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Religionsfreiheit ist ein universelles Menschenrecht, umfassend völkerrechtlich festgeschrieben – und dennoch weltweit verletzt. Das zeigt der aktuelle Bericht zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit, den die Bundesregierung auf Antrag des Bundestages erstmals in dieser Form vorgelegt hat. „Der Bericht gibt einen Überblick über die weltweiten Verletzungen der Religionsfreiheit sowie die Hindernisse, mit denen Menschen bei der Ausübung ihres Glaubens konfrontiert sind, sagte Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD), der im Rahmen der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 8. Juni 2016, zentrale Ergebnisse des Berichts präsentierte. Doch der Bericht stelle auch „positive Bemühungen dar, die Religionsfreiheit zu schützen“, die anderen als Beispiel dienen können, so der Minister.
Bei der Erarbeitung des Berichts habe das Auswärtige Amt sich nicht nur von Experten wie Heiner Bielefeldt, seit 2010 Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats,beraten lassen, erklärte Steinmeier, sondern auch eigene Daten in rund 90 Auslandsvertretungen erhoben sowie Länderanalysen des EU-Parlaments sowie aus den USA herangezogen. Der Bericht sei somit ein „Novum“, das einen „Mehrwert“ schaffen und zu einer informierten und vor allem differenzierten Debatte über das Thema beitragen könne, bilanzierte der SPD-Politiker.
Die im Bericht aufgeführten Typologien von Verfolgung und Bedrängung aufgrund von Religion verdeutlichten, wie vielfältig die Rechtsverletzungen seien. Sie reichten beispielsweise von Einschränkungen zeremonieller Handlungen oder der Erschwerung des Zugangs zu öffentlichen Ämtern über gesellschaftlicher Ausgrenzung bis hin zu systematischer Diskriminierung oder Todesstrafe.
„Die Beispiele im Bericht zeigen aber auch, dass solche Rechtsverletzungen nicht nur in einigen Regionen stattfinden, sondern weltweit“, sagte Steinmeier. In der Beurteilung der weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit ergebe sich aus dem Bericht ein „widersprüchliches, aber vielleicht gerade auch deshalb vollständiges Bild“.
Dr. Franz Josef Jung, kirchen- und religionspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, begrüßte die umfassende Darstellung des Berichts, erkundigte sich aber, warum der Bericht auf eine Gliederung nach einzelnen Ländern zugunsten von Typologien verzichtet habe. „So kommt die Gewichtung nicht zum Ausdruck“, monierte er. Auch die weltweite Verfolgung von Christen finde so nicht die „entsprechende Erwähnung“.
Steinmeier widersprach dem jedoch. „Die Lage der Christen wird behandelt.“ Bewusst habe man sich aber gegen ein „Länderranking“ und für eine Typologie der Rechtsverletzungen entschieden, um einen „Mehrwert“ zu schaffen und nicht die Arbeit anderer Berichte zu wiederholen. „Bei jeder Kategorie wird aber mit Länderbeispielen gearbeitet.“ So sei es möglich einzuschätzen, wie es um die Lage der Religions- oder Glaubensfreiheit in einem bestimmten Land bestellt sei, so der Außenminister. „Manche Staaten kommen sehr oft vor.“ Als Beispiele nannte er unter anderem China, Nordkorea oder Saudi-Arabien.
Wolfgang Gehrcke (Die Linke) lobte zunächst, dass der Bericht ausdrücklich die Weltanschauungsfreiheit miteinbeziehe und erkundigte sich weiter, welche Chance der Minister sehe, künftig zu verhindern, dass Religion als Rechtfertigung für Gewalt benutzt werde. Steinmeier betonte, dass dies der „Ansatz“ der Bundesregierung sei: „Wenn wir uns in Syrien dafür einsetzen, die Staatlichkeit zu erhalten, dann versuchen wir gleichzeitig auch Säkularität und die Koexistenz der Religionen zu sichern.“
Gerade Syrien sei in der Vergangenheit ein Land gewesen, in dem Menschen unterschiedlichen Glaubens zumindest friedlich „nebeneinander“ gelebt hätten. „Inzwischen jedoch haben zwei Drittel der Christen das Land verlassen.“
Volker Beck, religionspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, sprach sich dafür aus, dass die Bundesregierung künftig in regelmäßigen Abständen einen Bericht zur Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit veröffentlicht. „So könnten wir auch leichter ein Signal an die Länder senden, in denen wir Verschlechterungen der Lage erkennen.“
Diesen Vorschlag unterstützte Steinmeier: Sollte der Bundestag auch in Zukunft einen solchen Bericht von der Bundesregierung erwarten, hielte er einen Veröffentlichungsrhythmus von vier Jahren für „sinnvoll.“ Der Minister regte zudem eine Diskussion darüber an, ob die Frage der Religionsfreiheit weiterhin isoliert betrachtet werden solle oder gemeinsam mit der allgemeinen Lage der Menschenrechte.
Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, fragte, ob es einen Zusammenhang gebe zwischen der Stabilisierung „fragiler Staaten“ und der Gewährleistung der Religionsfreiheit.
Steinmeier sagte, es gebe tatsächlich die Staaten, die zur Bewahrung ihres religiös untermauerten Machtanspruchs die Rechte der Angehörigen anderer Religionen einschränkten. Häufiger jedoch seien religiöse Minderheiten der Bedrohung durch die religiöse Mehrheit ausgesetzt, weil die Staatlichkeit schwinde. (sas/08.06.2016)