Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Luise Amtsberg ist 31 Jahre jung und seit drei Jahren Bundestagsabgeordnete. Als flüchtlingspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Innenausschuss ist die Islamwissenschaftlerin für die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik zuständig. Die Politikerin aus Kiel ist außerdem Mitglied im Petitionsausschuss sowie im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Mehr geht nicht? Doch, geht! Luise Amtsberg vertritt ihre Fraktion im Europarat in Straßburg und gehört drei Parlamentariergruppen an. Den Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit formuliert sie so: „Ich setze mich für eine humane Asylpolitik in Deutschland und den Ausbau eines solidarischen Europas ein. Es ist wichtig, dass es ein gemeinsames Asylsystem aller Mitgliedstaaten der EU mit einheitlich hohen Asylstandards gibt. Die Praxis der Abschottungspolitik an den europäischen Außengrenzen muss ein Ende haben.“
Luise Amtsberg wurde in Greifswald geboren, wuchs in Ost-Berlin auf und kann sich heute sehr gut daran erinnern, dass in ihrem Elternhaus politische Diskussionen sehr intensiv geführt wurden. „Bürgerrechte, Freiheit und freie Meinungsäußerung, waren in unserer Familie ein sehr wichtiges Thema. Mein Vater hatte einen sehr hohen Preis dafür gezahlt, weil er das DDR-Regime öffentlich kritisierte und seine Meinung sagte. Er wurde drei Jahre in Bautzen inhaftiert und er sprach mit mir viel über diese Zeit. Je älter ich wurde, desto besser verstand ich, wie wichtig es ist, dass Menschen ihre Meinung ohne Angst frei äußern dürfen und ihre freiheitlichen Rechte als Bürger wahrnehmen können“, sagt die Abgeordnete.
Ende der 1990er-Jahre zog Luise Amtsberg mit ihrer Mutter ins niedersächsischen Hemmoor am westlichen Ufer der Oste. Sie erinnert sich: „Der Wechsel von der Großstadt in eine fast dörfliche Gemeinschaft war für mich eine enorme Umstellung. Ich kam in eine völlig unpolitische Gemeinschaft, und die Lethargie der Leute war mir unbegreiflich. Als Jugendliche wollte ich diskutieren, mich mit Politik und anderen Meinungen auseinandersetzen. Aber die Jugendlichen meines Alters waren davon eher irritiert, deshalb war ich froh, als ich zum Studieren nach Kiel gehen konnte.“
Nach dem Abitur und studierte Luise Amtsberg an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel Islamwissenschaften, Politikwissenschaften und evangelische Theologie. An der Universität konnte sie sich endlich politisch engagieren und sich mit anderen Studierenden austauschen. Sie arbeitete bald im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) mit und wurde zur Vorsitzenden gewählt.
Sie kämpfte mit Herzblut gegen die Einführung von Studiengebühren und pflegte enge Kontakte mit ausländischen Studierendenvereinen. Noch heute ist sie davon überzeugt: „Der Zugang zu Universitäten darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Es ist unsozial, wenn junge Menschen aus finanziellen Gründen nicht studieren können. Vor allem ist es extrem ungerecht und eine Vergeudung von Potenzialen“, sagt die Politikerin.
Den ersten Kontakt zu den Grünen hatte Luise Amtsberg im Jahr 2005, als die Geschäftsstelle der Grünen in Kiel eine Praktikantin suchte. „Ich habe mich vorgestellt, wurde genommen und die Atmosphäre gefiel mir. Es war die Zeit der vorgezogenen Bundestagswahl, und ich konnte sofort Erfahrungen im Wahlkampf sammeln. Plakate kleben, Flyer verteilen und mit den Menschen ins Gespräch kommen.
Im Wahlkampf kam auch Joschka Fischer nach Schleswig-Holstein, und ich kann mich daran noch heute gut erinnern. Ich durfte ihn vier Tage im Wahlkampf begleiten und war sehr beeindruckt von diesem charismatischen Politiker. Wie er argumentierte und mit den Menschen ins Gespräch kam, um sie von der grünen Sache zu überzeugen, war großartig. Es war mein Einstieg in die grüne Parteipolitik“, sagt Luise Amtsberg.
