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Mit einer umfassenden Ausbildungsreform sollen die Pflegeberufe attraktiver gestaltet und zugleich besser an die Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft angepasst werden. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte am Freitag, 18. März 2016, in der ersten Beratung über das Pflegeberufegesetz (18/7823), die Zusammenführung der bisher drei Ausbildungszweige Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege zu einem einheitlichen Berufsbild schaffe flexible Einsatzmöglichkeiten für Pflegekräfte sowie bessere Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.
Auch die Opposition hält eine Reform der Pflegeberufe für nötig, allerdings sollten nach Auffassung der Linksfraktion die bisherigen Spezialisierungen erhalten bleiben, wie die Abgeordneten in einem Antrag (18/7414) fordern. Die Grünen befürchten durch die Generalisierung ebenfalls einen Verlust an Fachwissen und plädieren in einem Antrag (18/7880) dafür, das Gesetzgebungsverfahren auszusetzen und ein Konzept für eine integrative Ausbildung zu entwickeln. Redner von Grünen und Linken rügten erneut die schlechte Bezahlung der Pflegekräfte und die teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen.
Gröhe erinnerte in der Debatte daran, dass die Ausbildungsreform bereits seit zehn Jahren diskutiert werde und nun mit dem Gesetzentwurf erstmals konkret umgesetzt werden solle. Das Pflegeberufegesetz füge sich ein in andere Reformen, die zugunsten einer besseren Pflegeversorgung bereits beschlossen worden seien.
Es gehe nun insgesamt auch darum, die Arbeitsbedingungen in der Pflege nachhaltig zu verbessern, etwa über einen neuen Personalschlüssel sowie die Entbürokratisierung in der Pflegedokumentation. Mit der Ausbildungsreform werde die Attraktivität der Pflegeberufe gesteigert. So könne der wachsende Bedarf an Pflegekräften gedeckt werden.
Der Minister verteidigte die Entscheidung zugunsten der generalisierten Ausbildung. So sei im Krankenhaus zunehmend auch Know-how aus der Altenpflege gefragt, und in der Altenpflege sei vermehrt Wissen aus der Krankenpflege unerlässlich. In der praktischen Ausbildung sei auch künftig eine fachliche Vertiefung möglich. Somit bleibe die bisherige Qualifikation erhalten, es entstünden aber mehr Einsatzmöglichkeiten Auch den Hauptschülern werde der Zugang zur Pflegeausbildung erleichtert. Hinzu komme die Möglichkeit der Akademisierung. Mit der Modernisierung der Ausbildungsberufe werde die Pflege weiter gestärkt.
Pia Zimmermann (Die Linke) sagte, die Aufwertung der Pflegeberufe sei in der Tat lange überfällig, nur stelle sich die Frage, ob sie mit der Reform auch möglich werde. Sie sprach von einem "Schmalspurgesetz", das den Herausforderungen überhaupt nicht gerecht werde. So würden die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege gar nicht angegangen. Das sei aber entscheidend. Nötig sei eine bundesweit einheitliche Personalbemessung.
Auch die Bezahlung vor allem in der Altenpflege müsse besser werden. Zimmermann hielt der Regierung vor: "Sie ignorieren die eigentlichen Probleme und machen Politik auf dem Rücken der Beschäftigten." Die Zusammenlegung der Ausbildungsberufe mache durchaus Sinn, allerdings nur in Form einer integrierten Ausbildung mit Spezialisierung.
Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) argumentierte, die Spezialisierung habe in der heutigen Gesellschaft eher einen noch größeren Stellenwert als früher, sie abzuschaffen wäre falsch. Sie warnte: "Die Generalisierung mutiert zur eierlegenden Wollmilchsau." Damit könnten die Probleme nicht gelöst werden. Ein Reformprojekt dieser Dimension dürfe sich nicht auf "Kaffeesatzleserei" reduzieren lassen.
