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Der kürzlich verstorbene frühere FDP-Vorsitzende und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher setzte auf gelbe Pullover als Markenzeichen, das grüne Urgestein im Bundestag, Hans-Christian Ströbele, hingegen auf rote Schals. In der gleichen Signalfarbe wählt auch Dr. Johannes Fechner seine Krawatte: Kaum ein Foto, auf dem der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag sie nicht trägt. Rot fällt sofort ins Auge und ist traditionell die Farbe der Sozialdemokraten. So überrascht es streng genommen nicht, dass der Abgeordnete aus dem baden-württembergischen Wahlkreis Emmendingen-Lahr sie bewusst als Erkennungsmerkmal einsetzt.
Dabei bedarf es eines solchen Hilfsmittels eigentlich gar nicht mehr, um aufzufallen. Seit er 2013, nach zwei vergeblichen Anläufen, in den Bundestag eingezogen ist, hat der 41-Jährige eine Blitzkarriere hingelegt: Nach nur knapp einem Jahr im deutschen Parlament übernahm der Neuling den Posten des rechtspolitischen Sprechers und Obmanns seiner Fraktion im Rechtsausschuss.
Dabei profitierte er zwar von dem Umstand, dass die SPD in der laufenden Legislaturperiode mit Sebastian Edathy und Michael Hartmann gleich zwei profilierte Innen- und Rechtspolitiker verloren hatte. Ersterer stürzte über die Kinderpornografie-Affäre, letzterer trat als innenpolitischer Sprecher wegen des Konsums illegaler Drogen zurück.
Als Burkhard Lischka daraufhin zu Hartmanns Nachfolger gewählt wurde, übernahm Johannes Fechner Lischkas bisheriges Amt als rechtspolitischer Sprecher. „Natürlich habe ich das als eine große Chance empfunden“, sagt dieser bescheiden. „Mir ist schon bewusst, dass andere Abgeordnete mehrere Legislaturperioden dafür arbeiten müssen – und ich das Glück des Tüchtigen hatte“, setzt der promovierte Jurist hinzu.
Fechner sei „klug und umsichtig", attestierte ihm auch seine Fraktionskollegin Ute Vogt, selbst gut vertraut mit der Innen- und Rechtspolitik, in der „Südwest Presse“. Zudem besitze der Emmendinger das nötige Beharrungs- und Durchsetzungsvermögen und verfüge über reichlich kommunalpolitische Erfahrung. Tatsächlich zog er bereits als 22-Jähriger in den Gemeinderat seiner Heimatstadt ein.
Nahezu 20 Jahre ohne Unterbrechung gehörte er dem Kommunalparlament daraufhin an. Erst als Mitglied im Bundestag legte er 2013 das Mandat nieder. „Nicht jede Sitzung war vergnügungssteuerpflichtig“, erinnert er sich an seine ersten Jahre als Gemeinderat. „Da musste man sich durchbeißen und Sitzfleisch beweisen.“ Langweilig sei es dennoch nie gewesen. „Man tritt doch in eine Partei ein, weil man die Welt verbessern will. Und wenn man das ein Stück weit schafft, dann ist das ein schönes Gefühl.“
Dass Demokratie „etwas Besonderes“ ist, lernte Fechner bereits als Viertklässler: „Am Tag des Misstrauensvotums gegen Bundeskanzler Schmidt hat unser Lehrer den Unterricht unterbrochen und uns die Abstimmung im Fernsehen angucken lassen“, erzählt der SPD-Abgeordnete. Das habe Eindruck auf ihn gemacht. Genauso wie der damals unterlegene Sozialdemokrat, den er bis heute zu seinen politischen Vorbildern zählt.