Obwohl Luise Amtsberg noch studierte, machte die engagierte Studentin bald Parteikarriere. 2006 wurde sie zur Beisitzerin im Kreisvorstand der Kieler Grünen gewählt. Wenig später war sie Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Europa-, Friedens- und Außenpolitik, und 2009 schaffte sie bei der Landtagswahl den Einzug in den Landtag von Schleswig-Holstein. Da war Luise Amtsberg gerade 24 Jahre jung und hatte schon viele Erfahrungen gesammelt.
„Als Sprecherin für Flüchtlingspolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus brachte ich verschiedene Initiativen für die Verbesserung der Lebensumstände schutzsuchender Menschen in den Landtag ein. Als Oppositionspartei können wir uns mit unseren Positionen meist nicht durchsetzen. Außer bei der Abschaffung der Residenzpflicht für Flüchtlinge und Geduldete. Da hat die schwarz-gelbe Koalition nachgegeben. Sie wurde im Jahr 2011 vom Landtag verabschiedet“, erzählt die Politikerin.
Luise Amtsberg vertrat den Landtag von Schleswig-Holstein auf der Ostseeparlamentarierkonferenz in der staatenübergreifenden Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Menschenhandel im Ostseeraum. Auf Einladung des amerikanischen Außenministeriums reiste sie 2011 im Rahmen des International Visitors Leadership Program in die USA, um Einblicke in das amerikanische Einbürgerungssystem und die Flüchtlingspolitik der Vereinigten Staaten zu erhalten.
„Trotz meines parteipolitischen Engagements behielt ich den Studienabschluss fest im Blick. Ich hatte 2012 beschlossen, nicht erneut für den Landtag zu kandidieren, sondern erst mein Studium zu beenden. Das Thema meiner Magisterarbeit war ‚Feminismus im Islam am Beispiel der palästinensischen Frauenbewegung’. Ich reiste im Jahr 2012 nach Israel und Palästina, schrieb dort meine Magisterarbeit und konnte mein Studium erfolgreich beenden.“
Im November 2012 war Luise Amtsberg zur Kreisvorsitzenden der Kieler Grünen gewählt worden und organisierte vor der Kommunalwahl ein parteiübergreifendes Bündnis gegen Rechtsextremismus. „Ziel war es, den Einzug der NPD-Tarnliste ,Wahlalternative Kieler Bürger' ins Rathaus zu verhindern. Das war mir eine Herzensangelegenheit“, sagt die Abgeordnete.
Anfang des Jahres 2013 wurde Luise Amtsberg von den Kieler Grünen als Direktkandidatin für den Wahlkreis fünf aufgestellt und auf dem Landesparteitag in Eckernförde zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gewählt. Sie erinnert sich: „Ich kandidierte auf Platz eins der Landesliste und hatte damit eine chancenreiche Ausgangsposition. Der Wahlkampf war schwierig, denn viele Bürger waren gegen unsere Pläne für eine gerechtere Steuerpolitik. Sie sagten uns, dass wir uns um die Umwelt kümmern sollten, dafür würden sie uns wählen.“ Trotzdem konnte Luise Amtsberg so viele Menschen in Schleswig-Holstein überzeugen, dass sie als Spitzenkandidatin in den Bundestag einziehen konnte.
Im Innenausschuss setzt sich Luise Amtsberg für die Entlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ein. Sie sagt: „Oberste Priorität hat für mich der Bürokratieabbau im Bundesamt. Die Widerrufsprüfung zum Beispiel bindet viel zu viele Personalressourcen. Es muss doch jedem klar sein, dass Menschen aus Syrien oder dem Irak in den nächsten drei Jahren kein friedliches Umfeld vorfinden werden, in das sie zurückkehren können.“
Die Diskussion um den Familiennachzug für minderjährige Flüchtlinge ist für Luise Amtsberg schon aus humanitären Gründen nicht akzeptabel. „Unsere grüne Position dazu ist ganz klar: Wer den Familiennachzug einschränkt, der nimmt in Kauf, dass noch mehr Frauen und Kinder auf Schlauchbooten das Mittelmeer überqueren und dabei vielleicht ums Leben kommen“, erklärt die Politikerin. (bsl/29.02.2016)