Nötig seien spezialisierte Fachkräfte, nicht Pflegekräfte, die von allem ein bisschen verstünden. Die Pflege von der Wiege bis zur Bahre funktioniere nicht. Kinder seien auch keine kleinen Erwachsenen. Spezialwissen werde benötigt etwa bei der Betreuung chronisch kranker Kinder oder auch in Fällen von Demenz. Mit der jetzt vorgelegten Reform würden Bildungslücken entstehen und keiner wisse, welche Auswirkungen die Reform in der Praxis haben werde.
Elke Ferner (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, erwiderte, der Entwurf sei "alles andere als ein Schmalspurgesetz". Inmitten des demografischen Wandels müssten mehr Menschen für den Pflegeberuf gewonnen werden. Sie erinnerte daran, dass die Pflege immer noch vor allem von Frauen geleistet werde. Benötigt würden gute Arbeitsbedingungen in allen Bereichen der Pflege und eine angemessene Bezahlung.
So verdiene eine Altenpflegerin rund 20 Prozent weniger als die Pflegefachkraft im Krankenhaus. Die Generalistik mit Vertiefungsschwerpunkt werde dazu führen, dass Pflegekräfte in allen Bereichen arbeiten könnten. Zudem werde das Schulgeld abgeschafft, auch dies sei aus Frauensicht besonders wichtig. Die Pflege werde künftig mit anderen Branchen um Fachkräfte konkurrieren, betonte Ferner, somit müssten die Gehälter steigen.
Dr. Carola Reimann (SPD) ergänzte, es sei an der Zeit, gegen die traditionell schlechte Bewertung in sozialen Berufen vorzugehen. Die Reform könne dazu beitragen, ein zentrales Berufsfeld aufzuwerten. Das sei vor allem für die Altenpflege nötig, wo die Bezahlung schlecht ausfalle.
Niemand könne erklären, weshalb die Altenpflege wesentlich schlechter entlohnt werde als die Krankenpflege. Auch dürften soziale Berufe und Karrierechancen kein Widerspruch mehr sein, sagte sie in Anspielung auf die geplante akademische Pflegeausbildung. Die jetzt vorgelegte Reform sei lange mit den Ländern diskutiert und erprobt worden.
Erich Irlstorfer (CDU/CSU) sagte, es handele sich um ein Thema, das "uns alle wirklich berührt". Die Pflegeversorgung für die Zukunft sicherzustellen, sei die herausragende Aufgabe der aktuellen Gesundheitspolitik.
Auch Maria Michalk (CDU/CSU) sprach von einer großen Herausforderung für die Zukunft. Benötigt werde für die Pflegeversorgung mehr und flexibel einsetzbares Fachpersonal. Mit Blick auf die Opposition fügte sie hinzu, sie könne verstehen, wenn bei einer solchen Reform grundsätzliche Bedenken vorgebracht würden. Allerdings werde die Zukunft der Gesellschaft vermutlich noch größere Umstellungen abverlangen. Sie warnte: "Wenn wir an den Gewohnheiten festhalten und uns nicht den Zukunftschancen öffnen, wird uns die Lebenswirklichkeit dazu zwingen."
Die geplante generalistische Pflegeausbildung soll auf einen Einsatz in allen Arbeitsfeldern der Pflege vorbereiten, einen Wechsel zwischen Pflegebereichen erleichtern und den Pflegekräften wohnortnahe Beschäftigungsmöglichkeiten und zusätzliche Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen. Die Ausbildung werde in ein "gestuftes und transparentes Fort- und Weiterbildungssystem eingepasst", heißt es in der Vorlage. Die Durchlässigkeit zwischen den Qualifikationsstufen werde verbessert.
Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Der erste Ausbildungsjahrgang könnte nach Angaben der Regierung 2018 starten. Ausgebildet wird mit dem Berufsziel Pflegefachfrau oder Pflegefachmann. Die Ausbildung dauert drei Jahre, in Teilzeit maximal fünf Jahre und wird vergütet. Bislang wird in manchen Ländern noch Schulgeld erhoben, die Ausbildung ist dort also kostenpflichtig. Damit soll künftig Schluss sein. Der praktische Ausbildungsanteil soll in der neu strukturierten Lehre überwiegen. Eingeführt werden soll auch ein dreijähriges Pflegestudium. (pk/18.03.2016)