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Ob die Sorge um Umwelt- und Verbraucherschutzstandards, Kritik an Investor-Staat-Schiedsgerichten oder mangelnde Transparenz: Das Transatlantische Freihandelsabkommen, kurz TTIP, über das die USA und die Europäische Union seit 2013 verhandeln, ist heftig umstritten. Für neuen Zündstoff sorgte Anfang Mai die Umweltschutzorganisation Greenpeace, indem sie bislang geheime Verhandlungsdokumente veröffentlichte. Kritiker wie Katharina Dröge, Sprecherin für Wettbewerbspolitik von Bündnis 90/Die Grünen, fühlen sich in ihren Befürchtungen bestätigt. Die TTIP-Leaks nehmen sie und andere Grünen-Abgeordnete nun zum Anlass, um in der Fragestunde des Bundestages am Mittwoch, 11. Mai 2016, nachzuhaken, was die Bundesregierung unternimmt, um die Transparenz der Verhandlungen zu verbessern. Konkret fordert Dröge eine Offenlegung der Kriterien, nach denen Verhandlungstexte als „konsolidiert“ eingestuft und damit zur Einsichtnahme im Leseraum für Abgeordnete freigegeben werden. Das Interview im Wortlaut:
Frau Dröge, seit Februar sind die geheimen TTIP-Verhandlungsdokumente für Abgeordnete in einem besonderen Leseraum im Bundeswirtschaftsministerium einsehbar. Enthielten die TTIP-Leaks für Sie eigentlich noch Neues?
Die Frage kann ich so konkret gar nicht beantworten. Denn wenn ich über Informationen aus dem Leseraum spreche, laufe ich Gefahr, Geheimnisverrat zu begehen. Man könnte leicht Rückschlüsse ziehen, also muss ich vorsichtig sein. Zumindest so viel kann ich aber sagen: Das, was ich in den Dokumenten gelesen habe, hat mich in meinen Befürchtungen bestätigt und meine Kritik eher verschärft.
Nutzt Ihnen in dieser Hinsicht die Veröffentlichung der Dokumente?
Sie hilft uns insofern, als dass nun die Bundesregierung stärker in der Pflicht ist zu erläutern, wie sie zu den TTIP-Verhandlungen steht. Bislang blieb sie hier nur allgemein. Die Leaks verhindern, dass sie sich weiter wegstiehlt. Der größte Nutzen ist für mich aber, dass sich nun die Menschen selbst ein Bild machen können und öffentlicher Diskurs möglich ist. Allerdings finde ich es schon bitter, dass dazu erst jemand Geheimnisverrat begehen musste. Für uns Abgeordnete bleibt es jedoch trotzdem schwierig, die Verhandlungstexte zu kommentieren.
Hintergrund sind die strengen Geheimhaltungsauflagen, unter denen Abgeordnete Einsicht in die TTIP-Unterlagen nehmen können. Gegen die Bedingungen im Leseraum klagen Sie nun zusammen mit ihren Kollegen Anton Hofreiter und Britta Haßelmann vor dem Gericht der Europäischen Union. Was ist Ihr Ziel?
Für uns Abgeordnete war es ein Erfolg, dass es der Leseraum eingerichtet wurde. Dafür haben wir lange gekämpft. Nun können wir die Dokumente endlich lesen. Aber: Wir dürfen mit niemandem darüber reden. Nicht einmal mit unseren Mitarbeitern. Das ist ein Problem, denn so wird uns die Möglichkeit genommen, uns mit ihnen über äußerst komplexe Sachverhalte auszutauschen. Diese Rückkopplung mit Experten aber brauchen wir dringend, um unsere Aufgabe als Abgeordnete, die Bundesregierung ja kontrollieren sollen, zu erfüllen. Mit der Klage wollen wir erreichen, dass unsere Mitarbeiter Zugang zum Leseraum bekommen. So wie ihn die Mitarbeiter von EU-Parlamentariern ja übrigens auch haben.
Im Leseraum können nur „konsolidierte Verhandlungstexte“ eingesehen werden. In der Fragestunde erkundigen Sie sich, wann ein solcher Text denn überhaupt als konsolidiert gilt. Was steckt hinter Ihrer Frage?
Offenbar gibt es keine klaren Regeln dafür, wann ein Verhandlungstext als konsolidiert gilt. Es ist auf jeden Fall nicht so, dass es sich dabei nur um Texte handelt, in denen sich beide Seiten auf Entwürfe für Kompromisse verständigt haben. Teilweise stehen in den Dokumenten die Verhandlungspositionen von EU und USA nebeneinander, teilweise wird nur die Position der einen Seite genannt – ohne dass es aber eine Verständigung gegeben hätte. Das macht es für den Leser sehr schwierig, die Verhandlungen nachzuvollziehen. Deswegen hatte ich bereits schriftlich die Bundesregierung um eine Offenlegung der Kriterien gebeten.
Welche Auskunft haben Sie erhalten?
Eine recht unbefriedigende. Die Antwort der Bundesregierung lautete, sie kenne die Kriterien nicht. Aber wir Abgeordnete müssen schon genau wissen, oder ob wir alles zur Einsicht bekommen oder ob uns nur ein Auszug der Verhandlungstexte vorliegt.
Sie fragen die Bundesregierung auch, was sie unternimmt, damit die Abgeordneten möglichst frühzeitig Einblick in die Unterlagen erhalten. Haben Sie den Eindruck, dass die Dokumente nur verzögert freigegeben werden?
Mein Eindruck ist zumindest, dass sich die Bundesregierung um die Angelegenheit nicht wirklich kümmert. Nur zu antworten, man wisse nichts, finde ich schon bedenklich: Vielleicht ist die Bundesregierung nur unbedarft. Aber vielleicht möchte sie auch gar nicht genau wissen, nach welchen Kriterien die Verhandlungstexte zur Einsichtnahme freigegeben werden. Deshalb erwarte ich, dass sie am Mittwoch meine Frage beantwortet und endlich erklärt, was genau ein konsolidierter Text ist. Sonst stünde zu befürchten, dass rein nach politischen Motiven entschieden wird, was wir Abgeordnete lesen dürfen – oder eben nicht. (sas/10.05.2016)