Ein wenig stolz berichtet Fechner, dass es ihm gelang, ein von Helmut Schmidt signiertes Päckchen Zigaretten als Exponat für das Tabakmuseum Mahlberg in seinem Wahlkreis zu organisieren: „Die Freude war natürlich groß, dass dort neben Erhards Zigarre und Wehners Pfeife nun auch Schmidts Mentholzigaretten ausgestellt werden können.“
Als aktiver Handballer kann Fechner, anders als der 2015 verstorbene Altkanzler, Glimmstengeln wohl eher wenig abgewinnen – allerdings, sagt er, müsse er bisweilen seinen Schlafmangel mit „exzessivem Cola-Zero-Konsum“ bekämpfen. Er esse auch zu oft „Fleischkäsweckle“ zwischendurch, gestand der Politiker einmal der „Badischen Zeitung“. Überhaupt habe er eine Schwäche für die badische Küche. Sein Leibgericht: „Brägele und Leberle“, Leber mit Bratkartoffeln.
Ob das neue Dach für das Jugendhaus oder freies Internet in der Bibliothek, das Fechner in den 1990er-Jahren im Gemeinderat forderte: An der Kommunalpolitik schätzt er, dass „man direkt vor Ort den Erfolg“ sieht. Hier erwirbt Fechner sein politisches Rüstzeug und lernt insbesondere, „die Gremienarbeit effektiv zu gestalten“, wie er sagt, „nicht endlos zu diskutieren“, sondern zu Ergebnissen zu kommen.
Diese Ungeduld merkt man ihm bisweilen an. So gehörte Fechner zu einer Gruppe jüngerer Parlamentarier – mehrheitlich pragmatische SPD-Netzwerker – die im Januar 2015 mit einem Papier die eigenen Genossen zu mehr Reformeifer mahnten: Insbesondere drangen die Unterzeichner des Papiers auf ein flotteres Tempo beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. „Wir wollten nicht, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die SPD mache in der Großen Koalition nur Kompromisse und habe keine eigenen Ideen“, erklärt Fechner die Initiative. „Wenn wir eine eigene Mehrheit hätten, würden wir noch sehr viel mehr anstoßen – eben zum Beispiel beim Breitbandausbau.“
Seine persönliche Bilanz der bisherigen Legislaturperiode fällt gleichwohl positiv aus: Zwei große Projekte, für die er sich stark gemacht habe, würden nun im Wahlkreis realisiert, betont er – darunter der Ausbau der Rheintalbahn und die Förderung des Breitbandausbaus im Landkreis. „Außerdem war mir die Einführung der Mietpreisbremse sehr wichtig“, fügt Fechner hinzu, der als Anwalt unter anderem mit dem Schwerpunkt Mietrecht in Emmendingen niedergelassen ist.
„Wenn jetzt noch der Gesetzentwurf für die Einführung eines Hinterbliebenen-Schmerzensgelds kommt, dann habe ich meine persönliche To-Do-Liste abgearbeitet“, sagt der Vater zweier Kinder. Für einen eigenen Schmerzensgeld-Anspruch für Hinterbliebene habe er sich seit Längerem innerhalb der Koalition eingesetzt. „Als Anwalt habe ich mehrfach Angehörige von verstorbenen Unfallopfern vertreten und die Gesetzeslücken unmittelbar erfahren. Deshalb war es mir ein Anliegen, dass wir die diese Lücken schließen.“
Nichts, so scheint es, kann den SPD-Rechtsexperten derzeit stoppen – auch nicht der Muskelfaserriss, den er sich beim Training mit dem FC Bundestag kürzlich zugezogen hat. Regelmäßig tauscht Fechner Anzug und rote Krawatte gegen das Trikot der Parlamentskicker. Doch nun humpelt er an Krücken, soll sich eigentlich schonen. „Das geht aber gar nicht“, sagt er mit Blick auf sein Arbeitspensum und klemmt sich die Tasche unter den Arm.
Beim diesjährigen Parlamentarierturnier im finnischen Kuopio Anfang Mai, inoffiziell auch Europameisterschaft der Parlamentsmannschaften genannt, konnte Fechner so auch nicht dabei sein. In den vergangenen zwei Jahren gehörte der defensive Mittelfeldspieler aber jedes Mal zum Kader: „Mein Kindheitstraum, Fußball-Nationalspieler zu werden, hat sich so doch noch erfüllt.“ (sas/27.06.2016)