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Die Etablierung des Wolfes in Deutschland bleibt eine Herausforderung. Viele unterschiedliche Regelungen, der Föderalismus und nicht zuletzt höhere Kosten für die Nutztierhalter fordern die Bemühungen um den Tier-, Jagd- und Artenschutz heraus. „Das Thema bewegt in Deutschland auf vielfache Art und Weise“, führte Alois Gerig (CDU/CSU), Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, am Mittwoch, 25. November 2015, in das öffentliche Fachgespräch zum Thema „Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft und Jagd“ ein. Besonders widmete sich der Ausschuss dem Aspekt des Herdenschutzes.
Entspannt in die Zukunft blickte Gesa Kluth von Lupus-Institut für Wolfsmonitoring und -forschung. „Die Entwicklung in Deutschland ist auf einem guten Weg“. Seit dem Jahr 2000 begleitet die Diplombiologin die Ausbreitung des Wolfes, die sie als dynamisch einschätzt. Die Population habe sich von damals einem Rudel auf heute 31 Rudel und sechs territoriale Einzeltiere erhöht.
Dabei habe der Herdenschutz von Anfang an eine Rolle gespielt, denn alle Beteiligten hätten die gleichen Ziele. „Alle wollen, dass keine Nutztiere getötet werden.“ Dennoch sah sie eine Reihe von „Stellschrauben“, an denen noch gedreht werden könne, um die Akzeptanz des Wolfes zu fördern. Zum Beispiel gebe es noch offene Fragen, denn eine klare Datenlage zur Wechselbeziehung zwischen Wolf und Wildtieren in heimischen Wäldern fehle.
Der Forstzoologe Dr. Norman Stier von der Technischen Universität Dresden sah Bedarf an Informationen und Öffentlichkeitsarbeit, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und entstehende Angst zu begegnen. Dennoch schätzte er die ergriffenen Maßnahmen zum Herdenschutz in vielen Bundesländern positiv ein: „Diese funktionieren gut.“
Nach seiner Ansicht lassen sich jedoch am schwierigsten Konflikte im Bereich der Jagd entschärfen. Stier hielt zwar die Auswirkungen des Wolfes auf den Wildtierbestand für überschätzt, stellte aber auch fest, dass die Datenlage nicht ausreiche, um Abschussplanungen für Wildtierpopulationen vornehmen zu können, die sich ihr Revier mit Wölfen teilen. „Die Jäger dürfen nicht den Eindruck haben, dass sie allein stehen gelassen werden“, mahnte Stier.
Hingegen betrachtete Frank Faß von der Wolfcenter GbR das Herdenschutzwesen als größtes Konfliktfeld. Er forderte, dass auf Bundesebene Präventionsmaßnahmen und Entschädigungsregelungen einheitlich geregelt werden müssen, statt jedes Bundesland eigene Lösungen finden zu lassen. „Dann kann daraus ein konfliktarmes Thema gemacht werden, konfliktfrei wird es aber wohl nie sein.“
Zudem regte er an, mehr Personal für das Thema abzustellen und die Zusammenarbeit mit den Tierhalterverbänden zu stärken. „Denn es darf nicht nur die Schaf- und Ziegenhaltung betrachtet werden, sondern auch bei der freien Rinder- und Jungviehhaltung muss hingeschaut werden.“
Aus der Praxis wusste Jürgen Körner von der Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde e.V. zu berichten, dass die Nutztierhalter mehr Unterstützung brauchen. Selbst bewirtschafte er eine rund 400 Hektar große Fläche mit Weidetieren und 20 Herdenschutzhunden in einer Region mit Wölfen und habe bisher keine Probleme gehabt.
Dennoch würden Fallstricke im Detail lauern. „Zum Beispiel steht in der Hundehalterverordnung, dass jeder Hund eine Hütte braucht“, sagte Körner. Nun müsse nur für die Behörden eine Hütte aufgestellt werden, obwohl die Herdenschutzhunde nicht in einer Hütte sein können, wenn diese eine Herde schützen. Ein Punkt, den Dr. Robert Kloos vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufnahm und in Aussicht stellte, dass das Thema „Hütte“ geregelt werde.
Darüber hinaus führe die Hundehaltung zu enormen zusätzlichen Kosten. Frank Faß berechnete die Kosten für zwei Hunde pro Herde auf rund 2.000 Euro pro Jahr. Mehr Akzeptanz gegenüber dem Wolf versprach sich Körner zudem davon, wenn es in Zukunft möglich wäre, „problematische Wölfe“ zu bejagen.
Eine Forderung, der Markus Bathen vom Nabu widersprach: „Wölfe zu entnehmen, nützt nichts, wenn der Herdenschutz nicht ausreichend ist.“ Wölfe würden sich zu 99 Prozent von Wildtieren ernähren. Biologin Kluth pflichtete bei, dass die meisten Übergriffe zudem Hobbyhalter erleiden würden, die sich nicht professionell schützen könnten. Frank Faß ergänzte, dass bei Entschädigungs- oder Fördermaßnahmen deshalb Hobbyhalter einbezogen werden müssten. „Wer seine Tiere schützen möchte, muss finanziell unterstützt werden“, sagte er.
Bathen führte aus, dass in den vergangenen Jahren in Sachsen sehr viele gute Erfahrungen gemacht worden seien und es ein gut funktionierendes Wolfsmanagement gebe. Entscheidend für die Zukunft sei, dass es eine flächendeckende und konsequente Vorsorge gebe. (eis/26.11.2015)