf als geeignet, die Risikosituation der Bausparkassen zu verbessern. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zeigte sich zufrieden mit dem Entwurf, der keine unverhältnismäßigen Risiken für Bausparer und für Bausparkassen beinhalte. Die von den Kassen gewünschte Anhebung der Beleihungsgrenzen sei nicht zwingend notwendig, aber vertretbar.
Rechtsanwalt Achim Tiffe äußerte Zweifel am Geschäftsmodell der Bausparkassen. Notwendig seien Bausparkassen nicht. Die Immobilienfinanzierung würde auch ohne sie - wahrscheinlich sogar besser - funktionieren. Ihre Berechtigung hätten Bausparkassen bei kleineren Finanzierungen wie einer Heizungsanlagenerneuerung. Bei großen Finanzierungen seien sie nachteilig und unflexibel.
Tiffes Kritik wurde zum Beispiel vom Verband der Privaten Bausparkassen mit dem Hinweis auf den Markt, der über die Produkte entscheiden solle, widersprochen. Private Bausparkassen und öffentliche Landesbausparkassen berichteten von einem positiven Bauspargeschäft; nach Angaben der Landesbausparkassen stehen die Unternehmen aber wegen der bestehenden Altverträge mit hohen Zinsen unter Druck.
Rechtsanwalt Helge Petersen erklärte, der Gesetzentwurf befasse sich gar nicht mit der Realität. 85 Prozent der von den Bausparkassen ausgegebenen Kredite seien keine klassischen Bausparkredite, sondere andere Finanzierungen. Er übte auch Kritik an den hohen Abschlussgebühren für Bausparverträge, die die niedrigen Zinsen auf Jahre hinweg aufzehren würden.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband stellte in ihrer Stellungnahme erfreut fest, dass das von den Bausparkassen gewünschte Sonderkündigungsrecht für Verträge mit hohen Zinsen nicht im Gesetzentwurf enthalten sei. Es sei auch positiv, dass das Gesetz zumindest eine Soll-Vorschrift vorgebe, dass bestehende Verträge beim Scheitern einer Bausparkasse einer anderen Bausparkasse übertragen werden sollten. Dennoch würden Verbraucher ungeschützt sein, wenn eine Bausparkasse in einer Finanzierungsphase abgewickelt werden müsse. (hle/23.11.2015)