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Mit einer Kontroverse über den Abschlussbericht (18/6700) des 2. Untersuchungsausschusses ist die parlamentarische Aufarbeitung der Edathy-Affäre zu Ende gegangen. Strittig bleibt vor allem die Rolle des Abgeordneten Michael Hartmann (SPD). Politische Brisanz hatte der Fall von Anfang an, weil mehrere führende Politiker von den Ermittlungen gegen den damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy wegen des Verdachts der Nutzung von Kinderpornografie erfahren hatten, lange bevor bei ihm eine Hausdurchsuchung stattfand. Dies führte Anfang 2014 zum Rücktritt von Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) als Bundesminister.
Zu den Fragestellungen, die der 2. Untersuchungsausschuss zu beantworteten hatte, gehörte, ob das Bundeskriminalamt (BKA) Fehler gemacht hatte bei dem Kinderporno-Großverfahren, in dessen Verlauf der Verdacht gegen Edathy aufgetaucht war. Die Ausschussvorsitzende Dr. Eva Högl (SPD) verneinte dies ohne Wenn und Aber. Als sie den Mitarbeitern des BKA „für ihre schwere Arbeit“ dankte, erhielt sie Beifall von allen Seiten des Plenarsaals.
Die zentrale Frage, vor allem für die Öffentlichkeit, aber war: Wurde Edathy vor den Ermittlungen gegen ihn gewarnt, und wenn ja, von wem. Hier stellte Högl als Ergebnis der einjährigen Ermittlungen des Ausschusses fest: „Sebastian Edathy wurde gewarnt vor den Ermittlungen, ja sogar konkret vor der Durchsuchung. Wir haben nicht herausarbeiten können, von wem.“
Dies sahen die Redner der Opposition ganz anders. „Die zeitlichen Abläufe der Handlungen von Sebastian Edathy und seinem Anwalt sind nur mit fortlaufenden Informationen logisch erklärbar“, stellte Frank Tempel (Die Linke) fest. Und: „Es gibt keinen anderen Rückschluss, als dass Michael Hartmann die Informationsquelle für Michael Edathy war.“
Es sei aber kein Eigenmotiv für dieses Handeln erkennbar, weshalb sich die Frage stelle: „Wen deckt Hartmann?“ Die Linke sehe es als erwiesen an, fuhr Tempel fort, dass es eine Kommunikation von der SPD-Fraktionsspitze über Michael Hartmann bis hin zu Edathy „gegeben haben muss“.
Der SPD warf Tempel vor, für sie habe im Untersuchungsausschuss nicht Aufklärung, sondern Schadensminimierung im Vordergrund gestanden. Er bezog diesen Vorwurf sowohl auf die zahlreichen Zeugen aus der SPD-Fraktion als auch auf die Amtsführung der Ausschussvorsitzenden Högl.
Irene Mihalic hieb für Bündnis 90/Die Grünen in dieselbe Kerbe. Sechs Zeugen hätten bestätigt, dass Hartmann auf dem SPD-Parteitag am 15. November 2013 durch Michael Hartmann von den Ermittlungen gegen ihn erfahren hat. Nur Michael Hartmann selbst bestreite das. „Mir bleibt es ein Rätsel, wie Sie diese simple Erkenntnis nicht in Ihren Abschlussbericht hineinretten konnten“, sagte sie vor allem an die Unionsvertreter gerichtet, die sich früher in derselben Weise geäußert hätten.
Aber auch der ehemalige BKA-Chef Jörg Ziercke erfuhr von Mihalic scharfe Kritik. Ziercke hatte durch einen Anruf des heutigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann Monate vor der Durchsuchung bei Edathy erfahren, dass mehrere Spitzenpolitiker seiner Partei von dem Verdacht wussten. Ziercke hätte darüber umgehend den ermittelnden Staatsanwalt in Hannover unterrichten müssen, sagte Mihalic, damit dieser das Verfahren beschleunige. Dies unterlassen zu haben sei ein „klarer Rechtsbruch“.
Die Redner der Union teilten die Kritik der Opposition am Verhalten eines Teils der Zeugen aus der SPD. Armin Schuster (CDU/CSU) nannte deren Auftreten „unerträglich“. Auch Schuster sieht Michael Hartmann „von einigen glaubhaft auftretenden Zeugen erheblich belastet“. Allerdings, wie sein Fraktionskollege Michael Frieser formulierte, „was wir glauben, ist noch nicht das, was ein Untersuchungsausschuss belegen kann“.
Vor allem durch die Aussageverweigerung Hartmanns bei einer zweiten Vernehmung sei der Ausschuss in dieser Frage nicht weitergekommen. Aber, fügte Frieser im Blick auf das noch laufende Gerichtsverfahren gegen Hartmann wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage an: „Ich hoffe trotzdem, dass der Rechtsstaat noch in der Lage ist, an dieser Stelle seinen Beitrag zu leisten.“
Schuster hob im übrigen hervor, dass die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses dazu geführt hätten, vergangenen Sommer das Sexualstrafrecht zu verschärfen. Auch bei der Wiedereinführung von Mindestspeicherfristen für Telekommunikationsdaten, besser bekannt als Vorratsdatenspeicherung, hätten die Aussagen der Kinderporno-Ermittler eine wichtige Rolle gespielt.
Der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch nannte die von Edathy in seiner Vernehmung aufgestellte und von der Opposition als erwiesen betrachtete Behauptung, er sei kontinuierlich über den Stand der Ermittlungen unterrichtet worden, unsinnig. „Wir konnten nicht einmal feststellen, dass er besondere Kenntnisse über dieses Verfahren besaß.“ Grötsch nannte es „beschämend“, wie die Opposition mit Michael Hartmann umgegangen sei, und sprach von der „Zerstörung einer Person“.
Die von der Opposition kritisierte Information des damaligen Innenministers Friedrich durch BKA-Chef Ziercke und die Weitergabe an führende SPD-Politiker bezeichnete Grötsch als „nicht verwerflich“. Michael Frieser bezeichnete es sogar als „absolut richtig“, dass Friedrich während der Koalitionsverhandlungen SPD-Chef Gabriel über den Verdacht gegen Edathy unterrichtet hatte. Es sei darum gegangen, „Schaden vom Land abzuwenden“, der entstanden wäre, wenn Edathy ein Regierungsamt bekommen hätte. (pst/04.12.2015)